Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Sandy Penner - Страница 8
Оглавление*
Das halbe Osterei
Jamie seufzte. In einer Stunde sollte er zu seiner Familie fahren. Es war mal wieder Zeit für das alljährliche Ostertreffen. Verzweifelt fuhr er sich durch die Haare. Er war wirklich vollkommen verplant. All die Aufsätze, die er noch schreiben musste, die Bücher, die es noch zu lesen galt.
Gähnend lief er in die Küche. Dafür war er extra früher aufgestanden. Jamie drückte ein paar Knöpfe, um sich einen Kaffee einzulassen. Schwarz. Die Maschine brummte. Als er sich seinen Kaffe nahm, schaute Jamie sich kopfschüttelnd um. Während die Küche an sich relativ sauber war, glich die Spüle einem Schlachtfeld. Schmutzige Töpfe und Teller türmten sich neben dem Waschbecken. Doch das würde auch noch eine Weile so bleiben, denn heute hatte Jamie genug um die Ohren.
Mit dem dampfenden Kaffee in der Hand ging er zurück zu seinem Schreibtisch und stutzte. Mitten auf seinem Arbeitsheft, umrandet von seiner eng geschwungenen Schrift, lag ein Osterei. Zumindest das, was von ihm übrig war. Es war ein halbes Schokoladenei. Die Aluverpackung war unliebsam heruntergerissen worden und schloss sich jetzt nur noch um die Hälfte des Eis. Der Rest war offensichtlich abgebissen worden.
Irritiert stellte Jamie seinen Kaffee auf den Tisch. Wo kam dieses Ei her? Wer hatte es dort auf seinem Schreibtisch platziert? Denn bevor er in die Küche gegangen war, hatte sich dort noch nichts befunden, dessen war Jamie sich sicher. Er schluckte. Das alles war irgendwie unheimlich. Schnell nahm er das halbe Ei, schmiss es in den Müll und kehrte die übrigen Brösel von seinem Heft. Doch bevor Jamie sich wieder setzte, suchte er seine Wohnung ab. Er blickte unter die Tische und in all seine Schränke, aber es war niemand zu sehen.
Unsicher widmete er sich wieder seinem Aufsatz. Er konnte sich die Sache mit dem Ei einfach nicht erklären. Plötzlich hörte Jamie ein dumpfes Klopfen. Mit einem Mal war er hellwach. Er sprang auf und schaute sich um. Wie vorhin war niemand zu sehen, doch diesmal würde Jamie nicht so leicht aufgeben. Er schlich leise umher und wartete auf ein nächstes verräterisches Geräusch. Kaum war er in seinem Schlafzimmer angekommen, hörte er ein leises Kichern. Dann gingen plötzlich die Lichter aus, nur um einige Sekunden später wieder flackernd anzugehen.
Das Spiel wiederholte sich ein paar Mal, während Jamie wie versteinert im Schlafzimmer stand. Als das Licht zum letzten Mal wieder anging, hörte er Schritte und das Zuschlagen einer Tür. Hastig folgte Jamie dem Geräusch. Schließlich stand er vor seiner Waschküche und blickte sich panisch um. Womit sollte er sich verteidigen? In der Not schnappte er sich das Nächstbeste, was in seiner Reichweite lag. Bewaffnet mit einem bunten Regenschirm drückte er nun langsam die Türklinke herunter. Sein Atem ging immer schneller, und als er schließlich mit einem Ruck die Tür aufriss, hatte er keine Ahnung, was ihn erwartete. Doch womit er nicht gerechnet hatte, war ein völlig leerer Raum. Verblüfft schaute Jamie sich um. Er ließ den Schirm sinken und schnaufte.
Das Einzige, was zu sehen war, waren seine Waschmaschine und ein kleiner Haufen Dreckwäsche, unter dem sich aber kein erwachsener Mensch verstecken konnte. Jamie runzelte die Stirn. Was ging hier vor?
Als er gerade kehrt machen wollte, ertönte mit einem Mal die Türklingel. Erschrocken straffte er sich. Den Regenschirm bereit, ging er auf die Tür zu. Er zählte auf drei und riss die Tür auf. Seine Hände waren jedoch sofort wieder am Regenschirm.
„Jamie?“ Die Stimme seiner Schwester holte Jamie aus seiner Erstarrung. Lachend stand sie auf der Türschwelle.
„Maja! Was machst du denn hier?“, fragte Jamie erleichtert und ließ den Regenschirm sinken.
„Ich wollte nach David sehen. Ich habe ihn vor einer halben Stunde mit unserem Ersatzschlüssel zu dir geschickt. Du weißt schon, wegen des Familientreffens heute.“
„David?“, fragte Jamie verwirrt.
Maja nickte und runzelte dann besorgt die Stirn. „Ist er nicht aufgetaucht?“
Jamie überlegte, schaute sich um und hielt plötzlich inne. „Hatte er zufällig ein Schokoladenei dabei?“
„Ja, aber was hat das damit zu tun? Ist er nun da oder nicht?“
Ein Lächeln breitete sich auf Jamies Gesicht aus. „David! Deine Mutter ist da!“
Ein Rascheln ertönte und ein Junge kam aus der Waschküche gerannt. Er grinste und hatte eine Mütze mit zwei aufgenähten Hasenohren auf. „Hallo, Onkel Jamie!“
Lachend verdrehte Jamie die Augen. Jetzt wusste er, was es mit dem halben Osterei auf sich hatte.
„David, da bist du ja! Wo hast du dich denn rumgetrieben?“, lachte Maja, seine Mutter und Jamies große Schwester. David sagte nichts, sondern grinste nur frech von einem Ohr zum anderen. Fragend sah Maja Jamie an. Dieser erklärte fröhlich: „Sagen wir mal, David macht dem Osterhasen ganz schön Konkurrenz, wenn es ums Verstecken geht.“ Kopfschüttelnd schob Maja sowohl David als auch Jamie aus der Tür. „Auf geht’s! Sonst kommen wir noch zu spät zum Familientreffen!“
Hinter der Tür blieb Jamie jedoch stehen. „Ich sollte noch jede Menge Sachen erledigen ...“
Maja schob ihn zum Auto. „Das kann auch noch bis morgen warten. Heute ist Ostern, und da wird nicht gearbeitet.“ Jamie gab sich geschlagen und schnallte sich an. Auf dem Weg zu dem Haus ihrer Eltern fragte Maja plötzlich: „Was hatte es eigentlich mit dem Schirm auf sich, mit dem du mich begrüßt hast?“
David kicherte und Jamie antwortete gelassen: „Das ist eine lange Geschichte.“
Marisa Liehner wurde im Juli 1996 geboren und lebt in einem kleinen Dorf im Donautal. Derzeit besucht sie das Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen. Zu ihren Hobbys gehören außer dem Schreiben noch das Zeichnen und Gitarre spielen.