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5. Jaxon
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Jaxon
I ch kann nicht einmal sagen, ob du es bist, die ich mag. Oder vielmehr die Tatsache, dass nicht einmal Romeo dich umbringen will.
Amabelle liegt wie ein kleines zusammengerolltes Mädchen zwischen meinen Laken und lässt sich nicht von der Sonne stören, die durch die Vorhänge kriecht und die Konturen ihres Gesichts erhellt. Friedlich. Das ist es, was ich denke, als ich sie betrachte.
Niemand von uns hat länger als eine Stunde geschlafen. Zu sehr sind wir damit beschäftigt, die Hintergründe des Anschlags in Erfahrung zu bringen und Eleanore aufzutreiben.
Aber seitdem ich Amabelle wecken wollte, stehe ich hier, die Ruhe und Geduld in Person, und sehe sie einfach nur an. Sehe ihr einfach beim Atmen zu.
Die Nacht hätte auch ganz anders enden können. Mir wurde innerhalb der letzten Stunden bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, dass einem aus unserer Gruppe etwas zustößt, nicht gerade gering ist.
Sylvian, Reece, Zayn, Romeo, Amabelle, ich.
Sechs Personen.
Alle ohne einen Kratzer aus einem einstürzenden Haus entkommen.
Das ist nicht selbstverständlich, oder?
Amabelle blinzelt, als ich mich zu ihr lege. Eine Hand nach ihrem offenen Haar ausgestreckt, die andere stützt entspannt meinen Kopf. »Guten Morgen«, raune ich sanft.
Sie blinzelt heftiger, zieht die Decke bis zu ihrer Nase und läuft rot an. »Ich habe bestimmt Mundgeruch.«
Ich lache laut auf. »Das ist das Erste, was du denkst, wenn du in meinem Bett aufwachst und ich neben dir liege?«
Sie nickt mit dem Laken vor ihrem Gesicht.
Ohne zu zögern, reiße ich es von ihr herunter, umfasse fest ihr Kinn, küsse sie und schiebe ihr meine Zunge zwischen die Lippen. Natürlich schmeckt sie bitter nach Schlaf, aber es kümmert mich nicht. Sie stöhnt erst widerwillig und dann lustvoll, als ich sie leidenschaftlich küsse, ihr Kinn in meiner Hand. Als ob sie ganz mir gehören würde. Als ob alles von ihr mir gehören würde.
Meine Fantasie treibt davon, als mir bewusst wird, was ich einem Mädchen wie ihr alles bieten kann. Eine Clarisse oder Harper lässt sich nicht von meiner schwarzen Kreditkarte beeindrucken. Aber für Amabelle öffnet sich eine ganz neue Welt.
Eine vollkommen neue Welt.
»Komm mit mir nach Singapur«, raune ich vor ihren Lippen und sehe sie intensiv an.
»Was?«, keucht sie mir entgegen. Die Wangen noch geröteter als zuvor.
»Wir fliegen um die Nordhalbkugel. Ich zeige dir eine der reichsten Städte der Welt. Wir nehmen uns eine Suite, und ich kaufe dir alles, was dein Herz begehrt. Jeden noch so kleinen Wunsch werde ich dir vergolden, auch wenn ich weiß, dass du mit weniger zufrieden wärst. Aber es gibt niemanden, den ich kenne, der es mehr wertschätzen würde als du.«
Sie starrt mich an, als würde ich plötzlich Chinesisch sprechen.
»Sag einfach Ja, Belle«, fordere ich schmunzelnd und küsse sie noch einmal, bevor ich sie loslasse und aufstehe. »Ich rufe unseren Piloten an. Er erwartet sowieso, dass ich ihn über Spring Break kontaktiere.«
»Ich habe überhaupt nicht zugestimmt!«
Ich sehe sie verwundert an. »Überlegst du abzulehnen?«
Wenn es eben noch gerötet war, wird ihr Gesicht nun langsam bleich. »Singapur ist ziemlich weit weg und …«
»Und?«
»Ich würde niemals mit dir so weit verreisen.«
»Warum nicht?«, frage ich ungeduldig.
»Du bist Jaxon Tyrell«, erinnert sie mich und glaubt offenbar, damit alles gesagt zu haben. »Du hast mich letztes Semester …«
Ich fahre mir genervt durchs Haar. Es ist noch feucht von der Dusche. »Du hast gesagt, dass du dich in mich verliebt hast, Belle. Wen interessiert noch, was letztes Semester war?«
»Und hast du dich auch in mich verliebt?«, schießt es aus ihr hervor.
Fuck, damit erwischt sie mich kalt. Mein Mund öffnet sich, und ich merke, dass ich sie aus irgendeinem Grund nicht anlügen kann. Habe ich mich in dich verliebt? Nein, so soft bin ich nicht. Zarte Gefühle sind mir fremd. Kann ich mir trotzdem vorstellen, mit dir zusammen zu sein? Ja. Weil etwas an dir mich fasziniert. Weil etwas an dir durch und durch echt ist. »Ich würde es nicht ›verliebt‹ nennen …«, weiche ich aus.
»Aber?« Amabelle hat sich im Bett aufgesetzt und die Knie unter meiner Decke vor die Brust gezogen. »Wie würdest du es nennen?«
»Sagen wir, ich habe keinen Bedarf, mit irgendeiner anderen nach Singapur zu fliegen. Oder sie gar zu vögeln. Reicht das für dich als Sicherheit, dass es mir ernst ist?«
Ihr Atem geht bebend, und ich kann aus ihrer fiebrigen Miene nicht herauslesen, was sie wirklich denkt.
»Belle?«
Sie öffnet den Mund, aber meine Tür bricht in ebendiesem Moment auf.
»Du glaubst nicht, was die fucking Cops getan haben, Jax.« Zayn. Er tritt in den Raum und bemerkt erst dann Amabelle. Steif bleibt er stehen und starrt sie an. »Ich dachte, sie wäre längst weg. Wir warten die ganze Zeit auf dich!«
»Ich komme nicht mit nach Fort Lauderdale«, informiere ich ihn glatt und ignoriere seinen Satz zu der Polizei. Vermutlich ist es nicht für Amabelles Ohren bestimmt. »Fahrt ohne mich.«
Zayn starrt mich an, als hätten mich alle guten Geister verlassen. »Und was hast du stattdessen vor?«
»Singapur.«
»Ich komme nicht mit!«, ruft Amabelle vom Bett aus.
Zayn sieht sie an und schaltet schnell. »Du willst mit ihr nach Singapur? Und versetzt dafür uns? «
Am liebsten würde ich ihn daran erinnern, dass Amabelle kurz davor ist, hinter sein Geheimnis zu kommen, aber Zayn war noch nie vorsichtig. Irgendwann wird sein Übermut ihm den Kopf kosten und mehr als einen warnenden Blick kann ich ihm nicht zuwerfen.
Auch wenn Amabelle es nicht erkennen kann, sehe ich, dass Zayn vor mir ein Augenrollen andeutet, bevor er sich ihr zuwendet. »Versteh mich nicht falsch, Mable«, sagt er in Reece-Manier. »Singapur ist großartig. Aber Spring Break ist unser Ding. Die Zeit, in der wir unser Studentenleben auskosten. Nur wir vier. Insofern bin ich dir dankbar, dass du Jaxons Angebot ausschlägst. Wir besorgen dir ein Taxi, das bringt dich nach Hause und wir sehen uns in einer Woche wieder.«
Der Penner kriegt die Kopie seines Bruders immer wieder perfekt hin.
»Ja, das klingt gut«, murmelt Amabelle, macht aber keine Anstalten, aufzustehen. Sie betrachtet Zayn, als könnte sie durch Telepathie in seinen Kopf sehen, und ich halte es für besser, dafür zu sorgen, dass sie vorerst nicht hinter sein Geheimnis kommt.
»Wir warten unten auf dich«, erkläre ich ihr und gehe an Zayn vorbei aus meinem Zimmer. Er folgt mir. Kaum habe ich die Zimmertür hinter mir geschlossen, zische ich ihn an. »Euer Apartment, sofort.«
Ich steuere auf die Treppe zu und nehme die geschwungenen Stufen ins zweite Stockwerk. Am Ende des schwach beleuchteten Ganges führen zwei Türen in ein- und denselben Raum. Reece’ und Zayns Zimmer. Die einzigen Räume in der Verbindungsvilla, die ehemals so klein waren, dass sie mit einem Durchbruch zu einem größeren Raum zusammengeschlossen wurden und damit zwei Bäder, zwei Balkone, zwei Betten und zwei Schreibtische bieten.
Ich stoße die Tür zu Reece’ Zimmerseite auf und störe ihn prompt beim Anziehen. Nur in Boxershorts bekleidet dreht er sich in meine Richtung und hebt fragend eine Braue.
»Soll Amabelle es erfahren?«, frage ich die beiden direkt und sehe sie nacheinander an. Dabei fällt mir sofort auf, dass Reece so wie Zayn einen Schnitt am Hals trägt. Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Amabelle die Wunde bemerkt, da sie von Zayns Hemdkragen verdeckt wird, hat Reece … Gott, die Crescents sind einfach krank. »Nur für mich zur Klarstellung. Denn wenn ich sie bei einer Sache weniger anlügen muss, wäre es mir nur recht.«
Reece verzieht abfällig die Lippen. »Ganz der Kavalier geworden, was?«
»Hast du ein Problem damit?«, frage ich konfrontativ.
»Bedeutet sie dir etwas?« Reece knöpft sein Hemd zu, während er auf mich zukommt. Zayn hält sich im Hintergrund. Wenn es darum geht, sich zu behaupten, hat er nur wenige Glanzmomente. Die meiste Zeit lässt er Reece reden und betrachtet nebenbei seine Fingernägel oder spielt auf seinem Handy, ganz so, als hätte nichts von alldem Bedeutung, was um ihn herum geschieht. »Ich meine, bedeutet sie dir mehr als dein üblicher Rachedurst, der gestillt werden will?«, bohrt Reece.
Ich blicke ihm ausdruckslos entgegen. »Wenn Zayn so weitermacht, kommt sie hinter das Ganze, bevor irgendjemand das nächste Mal ›Crescent‹ sagt.«
»Was sie glaubt zu wissen und was wirklich ist, sind zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe«, erwidert Reece nonchalant. »Sie wird sich bis zuletzt immer unsicher bleiben.«
»Und das willst du so?«, frage ich ihn genervt.
Reece hebt desinteressiert eine Schulter. »Warum zweifelst du, Jaxon?«
»Er hat sie nach Singapur eingeladen«, schaltet Zayn sich ein. »Über Spring Break. Glaube, daher kommt sein ganzes Getue von einem besseren Menschen und bla, bla, bla.«
Ich presse die Zähne zusammen. Die kleinen Würmer sind nichts ohne mich, nichts ohne die Position, die ich ihnen biete. Sie stehen an meiner Seite und werden damit in Zukunft zu den mächtigsten Männern der Welt gehören. Mich von ihnen vorführen zu lassen entspricht zu null Prozent meinem Naturell.
»Singapur?«, fragt Reece zweifelnd. »Wirklich?«
»Ich will nur eine Sache von euch kleinen Bastarden wissen.« Meine Stimme bekommt einen drohenden Unterton. »Wollt ihr, dass Amabelle es erfährt? Oder wollt ihr ihr weiterhin vorgaukeln, sie wäre zu blind und zu dumm und hätte nicht genügend weibliche Intuition, um es zu checken?«
»Wolltest du allein mit ihr hinfliegen?«, fragt Reece, ohne auf mich einzugehen.
»Was denkst du denn?«, höhnt Zayn. »Natürlich wollte er.«
Reece’ Mund öffnet sich erstaunt, und ich frage mich plötzlich genauso wie er, wie ich auf diese bescheidene Idee kommen konnte. Natürlich vertraut Amabelle mir noch nicht genug, als dass sie sich von mir so weit weg in die Fremde entführen lassen würde. Und wer bin ich, dass ich mir plötzlich ein ganz normales Leben mit einem Mädchen ausmale? Aus diesem Alter bin ich seit der Highschool raus.
Reece ist der Einzige, der noch genug für Träumereien übrighat, um an so einem Blödsinn festzuhalten.
»Und was hat sie gesagt?«, fragt er mich tonlos.
»Nichts«, entgegne ich schulterzuckend.
»Ihr könnt ja sowieso nirgends hin«, schaltet sich Zayn ein.
»Wieso?«, frage ich ihn genervt.
»Die Polizei hat angeordnet, dass niemand die Halbinsel Marylands verlassen darf, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind«, erklärt Reece nüchtern.
Ich sehe sie erstaunt an. »Bitte?«
»Wir können nach Ocean City oder in den Nationalpark. Und das war’s.«
»Mit welchem Recht?«
»Dem unserer Eltern«, säuselt Zayn. »Die Mommys und Daddys der Studenten haben das mehr oder weniger gefordert und dem Antrag wurde zugestimmt. Sie wollen nicht, dass die Terroristen entkommen.«
»Großartig«, presse ich hervor. Damit sterben meine gesamten Ferienpläne. »Wir sehen uns beim Frühstück unten.«
»Jaxon!«
In der Tür halte ich inne und drehe mich zu Reece um.
»Ich werde niemals zulassen, dass du erneut versuchst, sie zu zerstören.« Er sagt es mit Würde und Souveränität, aber er hat absolut keine Ahnung, wie weit meine Macht reicht. Wenn ich will, dass du vernichtet wirst, wird Reece mir dabei helfen. Was glaubt er, wer er ist? Allein das Aufdecken seines Geheimnisses wird dafür sorgen, dass du ihm für immer misstraust.
Spöttisch verziehe ich einen Mundwinkel. »Soll das eine Drohung sein, Crescent? Denn momentan sieht es eher danach aus, als müsste ich sie vor dir und Zayn beschützen.« Mit diesen Worten reiße ich die Tür ganz auf und donnere sie hinter mir zu.