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Die Detektive kombinieren

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Bergab ging es schneller. Im Halbdunkel hüpften, stolperten und schlängelten Harry und Luc sich durch die Baumschonung zum Gittertor hinunter. Der Regen rauschte, der Boden war glitschig, niemand war zu sehen. Luc zog das Tor hinter sich zu. Das Schloss schnappte zwar ein, doch das Tor ließ sich mühelos wieder aufstoßen. Die unbekannten Einbrecher hatten den Mechanismus irgendwie blockiert.

Jetzt blieben die Jungen auf dem Waldweg und nahmen nicht wieder die Abkürzung durch das Dickicht. Sie zogen die Pedelecs aus dem Ginstergebüsch und fuhren zurück nach Habichtsdorf. Auf der Landstraße herrschte reger Verkehr. Viele Leute, die in der Stadt arbeiteten, fuhren heim in die umliegenden Dörfer.

Das Schild KATTNER-OPTIK leuchtete milchig. Schnell schoben Harry und Luc die E-Bikes zurück in den Schuppen hinterm Haus. Harrys Eltern durften nichts merken. Die Jungen stapften durch die Hintertür ins Haus und pellten sich erst einmal aus den klatschnassen Klamotten. Dann zogen sie auch die verdreckten Schuhe aus und stellten sie in der Diele unter der Garderobe ab. Schon bildeten sich kleine Pfützen.

»Kommt dir das bekannt vor, Partner?«, fragte Luc.

»Was denn?«

»Wir laufen auf Socken rum, am Haken hängen unsere nassen Jacken, darunter stehen die verschlammten Schuhe …«

Harry begriff. »Du meinst … Ja, es macht klick! Genau wie bei Mirja und Yannick. Das kann doch kein Zufall sein!«

»Cool bleiben«, sagte Luc. »Wir dürfen keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber das sind immerhin Fakten, die für uns wichtig sein könnten. Und das merkwürdige Verhalten der beiden war auch verdächtig.«

»Ich muss jetzt unbedingt was essen, sonst streikt mein Gehirn«, erklärte Harry. »Einen Zentner Currywurst oder so.«

Luc sah das ähnlich. Nach der anstrengenden Tour brauchten sie neue Energie. Im Kühlschrank fanden sie Dosen mit Knackwürsten. Nur heiß machen, Brotscheiben dazu und ganz viel Senf. Und jeder schlürfte eine Flasche Sprudelwasser leer.

Gestärkt hockten sie sich in Harrys Zimmer auf die Luftmatratzen und begannen ihre Beratung. Nur wenige Stunden war es her, dass Luc vom Zug aus zufällig das tanzende Licht gesehen hatte, und schon waren sie in einen rätselhaften Fall verwickelt. Fragen über Fragen:

Welche Rollen spielten Mirja und Yannick in diesem Verwirrspiel? Sie wussten etwas Wichtiges, wollten aber auf keinen Fall darüber reden. Oder waren sie selbst sogar an der Sache beteiligt?

Was hatte das Haus vom Nikolaus damit zu tun? Gab es überhaupt einen Zusammenhang? War das bloß ein verrückter Gedanke oder konnte es tatsächlich sein, dass auch Mirja und ihr Bruder auf dem Buchenberg gewesen waren?

Wo befand sich Opa Charly wirklich? War er, wie Yannick und Mirja behaupteten, mit seinem Kegelclub an die Mosel gereist? Oder stimmte das, was seine Enkelin Marion erklärt hatte, dass er mit Freunden bei einem Skatturnier im Nachbarort war? Oder stimmte beides nicht?

War Opa Charly irgendwie in diesen Fall verwickelt oder hatte er gar nichts damit zu tun? Konnte es sein, dass da etwas Kriminelles ablief? Dass Yannick und Mirja so hartnäckig flunkerten, das musste doch einen wichtigen Grund haben. Da stellte sich die alte Detektivfrage: warum?

Luc reckte sich. »Uff, da kommt ’ne Menge zusammen. Wir müssen systematisch vorgehen. Was ist mit Yannick? Können wir den zum Reden bringen?«

»Ich schnappe ihn mir gleich morgen früh in der Schule. Er muss doch kapieren, dass wir seine Freunde sind.« Harry ballte die Fäuste.

»Und wann fahren wir zum Buchenberg und nehmen die Ermittlungen beim Haus vom Nikolaus wieder auf?«

Harry winkte ab. »Mit Fahren wird’s wohl nichts, wir müssen laufen. Bei Tageslicht sollten wir das nicht riskieren. Der Polizist von Habichtsdorf weiß nämlich, dass ich noch keine vierzehn bin, und wenn der uns erwischt …«

»Hä?« Luc verstand das nicht.

»Man muss mindestens vierzehn sein, wenn man mit Pedelecs fährt. Wusstest du das nicht?«

Luc schüttelte den Kopf. »Mist, dass du morgen erst mal in die Schule musst. Da verlieren wir viel Zeit.«

Jetzt hatte Harry seinen Spaß. »Trick achtzehn, Partner! In der zweiten Stunde wird mir morgen plötzlich schlecht. Da hab ich Englisch bei Mrs Henry. Eigentlich heißt sie Frau Heinrich. Wenn ich plötzlich die Augen verdrehe und sage, dass ich wahrscheinlich kotzen muss, dann schickt die mich sofort nach Hause. Die Nummer hab ich schon mal abgezogen.«

Luc war nicht wirklich überzeugt, aber zum Diskutieren blieb keine Zeit, denn Tante Kerstin und Onkel Georg riefen zum Abendessen. Es gab wieder süßen Reis, diesmal mit Zucker und Zimt und dazu Tee mit Zitrone. Und das nach dem Riesenberg Würstchen, dachte Luc.

»Konntet ihr bei dem miesen Wetter was unternehmen?«, fragte Georg.

»Nix Dolles«, meinte Harry. »Wir sind zu Yannick und Mirja rüber, aber die hatten keine Zeit. Dann wollten wir Opa Charly besuchen. Der war gar nicht da. Skatturnier in Rehberg oder so.«

Georg schmunzelte. »Ja, Opa Charly. Der ist auf seine alten Tage noch echt fit. Alle Achtung!«

Luc mischte sich ein. »Seine Enkelin, Marion, kennst du die, Tante Kerstin?«

Kerstin nickte. »Klar, die Marion kenne ich schon lange.«

»Wusstest du, dass die jetzt mit ihrem Mann das Haus bewohnt und Opa Charly ins Gartenhaus umgezogen ist?«

Die Tante wusste es. »Opa Charlys Söhne wollten die Baumschule nicht übernehmen. Also hat er das große Grundstück an allerlei Kleingärtner verkauft. Viele seiner Baumsprösslinge hat er damals für die Auf‌forstung oben am Buchenberg gespendet. Stimmt’s, Georg?«

»Genau. Dann hat seine Enkelin Marion den Marcel geheiratet. Das war für Opa Charly der richtige Augenblick, den beiden das Grundstück mit dem Wohnhaus zu schenken. Mit Urkunde und Notar und allem Pipapo. Ihm selbst reicht das Gartenhaus.«

»Das kann man wohl sagen!«, rief Harry. »So ein tolles Häuschen möchte ich später auch mal haben.«

Georg Kattner sagte: »Aber sein prächtiges Federvieh will Opa Charly selbstverständlich behalten. Vor allem die Gänse. Was er mit Gustav Gans und den Gänsedamen so alles veranstaltet, das ist zirkusreif. Ich wette, mit denen zieht er noch witzige Nummern ab, wenn er längst im Rollstuhl sitzt.«

Luc hatte plötzlich ein komisches Bild vor Augen. Opa Charly mit schneeweißem Vollbart, lang bis auf die Erde, und Trapperpelzmütze auf dem Kopf im Rollstuhl und hinter ihm laut schnatternd die Gänseschar …

Luc schreckte auf, als Harry ihn anstupste.

»Schlaf nicht ein!« Harry verteilte Karten. Phase 10 war angesagt. Harry liebte alle Sorten von Kartenspielen. »Ich werde heute mal wieder Weltmeister!«

Ein Stichwort war gefallen: Rollstuhl. Luc fummelte das Smartphone aus der Hosentasche und blinzelte Harry zu. Das bedeutete: Partner, ich weiß was!

Wieso denkt Luc an einen Rollstuhl?

Lies morgen weiter!

Die Nikolaus-Entführung

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