Читать книгу Gantenbein und die Tote in der Dusche - Sanela Egli - Страница 7
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Auf dem Abschnitt, der für Hotelgäste des Kvarner Hotels reserviert war, herrschte reges Treiben. Männer in dunkelblauen Uniformen wummerten umher. Oben, hinter der Brüstung über der Unterführung, standen Schaulustige auf dem Lungomare und stierten herunter, wahrscheinlich in der Hoffnung, einen Blick auf den Leichnam erhaschen zu können.
Sensationsgeile Arschlöcher, dachte Gantenbein.
Ein Uniformierter kam auf ihn zu.
„Guten Morgen, ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“
„Natürlich.“
Der Polizist zückte Schreiber und Block.
„Nennen Sie mir bitte Ihren vollständigen Namen.“
„Frank Gantenbein.“
„Sind Sie ein Gast des Hotels?“
„Nein“, antwortete Gantenbein zögernd, „ich wollte hier nur in Ruhe einen Kaffee trinken.“
Der Polizist schaute verdutzt.
„Hier? Im Abschnitt, der nur für die Gäste dieses Hotels ist?“
„Ja. Mensch, mein Freund, der arbeitet hier, hat mich durchgeschleust.“
„Ach so“, meinte der Uniformierte und lächelte verschmitzt, „verstehe. Ein Freund.“
„Nein, doch nicht so ein Freund.“
Der Beamte legte seine Hand auf Gantenbeins Schulter.
„Keine Sorge, mein Lieber, das bleibt unter uns.“ Er zwinkerte. „Wie heißt denn Ihr Freund?“
„Oh nein, muss das sein? Hören Sie, der bekommt mächtig Ärger, wenn durchsickert, dass er mich hier Kaffee trinken lässt.“
„Der Inspektor kommt in etwa fünf Minuten. Mit dem Gerichtsmediziner im Schlepptau“, brüllte ein stattlicher Polizist, sodass alle, auch die Schaulustigen, ihn hörten. „Diejenigen, die sehen wollen, wie eine Untersuchung an der Leiche durchgeführt wird, dürfen bleiben. Die anderen gehen.“
Gantenbein traute seinen Ohren kaum, doch die Worte des Stattlichen trugen Früchte. Die Menschenmenge löste sich auf. Seine Neugierde, sein kriminalistisches Gespür war geweckt und er wagte sich ein paar Schritte näher an die Duschkabine.
„Stopp! Weiter dürfen Sie nicht. Außer“, meinte ein hochgewachsener, drahtiger junger Mann, „außer Sie sind ein Angehöriger der Polizei.“
Gantenbein fackelte nicht lange.
„Das bin ich auch“, schoss er heraus. „Frank Gantenbein, Kriminalkommissar aus der Schweiz.“
„Aus der Schweiz?“
Die anderen bildeten einen Kreis um ihn und warteten gebannt.
„Ja. Also, jetzt nicht mehr, ich bin im Ruhestand. Aber ich dachte, da ich schon mal hier bin und der zuständige Inspektor noch nicht angekommen ist ….“
„Na dann“, sagte der Schlaksige, „Kollegen, macht mal Platz für … was für ein Bein?“
„Gantenbein.“
„Macht Platz für Gartenbein.“
„Gante…“ Er ließ es gut sein.
Der Polizist führte Gantenbein zur Kabine.
Ein schrecklicher Anblick bot sich ihm. Ein Messer steckte in der weiblichen Leiche, das Blut klebte an den Wänden. Er spürte die Blicke der kroatischen Polizisten im Nacken. Akribisch musterte er die Leiche von Kopf bis Fuß, ohne sie anzufassen. Sein Blick wanderte wieder zurück zum Gesicht. Er zog die Brauen zusammen. Sah er das richtig? Die Lippen der Toten glänzten. Instinktiv roch er am Mund. Das war doch nicht etwa …. Mit seinem Zeigefinger fuhr er über ihre Lippen. Drehte sich um und schob den Finger in seinen Mund. Naserümpfend verzogen die Polizisten ihre Gesichter.
„Das, meine Herren, ist Olivenöl“, klärte er auf.
„Was ist Olivenöl?“, erklang hinter den Uniformierten eine grimmige Stimme.
Die Männer drehten sich um.
„Inspektor Horvat“, grüßte der Knochige.
Inspektor Ivan Horvat zog man bei Tötungsdelikten hinzu. Er arbeitete in Rijeka und war auch für Opatija zuständig. In Wien geboren und aufgewachsen. Ein miesepetriger vierundfünfzigjähriger Eigenbrötler, hager, großgewachsen. Eine Brille mit schwarzem Rand thronte auf seiner Nase. Gantenbein musterte ihn eingehend. Ja. So hatte er sich den berüchtigten Inspektor vorgestellt. Kantiges Kinn, und offensichtlich hatte er seit Längerem keinen Frisörsalon mehr von innen gesehen. Seine braunen Haare waren auf den Seiten fast Schulterlang, oben hatte er eine Glatze.
Fehlt nur noch eine Goldkette, dachte Gantenbein, dann würdest du aussehen wie ein Zuhälter aus den Siebzigern.
Der Inspektor kam geradewegs auf ihn zu. Er schluckte einmal leer.
„Ich hätte gern eine Antwort auf meine Frage.“ Inspektor Horvat fixierte sein Gegenüber mit einem durchdringenden Blick.
„Natürlich, Cheffe.“
„Ich werde Inspektor Horvat genannt. Ganz einfach. Inspektor Horvat.“
Gantenbein nickte. „Die Tote hat Olivenöl auf den Lippen.“
Der Inspektor brummte, zog den Kopf zurück und murrte: „Wer zum Teufel sind Sie?“
„Oh, entschuldigen Sie bitte, ich hätte mich zuerst vorstellen sollen. Mein Name ist Frank Gantenbein ….“
„Was für ein Bein?“
Lauter Seufzer. „Gantenbein.“
„Und weiter? Das ist ein Tatort. Was machen Sie hier?“ Der Inspektor schob seine Brille etwas hoch, die ihm zur Nasenspitze herabgerutscht war.
„Ich war eigentlich zum Kaffeetrinken hergekommen. Und dann fand eine Frau unsere Leiche hier.“
„Also, erstens einmal ist das meine Leiche und nicht unsere. Aber sagen Sie, ist das irgendein Fetisch von Ihnen? Leichen anstarren? Verschwinden Sie von hier.“ Er packte Gantenbein grob am Oberarm.
„Nein, warten Sie. Ich bin Kriminalkommissar.“
Unverzüglich ließ der Inspektor los. „Was sind Sie?“
„Kriminalkommissar. Na ja, also, eigentlich war ich das mal. Vor meiner Pensionierung. In der Schweiz. Jetzt genieße ich meinen Lebensabend hier in Opatija.“
„Was ist das eigentlich für ein krankes Spielchen, das Sie spielen? Scheiße nochmal! Wollen Sie mich verarschen?“
„Ich? Sie glauben mir nicht?“
„Hören Sie mal … Bein, es ist mir scheißegal, wer sie sind und was ihr verdammter Job ist oder war. Aber das hier“, er deutete mit seinen Fingern auf den Boden, als würde er sein Revier markieren, „das ist mein Tatort. Und Sie verschwinden jetzt.“ Mahnend hob er den Zeigefinger. „Oder Sie werden aufs Kommissariat geführt.“
Die Worte des Inspektors zeigten Wirkung. Gantenbein wollte es nicht darauf anlegen lassen und verabschiedete sich höflich.
„Denken Sie an das Olivenöl an ihrem Mund, es könnte von Bedeutung sein.“ Er drehte sich um und entfernte sich vom Tatort.