Читать книгу Gantenbein und die Tote in der Dusche - Sanela Egli - Страница 9

Оглавление

6

Im Hotel herrschte Hektik. Das Personal wuselte überfordert umher und versuchte aufgebrachte Gäste zu beruhigen. Einige Frauen weinten.

In Gantenbein war der Kommissar geweckt worden. Er stellte sich in die Menschenmenge und lauschte den Gesprächen.

„Das ist die Frau vom dritten Stock“, hörte er eine ältere Dame zu einer anderen sagen.

„Ach herrje. Die habe ich gestern am Pool getroffen. Mit ihrem Mann. Mensch, der Arme. Wie er es wohl aufgefasst hat?“, meinte die andere.

Ein Mann gesellte sich zu ihnen.

„Die beiden waren aber nicht allein hier. Ich habe vom Zimmernachbarn der beiden gehört, dass er gehört hat, wie ein Gast aus der zweiten Etage am Frühstückstisch darüber gesprochen hat, dass die Schwester des Mannes mit ihrem Partner auch hier sei.“

Augenverdrehend schlenderte Gantenbein unauffällig weiter zum nächsten Grüppchen und spitzte seine Ohren.

„Das ist ja furchtbar“, äußerte eine massige Frau und kraulte sich die linke Brust.

„Ja, das kannst du laut sagen. Unfassbar“, meinte der junge Mann neben ihr. „Ich glaube, ich weiß schon, wer es war.“

Die anwesenden, drei Frauen und ein Mann, starrten ihn voller Neugierde an.

„Ihr Bruder.“

„Ihr Bruder?“, schossen sie unisono heraus.

„Ja, ganz sicher. Die Tote und ihr Mann sind nicht allein hergekommen. Der Bruder der Toten und seine Frau sind auch hier.“

„Und wer ist ihr Bruder?“, fragte der zweite Mann in der Runde.

„Na, das ist der, der ständig mit einem Notizbuch herumläuft.“

„Ach, der. Das ist aber ein ganz seltsamer Kerl“, meinte die drahtige Frau, die zwischen dem zweiten Mann und der stattlichen Frau stand. „Dem würde ich es zutrauen. Ein wirklich seltsamer Vogel.“

Gantenbein schnaufte. Wenn das stimmte, was die Gäste sich hier erzählten, dann war das eine sehr außergewöhnliche Familienkonstellation. Somit war der Bruder der Toten der Mann ihrer Schwägerin. Das war doch eher fragwürdig, wenn auch nicht unmöglich. Er staunte immer wieder darüber, wie schnell Leute überzeugt waren, alles über andere zu wissen. In der Schweiz, in Kroatien. Überall auf der Welt war es derselbe Mist.

Ein Gedankenblitz durchfuhr ihn jäh. Ein Blick zur Rezeption zeigte ihm, dass das Personal gerade viel zu tun hatte. Er nutzte die Gunst der Stunde, um unbeobachtet in den Aufzug zu steigen. Drückte die Nummer drei, und die Tür schob sich zu. Erleichtert atmete er aus. Er lächelte. Er war doch des Wahnsinns. Was dachte er sich nur dabei?

Die Tür ging auf, und er trat einen Schritt in den Flur des dritten Stockwerks, der genauso prachtvoll, ja fast schon majestätisch war, wie der Rest des Hotels.

Bevor die Kriminalen herausfinden würden, wer die Tote war, hatte er noch ein paar Minuten, bis er von hier verschwinden musste. In seinen Badelatschen schlappte er zur ersten Tür und lauschte. Nichts. Dem Korridor zum nächsten Zimmer folgend, kam ihm ein älteres Paar entgegen. Mit einem lächelnden Kopfnicken begrüßten sie sich. In seinem Touristen-Outfit fiel er überhaupt nicht auf. Er passierte das Zimmer und flanierte gemütlich weiter, bis er hinter sich die Tür zugehen hörte. Er machte auf dem Absatz kehrt. Der Mann und die Frau waren verschwunden. Gantenbein eilte zurück an die zweite Tür und legte leise sein Ohr daran. Just in dem Moment sprang der Aufzug auf und der Inspektor schritt heraus, drei Polizisten folgten ihm auf dem Fuße.

„Ach du Scheiße, was suchen Sie denn immer noch hier?“

„Meinen Sie etwa mich, Inspektor?“, fragte Gantenbein mit einem schelmischen Grinsen.

Der Ermittler trat in seinem weißen Hemd und schwarzem Sakko mit breitem Revers näher.

„Komm mir nicht so, Bein.“

Bein, natürlich.

„Ich … ich möchte Ihnen nur helfen, den Mörder der jungen Frau zu finden.“

„Ich brauche aber keine Hilfe. Schon gar nicht von einem Touristen.“

„Ich bitte Sie, ich bin doch kein Tourist, ich wohne hier.“

Inspektor Horvat legte den Kopf schief und hob seine Augenbrauen.

„Und ich arbeite hier. Meine Stadt, mein Fall, mein Tatort. Ich habe Sie gewarnt … Bein. Ich lasse Sie abführen.“

„Hey, was glauben Sie, woher ich wusste, dass ich in diese Etage kommen musste, Inspektor Horvat?“

Im ersten Moment verdutzt dreinschauend, stand der Chef-Ermittler vor Gantenbein. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck in Wut, zornige Röte stieg seine Wangen empor.

„Vielleicht, weil Sie etwas damit zu tun haben?“

„Bin schon weg.“

Vorbei an Inspektors Gefolge drückte Gantenbein den Knopf, der sich zwischen den beiden Aufzügen befand und verschwand im linken, der zuerst seine Pforte öffnete.

Gerade noch gutgegangen, dachte er und betätigte den Knopf der Lobby.

Einen Wimpernschlag später verwarf er sein Vorhaben, das Hotel zu verlassen, und drückte rasch die Nummer zwei. Er fuhr sich durch die vollen Haare und wartete darauf, dass die Tür aufging. Der Aufzug kam zum Stehen, und Gantenbein sprang hinaus und folgte schnellen Schrittes dem Schild, auf dem eine Treppe abgebildet war. Er erklomm die Stufen und hielt, angelehnt an die Wand, kurz inne. Spähte um die Ecke. Leerer Korridor. Auf leisen Sohlen bewegte er sich von Tür zu Tür, lauschte, bis er hinter einer Inspektor Horvat sprechen hörte. Verstehen konnte er nichts, aber er war sich sicher, dass die Stimme, die er hörte, die des brummigen Ermittlers war. Die Zimmernummer 307 war auf einem Messingschild, das an der Tür hing, eingraviert. Die Zahl musste er sich merken. Hierher würde er zurückkehren. Dieser Mordfall hatte bereits Besitz von ihm ergriffen. Er fuhr herum und zog von dannen.

***

Gantenbein schlurfte die Hauptstraße entlang und folgte der geschwungenen Straße hinauf bis zum Kreisverkehr. Beißende Abgase von den Autos im stockenden Kolonnenverkehr reizten seinen Hals, sodass er ständig husten musste. Rücksichtslos überquerte er zu Fuß den Kreisel, erntete dafür böse Blicke und Kopfschütteln von Autofahrern. Einer Weggabelung weiter oben führte die Autofahrer nach links Richtung Pula und rechts nach Rijeka. Gantenbein blieb auf dem Gehweg und passierte die alte Tankstelle. Erst vor wenigen Tagen war der Besitzer verstorben. Nach einigen Metern bog er rechts in die Einfahrt seines Hauses.

Gantenbein und die Tote in der Dusche

Подняться наверх