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3. Mable
ОглавлениеDrei
Mable
Z ayn lässt mich los, sobald wir in der Eingangshalle stehen. Jaxon wartet an der Treppe auf mich.
»Hier lang, Prinzessin.« Er geht vor, ich folge und Zayn bleibt dicht an meinen Fersen.
»Das Haus ist leer. Alle waren mit uns auf der Party«, murmelt Zayn von hinten. »Wenn wir nicht solche kaltblütigen Wichser wären, würden wir uns vielleicht fragen, ob irgendjemand gestorben ist, aber wir sind leider kaltblütige Wichser.«
»Es ist nicht ganz so schlimm«, sagt Jaxon süffisant, als wir im ersten Stock ankommen. »Die meisten sind aus der Villa entkommen, bevor sie ganz zusammengeklappt ist. Das FBI wird sie befragen, bevor sie sie gehen lassen. Aber ich bin nicht umsonst Jaxon Tyrell. Es ist schwierig, wahre Freunde unter diesen verwöhnten Idioten zu finden, die nur in Kingston studieren, damit sie von Mommy und Daddy Zugriff auf ihren Treuhandfonds erhalten. Hier lang.« Jaxon führt uns in die entgegengesetzte Richtung von Sylvians Zimmer und öffnet große Flügeltüren.
Dahinter kommt ein riesiges Schlafzimmer zum Vorschein. Es ist spiegelverkehrt zu Sylvians angeordnet. Ein königliches, gewaltiges Himmelbett steht rechts. Mehrere altmodische Kommoden und Schränke links. Ein Schreibtisch, der bis auf den letzten Kugelschreiber aufgeräumt ist, und unzählig viele Bücher. Riesige, verstrebte, bodentiefe Fenster reichen auf einen Balkon hinaus. Jaxon tritt davor und zieht die schweren, roten Vorhänge zu.
Ein royaler Teppich auf dem Boden, Stuck unter der Decke und vergoldete Lampen zwischen Landschaftsbildern und Portraits lassen die Einrichtung wie das Schlafzimmer eines Königs wirken.
»Romeo wird aus deinem Zimmer Kleidung für dich holen«, erklärt Jaxon und öffnet mir die Tür zum Bad. Es ist um einiges größer als das von Sylvian und bietet neben einer luxuriösen Dusche eine Wanne, die mitten im Raum steht. Er dreht den Hahn auf, legt mir ein Handtuch auf den Waschtisch und dimmt das Licht. »Brauchst du noch etwas?«
»Nein, danke«, wispere ich.
»Lass sie allein, Crescent«, ordnet Jaxon an, als er hinausgeht.
Widerwillig wendet Zayn sich ab.
»Warte«, sage ich.
Er dreht sich wieder zu mir. In seinem Blick tanzt die Gier, und seine Erscheinung ist so ganz anders als das, was Reece mir an dieser Stelle von sich zeigen würde.
»Bist du Zayn?«, frage ich ihn geradeheraus und versuche jede einzelne Regung in seinem Gesicht richtig zu deuten.
Verblüffung wandert darüber und er grinst plötzlich. »Wie bitte?«
»Zayn. Du bist Zayn und dein Bruder ist Reece.«
Jaxon befindet sich in seinem Schlafzimmer. Vermutlich verfolgt er unser Gespräch genau mit.
»Was meinst du mit …«, fragt Zayn und strafft die Schultern, »meinem ›Bruder‹?«
»Ihr seid Zwillinge«, hauche ich.
Zayn lacht und in diesem Moment fällt meine Theorie wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Er lacht, wie Reece immer lacht. Er strahlt, wie Reece immer strahlt. »Mable …«, sagt er sanft und kommt auf mich zu. So, wie Reece immer auf mich zukommt. So, wie er mich immer ansieht. Zuvorkommend, liebevoll. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragt er besorgt und streckt eine Hand nach mir aus, doch ich weiche zurück.
»Als wir im Wasser auf das Boot zugeschwommen sind, waren zwei von euch da! Ich weiß es ganz sicher!«
»Zwei von … uns?« Reece blickt mich noch besorgter an, die Hand weiterhin nach mir ausgestreckt. »Wie kommst du denn darauf?«
»Wer sollte Zayn sonst sein? Es gibt einen fünften King! Und er ist nie zu sehen! Fünf Damen, fünf Bauern, alle wissen, dass es dazu auch fünf Könige gibt, die das Spiel spielen! Einer von euch muss ein Zwilling sein! Und du bist manchmal so ganz anders als Reece. Du bist Zayn.«
»Es tut mir leid«, sagt Reece sanft, und nichts an ihm wirkt anders, als es sonst ist, »aber diese Theorie ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Warum nimmst du nicht erst mal ein Bad und wir sprechen danach weiter?«
Entweder er imitiert seinen Bruder perfekt oder ich bin einfach dumm. Vermutlich trifft Letzteres zu, denn ich habe ja nicht einmal mitbekommen, dass mich die Kings letztes Semester verarscht haben.
Ich bekomme es jetzt nicht mit.
»Gute Idee«, murmle ich und warte, bis er das Badezimmer verlassen hat. Meine Gedanken kreisen eine ganze Weile um Reece und Zayn und darum, ob ich zu blöd bin, ihre Masche zu durchschauen, oder ob sie einfach zu perfekt ist, um dahinterzukommen. Wenn Reece Crescent eigentlich einen Zwilling hat … bedeutet das, dass beide studieren? Dass beide zu Vorlesungen gehen? Nein, oder? Denn dann wüsste jeder, wer Zayn ist. Sie müssen – wenn meine Theorie stimmt – so tun, als wären sie ein und dieselbe Person, damit es funktioniert.
Ich grüble vor mich hin, während das Wasser meine kalten, steifen Glieder langsam erwärmt. Müdigkeit überkommt mich und ich schließe die Augen. Sofort sehe ich die Wasservilla vor mir, die in sich zusammenbricht. Ich falle, aber Hände retten mich, mein Puls beschleunigt und doch bin ich in Sicherheit.
Aber dann sehe ich Rachel.
Ihr böses Lachen, als sie meinen Mund aufhält. Festhält. Auf mir hockt. Während ein fremder Schwanz in mich geschoben wird … Panik verdichtet sich in mir zu einem Anfall. Einer körperlichen Reaktion, die ich ewig schon nicht mehr hatte, und ich springe schreiend aus der Wanne.
Plötzlich ist das Grauen überall. Rachel, ihre Hände, die Männer, auf mir, in mir, mein Körper, der unter ihnen zerquetscht wird …
Die Tür knallt auf.
»Belle!« Jaxon umfasst meine Schultern, redet auf mich ein, schiebt mir schließlich ein Handtuch vors Gesicht. Ich kann schwerer atmen, aber der Schwindel vergeht und langsam werde ich wieder klar. »Was war das?«, fragt Jaxon.
»Rachel«, stoße ich aus und presse die Augen zusammen. Ausgerechnet Jaxon zu offenbaren, wie sehr mich das Geschehene mitgenommen hat, erscheint mir unklug. Aber ich trage mein verdammtes Herz nun einmal auf der Zunge, und die Wahrheit kommt einfach so über meine Lippen, als wäre es unmöglich, sie zu verschweigen.
Jaxon schlingt ein Handtuch um mich, wickelt es um meine Brust und streicht zärtlich durch mein Haar. »Wir hätten früher da sein sollen.«
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Vermutlich wäre die Frage angebracht, wieso sie überhaupt so schnell da waren, aber ich bin zu müde für das Aufdecken weiterer Geheimnisse. Ich folge Jaxon zurück in sein Zimmer und bleibe mitten im Türrahmen stehen.
Alle Kings befinden sich mit uns im Raum.
Sylvian, Reece, Romeo. Sie blicken mich an, als hätten sie auf mich gewartet.
»Sie wollen nur sichergehen, dass es dir gut geht«, beruhigt Jaxon mich. »Nun, vielleicht will Silvano auch sichergehen, dass es dir schlecht geht. Ich habe aufgehört, ihn verstehen zu wollen.« Obwohl Jaxon ernst klingt, schmunzelt er. »Hier, deine Sachen.«
Er reicht mir ein paar bequeme Kleidungsstücke aus meinem Schrank.
Mein Blick huscht zu Romeo, der undurchschaubar wie eh und je an Jaxons Fenster lehnt und mich mustert.
»Sollen wir bleiben?«, fragt Jaxon. Auch in seiner Stimme schwingt Sorge mit.
Ich nicke.
Für einen Moment betrachtet er mich unschlüssig, dann nimmt er mir die Kleidung wieder ab und wirft sie aufs Bett. Nur das Sweatshirt behält er in der Hand.
Er greift nach meinen Armen, streckt sie nach oben aus und zieht mir den Pullover über. Als dabei seine Finger meine Haut berühren, werde ich vollständig elektrisiert. Diese Geste geht tiefer als der Sex vorhin. Sie ist so nebensächlich und dennoch vollkommen intim. Er lächelt, als mein Kopf unter dem Sweater zum Vorschein kommt, löst das Handtuch und zieht den Stoff über meinen Oberkörper.
Dann greift er nach meiner Jogginghose und bückt sich.
Mein Atem stockt, als würde er mir einen Antrag machen wollen. Ungefähr so bedeutungsvoll fühlt es sich an, als er meinen Fuß anhebt und den Stoff darüberschiebt. In diesem winzigen Moment sind wir nur für uns und doch nicht allein. Die anderen Kings beobachten uns, und wieder einmal erfüllt mich die Sehnsucht, es möge alles gut zwischen uns sein.
Geklärt.
Einfach.
Liebevoll.
Da habe ich es. Den Beweis, dass ich mich als das perfekte Opfer eigne.
Jaxon zieht meine Hose bis über meinen Po und richtet sich wieder auf. Sobald er mir ins Gesicht sieht, bemerkt er die Tränen auf meinen Wangen.
Er seufzt schwer. »Wurde auch Zeit, dass du meinetwegen weinst.«
Ich lache verzweifelt auf und gebe ihm einen Stoß gegen die Schulter. Auch er hat sich umgezogen, trägt jetzt einen weichen, eng anliegenden Kaschmirpullover und eine lockere Stoffhose, die ihm nicht weniger steht als die Chinos. »Ich hasse dich«, murmle ich.
»Ich weiß«, raunt er und so etwas wie echtes Mitgefühl ist aus seiner Stimme zu hören. »Romeo wird bei dir bleiben.«
»Werde ich?«, fragt Romeo erstaunt.
Ich sehe zu den Kings. Sylvian sieht aus, als würde er gleich jemanden umbringen wollen, und Reece wirkt leer und erschöpft.
»Romeo wird sichergehen, dass du nicht noch einmal hyperventilierst. Gute Nacht, Belle«, sagt Jaxon, dann wendet er sich ab und geht zur Tür. Die anderen Kings folgen ihm wie auf einen stummen Befehl hin. Sylvian geht hinter den anderen und dreht sich in der offenen Tür noch einmal herum. Er fixiert Romeo, als würde er ihn warnen wollen, dann sieht er zu mir.
»Schlaf gut.« Sorge steht in seinem Blick und ich weiß, dass er sie ernst meint. Trotz all der anderen Geschehnisse will er mich beschützen.
Vor ihm selbst, den Kings, meinen Gefühlen.
Ich würde ihm gerne sagen, dass ich nicht beschützt werden muss, aber das stimmt nicht. Vermutlich wäre ein Retter in strahlender Rüstung, der mich von allen fortzerrt, genau das Richtige. Aber dann müsste ich mich auch von Sylvian fernhalten.
Und ich glaube, ich habe längst akzeptiert, dass ich lieber noch zehnmal mehr leide, als von vornherein auf die guten Gefühle zu verzichten.
Die Tür fällt hinter Sylvians ins Schloss. Nur Romeo bleibt.
»Du hast mir nie geholfen, weil du mir helfen wolltest!«, werfe ich ihm vor. »Sondern nur, weil Jaxon es wollte!«
»Natürlich.« Er schlendert auf mich zu. Seitdem er Rachel auf der Party hinterhergegangen ist und sie ins Meer gestoßen hat, habe ich ihn nicht mehr gesehen. »Was zur Hölle sollte mich reiten, ausgerechnet dich zu beschützen?«
Ich verschränke die Arme vor der Brust, meine Tränen sind versiegt. »Also weitere Lügen. Wundervoll.«
»Wie man’s nimmt.« Er setzt sich aufs Bett und lehnt sich gegen einen der Pfosten des Himmelbetts. »Immerhin weißt du jetzt, dass Jaxon dich seit deiner Rückkehr auf den Campus beschützen wollte.«
Ich verziehe das Gesicht. »Ja, ganz toll.«
Romeo lacht kurz und kühl. »Ich war der Einzige, der dafür infrage kam.«
»Warum?«
»Du hast meine Nähe einigermaßen akzeptiert, ohne dich nach wenigen Stunden ausziehen zu wollen.«
Meine Wangen werden heiß. Ich vergesse immer wieder gerne, dass das, was ich tue, gemeinhin als ›schlampiges Verhalten‹ gilt. Mehr als einem Mann zu verfallen, ist ›nicht normal für eine Frau‹. Und Romeo erinnert mich daran. In den Augen aller, die wissen, dass ich mit drei der Kings geschlafen habe, bin ich nun einmal eine Schlampe.
So einfach ist das.
»Versteh mich nicht falsch, mir ist diese Konstellation am liebsten.«
»Welche Konstellation?«
»Dass du sie alle gleichzeitig fickst. So gibt es nur eine Frau, die mich nervt. Und du bist keine Clarisse oder Harper. Insofern …«
»Was hast du gegen Harper?«
»Sie ist oberflächlich, zickig, hohl und kann nicht mal den Namen ihres Hauptfaches buchstabieren.«
»Ist sie nicht«, murmle ich.
»Was sie dir angetan hat, spricht für sich. Entweder sie ist wirklich zu dumm, um zu sehen, was du für Sylvian empfindest, oder es ist ihr egal. Beides keine tollen Eigenschaften.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Und Clarisse? Warum magst du sie nicht?«
Romeo lacht freudlos. »Ernst gemeinte Frage?«
»Sie ist oder war jedenfalls lange Zeit mit Jaxon zusammen, oder?«
»Nie wirklich fest. Na und?«
»Sie ist genauso böse und durchtrieben wie ihr.«
Romeo sieht mich für ein paar quälend stille Sekunden ausdruckslos an. »Darf ich fragen, was du glaubst, wer dein Studium eigentlich bezahlt?«
»Wieso?«, frage ich nervös.
»Dir ist die Tyrell-Stiftung ein Begriff, oder?«
»Ja, und?«
»Ungefähr achtzig Prozent der Studiengebühren zahlt die Familie der Tyrells. Der Rest ist Stiftungsgeld. Das bedeutet, dass du und alle anderen Stipendiaten die Tyrells schon mehrere Millionen Dollar gekostet haben. Warum ist euch das nie bewusst? Wieso haltet ihr das alle für selbstverständlich?«
»Ich halte das überhaupt nicht für selbstverständlich.«
»Sicher?«, fragt Romeo. »Du hältst es nicht für selbstverständlich, dass du unter den Tausenden Bewerbern ausgewählt wurdest. Aber das Geld? Es ist wie mit Steuergeldern. Es wird einfach als fair wahrgenommen, andere zu bestehlen.«
»Ich bestehle niemanden«, zische ich.
»Aber dass du kostenlos zur Schule gehen konntest, das ist für dich selbstverständlich gewesen, nicht wahr?«
»Was zur Hölle willst du eigentlich sagen?«
»Dass Jaxon der Einzige ist, der einen Grund hätte, die Stipendiaten zu hassen. Clarisse aber nicht. Das ist es, was uns unterscheidet.«
»Ich fasse es nicht, dass das wirklich deine Perspektive auf das Ganze ist.«
Romeo zuckt mit den Achseln. »Möchtest du dich gar nicht ins Bett legen?«
»Nein.«
Seine Miene bleibt hart. »Tu es.«
»Nein!«
Seine Körperspannung verändert sich und er steht auf. Als er im Begriff ist, um das Bett herumzukommen, lege ich mich hin.
»Zufrieden?«, zische ich.
»Ja«, entgegnet er nur und setzt sich wieder auf die andere Bettseite. Gelassen verschränkt er die Hände in seinem Schoß und betrachtet mich. »Mir ist eine Frau lieber als mehrere. Das ist einfacher.«
»Einfacher? Für wen?«
»Für uns alle?«, fragt er verständnislos.
»Kannst du bitte so mit mir sprechen, dass ich dich verstehe?«
Er schmunzelt und sagt für eine ganze Weile nichts mehr, bis er sich plötzlich neben mich legt. Auf Distanz und doch so nah, die Hände auf dem Bauch verschränkt, den Blick zur Himmelbettdecke gerichtet. »Sie alle mögen dich, Weaver. Jeder auf seine Art. Und das ist mir wesentlich lieber, als wenn vier Frauen mit ihren unterschiedlichen, jämmerlichen, unwichtigen Dingen um mich herum wären …«
»Da, du hast es gesagt!« Ich schrecke hoch. »Vier! Reece und Zayn sind Zwillinge, stimmt’s?«
Romeo betrachtet mich voller Mitleid. »Ich habe mich selbst mitgezählt.«
»Aber du hast keine Freundin.«
»Das kann sich jeden Tag ändern. Leg dich wieder hin.«
Ich stöhne auf, lege mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust. »Wie lange wirst du jetzt hierbleiben?«
»Bis du schläfst.«
»Toll. Das wird nicht passieren, weil du mich viel zu sehr aufregst.«
»Ganz meinerseits. Wir werden wohl die Nacht aufbleiben müssen.«
»Und was genau hast du gegen mich?«, fahre ich ihn an. »Ich könnte dir doch einfach egal sein. Stattdessen scheinst du mich zu hassen.«
Romeo sieht mich sehr lange an, bevor er wieder zur Decke sieht. »Ich hasse dich nicht. Du würdest spüren, wenn ich das tue.«
Ich verdrehe die Augen.
»Rachel wird nie wieder ein normales Leben führen können.« Es scheint, als würde er mit sich selbst reden, aber ich weiß, dass er versucht, mir etwas mitzuteilen. »Und es hat nur wenige Minuten gebraucht, um ihr Leben zu zerstören. Von einer Studentin in Kingston zu einer Kriminellen ohne Würde.«
»Warum erzählst du mir das?«
»Weil es dir jederzeit auch passieren kann. Ein falscher Atemzug und du wirst gesellschaftlich erhängt.«
Ich ziehe die Decke bis zu meinem Kinn.
Wieder füllt Stille den Raum, bevor Romeo sich zu mir umdreht. Seine grauen Augen leuchten klar, und zum ersten Mal wird mir die Schönheit bewusst, die von ihm ausgeht. Sie ist so ganz anders als die der Kings. Verborgener, weniger offensichtlich. Aber auch er verkörpert eine Energie, die ich von niemandem sonst kenne. Außer vielleicht von Vance.
Er öffnet den Mund, schließt ihn wieder und wirkt verblüfft. »Wie genau funktioniert das? Magst du sie alle … gleichzeitig auf dieselbe Art?«
Ich hebe unter der Decke die Schultern.
»Willst du, dass ich dir mehr zu ihnen erzähle, oder wollen wir weiter schweigen?«, fragt er verärgert. »Dann antworte.«
»Ja, ich hasse sie alle circa gleich viel!«
»Weswegen du Jaxon sagst, du hättest dich in ihn verliebt«, wendet er spöttisch ein.
Natürlich weiß er bereits davon. Vance hat nicht gelogen; die Kings hören sich gegenseitig ab. Oder erzählen sich alles, was auf dasselbe hinausläuft.
»Was ich gesagt habe oder nicht, ändert nichts daran, dass ich keinem von ihnen vertraue. Jedenfalls nicht über die Zuversicht hinaus, dass sie mich nicht vergewaltigen würden. Glaube ich.«
»Wenn sie es täten, fändest du es sicher nicht besonders schlimm, hm?« Er grinst mich freudlos an. »Aber du wirst schon betteln müssen, damit sie sich dir nähern.«
»Mag sein«, antworte ich nur.
»Was ist, wenn ich die Macht hätte, Sylvian dazu zu bringen, sich von Harper zu trennen, zu bereuen und mit dir zusammen zu sein. Würdest du ihn wählen?«
»Nein!«, keuche ich sofort. Allein der Gedanke an Sylvian ist quälend …
»In ihn bist du also … nicht ›verliebt‹?«
Mein Herz schlägt kräftig, und ich schüttle den Kopf, auch wenn es eine glatte Lüge ist. Meine Gefühle für Sylvian sind genauso verrückt, schmerzhaft und stark wie die für Jaxon. Wie er mich in der Umkleide gepackt hat … Das alles, was ich fühle, spürt man nicht bei normalem Sex. Oder?
»Und Reece?«
Ich denke an Reece und lasse erneut den Gedanken zu, dass es eine freundliche Version namens Reece gibt und eine, die mich nicht mag, namens Zayn. Allein die Möglichkeit, dass Zayn mit Rachel geschlafen hat und nicht Reece, lässt mein Herz schmerzhaft pochen, und ich würde am liebsten sofort zu ihm gehen, ihn zur Rede stellen, die Wahrheit erfahren und ihn … küssen. Vielleicht war er nie dabei. Nicht beim Pokerabend, als mir ein Bein gestellt wurde, nicht im Hörsaal, als Jaxon mich vertrieben hat. Vielleicht war er nie ein Teil von allem. Hoffnung durchströmt mich und ich bin mit einem Mal wieder hellwach.
»Reece also auch«, stellt Romeo nüchtern fest.
»Wenn er nicht Zayn ist, scheint er ganz freundlich zu sein …«
Romeo lacht, dieses Mal richtig, dann streckt er die Hand zur Nachttischlampe aus und löscht das Licht. »Schlaf jetzt.«
Ich drehe mich auf die Seite, weg von ihm. Zwar ist mein Kopf voller Mutmaßungen und wirrer Gedanken, aber die Dunkelheit lässt mich meine Erschöpfung spüren. Als ich den letzten bewussten Atemzug nehme, muss ich daran denken, dass ich in Jaxons Bett liege.
Und dieser Ort fühlt sich richtiger für mich an, als er es jemals dürfte.