Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Sandy Penner - Страница 14
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Der kleine Hase Trick und die gestohlene Zeit
Es war einmal tief im Herzen eines grünen Waldes. Eulen flogen umher, Eichhörnchen hüpften von Ast zu Ast, Bienen summten über einer bunten Blumenwiese und Schmetterlinge flatterten in der Sonne. Der Name des Waldes war Blätterrauschen, weil der Wind dort besonders schöne Lieder sang.
Inmitten des großen Waldes, in einem gut versteckten Dorf namens Pilzhausen, wohnten die Hasen. Aber es waren keine gewöhnlichen Hasen, denn diese hier hießen Bemalhasen und sie waren zuständig für das Färben der Ostereier. Grasgrün, himmelblau, rosenrot, sonnengelb, mit Punkten und mit Blumenmustern. Alles konnten die kleinen, braunen Pfoten auf die Eier malen.
Doch eines Tages geschah in Blätterrauschen etwas ganz Entsetzliches. Zuerst fiel es keinem auf, da alle vertieft in ihre Arbeit waren. Aber ein kleiner, aufmerksamer Hase mit weiß-braun geflecktem Fell wunderte sich schließlich doch.
„Warum holt denn niemand die bunten Eier ab?“, fragte er einen großen schwarzen Hasen. Die Osterhasen kamen sonst jeden Tag. Erst da bemerkten die Anderen die vielen Körbe mit bunten Eiern, die nach wie vor an ihrem Abholplatz standen.
Der kleine schlaue Hase, sein Name war Trick, wunderte sich außerdem, warum es immer noch hell war.
„Kommt euch der Tag nicht auch besonders lang vor?“ Aber auch darauf wusste keiner der Großhasen eine Antwort.
Trick wusste nicht weiter und beschloss, die älteste Häsin in Pilzhausen zu fragen, obwohl es für die ganz Kleinen unter ihnen verboten war, sie zu besuchen. Denn Lia, die graue Hasenoma, zauberte besonders hübsche und leuchtende Farben auf die Eier und brauchte dafür ihre Ruhe. Daher sollte sie niemand stören und schon gar kein tollpatschiger Junghase. Nun konnte Trick aber ganz besonders leise schleichen, denn nur so kam er heimlich an die frischen Karottenplätzchen, die seine Mama sonntags backte. Auf ganz stillen Pfoten hoppelte er in den großen Pilz, in dem die alte Lia wohnte. Nun stand er vor ihr und konnte nichts anderes machen, als ihr beim Bemalen der Eier zuzuschauen. Solche schönen Blumenmuster hatte Trick noch nie gesehen und seufzte voller Bewunderung auf.
„Wunderst du dich, warum es nicht dunkel wird, kleiner Hase?“ Lia hatte ihre Arbeit unterbrochen und blickte Trick durch ihre runde Brille an.
„Ja, das tue ich“, fiepte Trick mit aufgeregter Stimme und fragte sich nicht, woher sie das wusste, schließlich war Lia die schlauste Häsin in Pilzhausen.
„Immer nach einem besonders langen und dunklen Winter verschwindet die Zeit. Meistens kommt sie zwar wieder, aber es dauert jedes Mal eine ganze Weile. Doch dieses Jahr wird es wohl kein Ostern geben, denn Meister Dachs erzählte mir von einem Gerücht, dass in den Graubergen ein Troll wohnen soll, der die Zeit endgültig eingefangen hat.“ Während sie das sagte, malte sie einen wunderschönen Schmetterling auf ein glänzend gelbes Ei. Nun hob sie ihre ergraute Nase und sah Trick in seine kullerbraunen Augen.
„Nur der Tapferste unter uns kann die Zeit zurückholen, da der Troll besonders gemein und grummelig ist.“
Trick streckte seine kleine Nase in die Höhe, um zu zeigen, wie groß und stark er schon war.
„Ich mache es! Ich hole die Zeit zurück!“ Und bevor die alte Häsin noch ein Wort sagen konnte, war Trick losgehoppelt und verschwand ratzfatz hinter dem letzten Pilz neben dem Karottenbeet.
Trick war ein sehr neugieriger Junghase und verbrachte viel Zeit im Wald, daher kannte er den Weg zu den Graubergen und fand die Trollhöhle im Nu.
Der Eingang war dunkel und stank und Trick bekam nun doch etwas Angst. Fast wäre er wieder umgedreht und nach Hause gehoppelt, denn schließlich war er nur ein kleiner, winziger Hase. Was konnte er schon gegen einen grummeligen Troll ausrichten? Dann dachte er aber an die vielen Kinder, die zu Ostern keine bunten Eier in ihren Gärten finden würden und das konnte er nicht zulassen.
Trick stellte sich auf seine Hinterpfoten, machte sich so groß wie möglich und rief mit lauter Stimme:
„Komm raus, du großer, gemeiner Troll und gib uns unsere Zeit zurück!“ Aus der Höhle hörte der kleine Hase erst ein Gerumpel, dann ein Gepumpel und plötzlich stand im Eingang der größte, grünste Troll, den Trick je gesehen hatte. Aus seinen Ohren wuchsen braune Borsten und als Hose trug er die Rinde eines alten Baumes. Trick beugte seinen Kopf ganz nach hinten, sodass seine langen Ohren schon fast den Boden berührten und er beinahe auf seinem Stummelschwanz landete - so groß war der Troll.
„Wer stört mich hier?“, fragte der Troll nun mit einer solch dröhnenden Stimme, dass den Eichhörnchen in den Bäumen die Nüsse aus den Pfoten fielen und Trick um ein Haar auf den Kopf plumpsten.
Dem kleinen Hasen Trick war bei dem Anblick angst und bange geworden, doch nun nahm er noch einmal seinen ganzen Mut zusammen und sagte: „Ich! Hier unten, du Ungetüm! Gib die Zeit wieder heraus!“
Der Troll beugte sich hinunter und seine Rindenhose knackste und knarzte dabei, als würde ein Baum umstürzen. Er hockte sich hin, um den kleinen Hasen genauer zu betrachten. Trick streckte seine Brust heraus und die Ohren hoch in die Luft, um etwas größer auszusehen.
„Nein, das tue ich nicht!“
„Warum denn nicht? Wir Hasen müssen die Ostereier ausliefern und ohne Zeit geht das nicht!“ Trick war entschlossen, das Osterfest zu retten.
Der große Troll murmelte etwas vor sich hin, kratzte sich mit seinen schmutzigen Fingernägeln hinter den schiefen Ohren und ganz plötzlich fielen dicke Tropfen auf die Erde.
Trick wunderte sich über den Regen, denn es schien ja noch immer die Sonne. Als er dem Troll in sein faltiges Gesicht sah, bemerkte der kleine Hase, dass dieser weinte. Ganz viele Trolltränen platschen um den Hasen herum zu Boden und nun überlegte er, wie man einen mächtigen Troll trösten sollte. „Aber, aber, wer wird denn gleich weinen!“, sagte er, wie es seine Hasenmama immer tat, wenn er traurig war. Der Troll holte schluchzend Luft und Trick hopste ein Stück zur Seite, um nicht von einer Träne getroffen zu werden.
„Sag mir bitte, warum weinst du?“
„Es muss hell bleiben, kleiner Hase!“, sagte der Troll und wischte die Tränen mit seiner Hand weg. „Ich habe solche Angst im Dunkeln und die Glühwürmchen wollen nicht in meiner Höhle bleiben. Ich weiß einfach nicht, was ich sonst noch machen soll!“
Beinahe hätte Trick gelacht, ein Troll der Angst im Dunkeln hatte. Aber dann fiel ihm ein, dass es ihm genauso gegangen war, bis seine Hasenmama ihm eine Sonnenblumenleuchte in sein Pilzzimmer gestellt hatte.
„Großer, lieber Troll, wenn ich dafür sorge, dass du Licht in deiner Höhle hast, bekommen wir die Zeit dann wieder?“
Der Troll fragte sich zwar, wie dies winzige Geschöpf diese große Aufgabe bewältigen wollte, nickte aber zustimmend.
Trick hopste so schnell wie er konnte zurück nach Pilzhausen und sammelte dort alle Sonnenblumenleuchten ein, die er finden konnte und zusammen mit der alten Häsin brachte er sie zu der Trollhöhle. Dort angekommen, erklärte er dem Angsthasen, dass er die Sonnenblumenleuchten einfach tagsüber in die helle Sonne stellen müsse, damit er die ganze Nacht über Licht hätte.
Der Troll war so glücklich und froh, nicht mehr im Dunkeln schlafen zu müssen, dass er die Zeit sofort wieder freiließ. Nun konnten die Osterhasen die wunderschön bemalten Eier abholen und in den Gärten der Mädchen und Jungen verstecken. Dank Trick war Ostern gerettet und der kleine Hase hatte einen neuen Freund gefunden.
Juliane Schiesel wurde 1985 geboren und lebt mit ihrer Tochter in Halle/Saale. Seit frühester Kindheit stehen Bücher im Mittelpunkt ihres Lebens und das Lesen zählt zu ihrer größten Leidenschaft. Vor einem Jahr fing sie selbst an, Geschichten auf das Papier zu bringen. Sie hat bereits drei Kurzgeschichten veröffentlicht und arbeitet zurzeit an einem Fantasy-Roman.