Читать книгу Iceman-Brothers - Sarah Glicker - Страница 4
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ОглавлениеDamon
„Du schwächelst“, stellt Connor fest und wirft mir einen skeptischen Blick zu.
Mit erhobenen Fäusten steht mein Bruder mir gegenüber und wartet darauf, dass ich ihn erneut angreife. Ich hingegen grinse ihn nur an und gebe ihm so zu verstehen, dass ich mich von ihm sicherlich nicht aus der Ruhe bringen lassen werde. Jedes Mal, wenn wir trainieren, versucht er genau das. Bis jetzt ist ihm das aber nicht gelungen und jetzt werde ich sicherlich keine Ausnahme machen.
„Komm´ schon. Ich weiß, dass du das besser kannst“, fordert er mich heraus und wackelt mit den Augenbrauen.
Nun bin ich es, der ihn hinterhältig angrinst. In der nächsten Sekunde stürze ich mich auf ihn, greife nach seinen Schultern und drücke ihn nach unten. Dies geht so schnell, dass er keine Zeit mehr hat, sich aufzufangen. Ungebremst fällt mein Bruder auf die Matte, was einen dumpfen Knall erzeugt, der durch unseren Trainingsraum dringt.
Doch Connor stöhnt nicht und gibt auch sonst keinen Ton von sich der zeigt, dass er Schmerzen hat, wie die meisten wahrscheinlich denken würden. Stattdessen lacht er laut und zeigt mir so, dass er es darauf angelegt hat.
„Ich habe definitiv noch nicht das Alter, um zu schwächeln“, erkläre ich nun, während ich mein Knie auf seinen Rücken drücke. Auf diese Weise hindere ich ihn daran, wieder aufzustehen und den Angriff zu erwidern. „Von dir kann ich das allerdings nicht behaupten. Du bist ganz schön langsam geworden.“
Mit diesem Kommentar spiele ich auf sein Alter an, schließlich ist er vier Jahre älter als ich. Normalerweise wäre mir das egal, doch nun hat er schon mit dem Thema angefangen, da kann ich auch aufspringen.
„Man ist nur so alt, wie man sich fühlt“, murmelt Connor und versucht sich gleichzeitig aus meinem Griff zu befreien. Dies gelingt ihm aber nur, weil meinen Griff um sein Handgelenk ein wenig lockere.
„Ihr solltet euch mal hören. Man könnte den Eindruck bekommen, dass ihr schon alte Großväter seit“, ertönt in der nächsten Sekunde die Stimme von Ty.
Kurz hebe ich meinen Kopf und sehe, dass mein zweiter Bruder in der Tür steht, sich am Rahmen angelehnt hat und die Arme vor der Brust verschränkt hat. Mit einem breiten Lächeln beobachtet er uns und schüttelt den Kopf, als würde er uns so mitteilen wollen, dass wir uns endlich wieder wie erwachsene Männer benehmen sollen. Allerdings weiß ich, dass er nicht besser ist.
„Seit wann stehst du da?“, frage ich ihn.
„Lange genug um zu wissen, dass du anscheinend schwächelst. Muss ich mir jetzt ernsthafte Gedanken machen? Schließlich weißt du, mit wem wir es in der Regel zu tun haben.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an. Keine Sekunde wendet er sich von mir ab. Im Einsatz befürworte ich diese Eigenschaft. Sie bringt jeden sofort zum Reden und das sorgt dafür, dass wir nicht wertvolle Zeit vergeuden. Jetzt verfluche ich sie allerdings. Doch ich weiß, was er damit bezwecken will. Und das ist auch der Grund dafür, wieso er mich damit nicht beeindrucken kann. Genauso wie Connor versucht er nur mich aus der Ruhe zu bringen. Doch dafür muss er früher aufstehen.
„Ihr könnt euch überhaupt nicht vorstellen, wie sehr ihr mir auf die Nerven geht“, stöhne ich und stehe schwer atmend auf.
Erneut lachen meine Brüder laut.
„Wir müssen uns langsam auf den Weg machen. Nicht, dass wir das Beste noch verpassen. Als geht schnell duschen und kommt in den Van. Ich warte dort auf euch. Auch du“, erklärt er und wirft mir noch einen strengen Blick zu.
Mit diesen Worten dreht Ty sich wieder um und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist.
Ich habe noch nie für mich behalten, dass ich kein Fan von Überwachungen bin. Allerdings sind meine Brüder auch nie sehr begeistert davon, dass sie das machen müssen. Vor allem in diesem Fall verspricht es langweilig zu werden. Wir sollen nur beobachten und nicht einschreiten. Wir sind ein kleiner Teil einer großen Drogenrazzia, die schon ewig geplant ist und bei der nun nichts schiefgehen darf.
„Ich frage mich wirklich, was das bringen soll“, überlege ich, während ich eine Stunde später auf die Bildschirme starre, die sich vor mir befinden.
Gemeinsam hocke ich mit meinen Brüdern in dem kleinen Van und starre auf die Bildschirme, die sich vor uns befinden. Wir haben die Überwachungskameras der umliegenden Gebäude angezapft und können so die Eingänge der Halle im Auge behalten, die uns interessiert, ohne dass wir auffallen.
Die Straße ist leer. Nur die Laternen und Lichter der Schaufenster erhellen sie, sodass wir alles genau erkennen können. Zwischendurch fährt mal ein Auto vorbei, doch keines bleibt stehen.
„Wir werden die ganze Nacht hier sitzen, ohne dass etwas passieren wird“, seufzt Connor.
Mit einem genervten Gesichtsausdruck lässt er sich nach hinten fallen, streckt die Füße von sich und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Die Befürchtung habe ich auch. Allerdings wäre es auch zu einfach gewesen“, murmle ich.
„Hmmm“, brummt Ty nur und verzieht das Gesicht. „Welche Aussichten! Auf der einen Seite sich hier den Arsch platt sitzen und auf der anderen könnte ich bei Phoebe sein und …“, beginnt er.
„Verschone uns damit“, fahre ich dazwischen, bevor er seinen Satz beenden kann.
Allerdings kann er sich nicht verkneifen uns ein Grinsen zuzuwerfen, was alles aussagt, ohne das er es ausspricht.
„Von wem hatte Martin den Tipp bekommen?“, erkundige ich mich und wende mich an Connor, um das Thema zu wechseln.
Detective Martin ist unser Kontaktmann bei der Polizei, mit dem wir oft zusammenarbeiten. Im Gegensatz zu uns muss er sich an die Vorschriften halten, meistens zumindest. Das ist der Grund dafür, wieso er oft uns mit unter anderen solchen Aufgaben beauftragt.
„Von einem ehemaligen Junkie, der von einem Kollegen verhaftet wurde. Seinem Chef war diese Nachricht jedoch zu unsicher. Deswegen hat er keine Überwachung genehmigt. Zumindest nicht mit Polizeireserven“, erklärt Connor, ohne sich von den Bildschirmen abzuwenden.
„Was soll ich sagen? Da hatte er anscheinend recht. Es ist so ruhig da draußen, wie es um die Uhrzeit in dieser Gegend nur sein kann. Allerdings sind wir auch noch nicht lange hier und es ist noch früh. Vielleicht haben wir Glück und es tut sich doch noch etwas.“
Connor verzieht genervt das Gesicht. Doch das bin ich auch. Wenn ich schon so etwas mache, will ich wenigstens, dass etwas passiert. Irgendetwas, was unsere Anwesenheit rechtfertigt.
„Wir sind erst seit einer Stunde hier“, erinnert uns Ty, während er sein klingelndes Handy aus der Hosentasche zieht.
„Nachricht von Phoebe?“, frage ich.
Phoebe ist seit einigen Monaten seine Freundin. Er hatte ihr das Leben gerettet, als man es auf sie abgesehen hat. Seitdem die beiden unzertrennlich und verbringen jede freie Minute miteinander.
Ich freue mich für beide. Phoebe ist eine wunderbare Frau und wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass er sehr dämlich gewesen wäre, wenn er sie hätte gehen lassen. Eine bessere Frau würde er nicht finden. Da bin ich mir sicher. Vor allem auch deswegen, weil es nicht viele Frauen gibt, die mit unseren Jobs klarkommen.
„Nein“, antwortet er mir, nachdem er einen Blick auf das Display geworfen hat. „Auch wenn sie nicht sehr begeistert darüber war, dass sie die Nacht wahrscheinlich alleine verbringen muss. Schließlich weiß man nie, wie lange so eine Überwachung dauert.“
Er wackelt mit den Augenbrauen, sodass ich nur die Augen verdrehe und mich wieder auf die Straße konzentriere. Sie können einfach nicht die Hände voneinander lassen.
„Willst du gar nicht wissen, was es ist?“, erkundigt er sich, da er anscheinend nicht daran denkt, die Unterhaltung auf sich beruhen zu lassen.
„Spuck´ es schon aus“, fordere ich ihn auf.
„Das ist eine Benachrichtigung der Dating-App, von der die Jugendlichen zurzeit so begeistert sind.“
Kaum hat er ausgesprochen, drehe ich mich ruckartig zu ihm herum.
„Du bist auf einer Dating-Plattform angemeldet? Bist du auf der Suche nach einer zweiten Frau?“ Überrascht ziehe ich meine Augenbrauen ein Stück nach oben.
Noch während ich ihn das frage, höre ich Connor leise hinter mir lachen.
„Das ist ein interessanter Gedanke. Aber ich glaube nicht, dass Phoebe das gut finden würde.“
„Ich glaube eher, dass du nicht mit zwei Frauen klarkommen würdest“, ziehe ich ihn auf. „Du hast ja schon kaum Zeit für eine Frau in deinem Leben, dank unseres Jobs.“
„Ich gebe zu, dass ich bis jetzt noch keinen Gedanken daran verschwendet habe. Bis jetzt habe ich das immer nur am Rand mitbekommen. Bei den einen scheint es zu funktionieren, bei den anderen nicht. Aber nicht ich bin dort angemeldet, sondern du.“
Gerade habe ich noch einen Schluck aus meiner Wasserflasche genommen, doch nun verschlucke ich mich. Mit großen Augen sehe ich meinen Bruder an, während ich versuche, meinen Husten wieder in den Griff zu bekommen. Im ersten Moment halte ich es für einen Scherz, den er sich mit mir erlaubt. Doch er macht den Anschein auf mich, als würde er das wirklich ernst meinen.
„Du hast mich auf irgendeiner Dating-Seite angemeldet?“, frage ich ihn ungläubig, um dennoch sicherzugehen.
„Wir haben das gemacht“, meldet sich nun Connor hinter mir zu Wort.
Ungläubig drehe ich mich in seine Richtung.
„Du bist selber Single“, erinnere ich ihn, als ich endlich meine Sprache wieder gefunden habe.
„Der Unterschied ist aber, dass ich nicht ständig schlechte Laune habe.“
„Ich habe auch nicht ständig schlechte Laune“, erwidere ich, bin mir jedoch sicher, dass ich es mir auch sparen kann.
„Auf jeden Fall hat die Seite ein Match für dich gefunden.“
Stolz hält er mir sein Telefon unter die Nase. Doch ich werfe keinen Blick darauf. Stattdessen kneife ich meine Augen ein wenig zusammen und sehe meine Brüder böse an. So zeige ich ihnen, was ich von ihrer Idee halte.
„Wann wolltet ihr mir davon erzählen?“
„Sobald eine Partnerin für dich gefunden wurde, was jetzt der Fall ist.“
„Das kann nicht wahr sein“, stöhne ich. Dabei fahre ich mir über den Nacken, um meine verspannten Muskeln zu lockern, was mir allerdings nicht gelingt.
„Wieso denn nicht?“, fragen beide im Chor. An ihren Stimmen höre ich, dass sie sich keiner Schuld bewusst sind. Und auch die Blicke, die sie mir zuwerfen, passen dazu.
„Du brauchst dringend eine Freundin“, erklärt Ty.
Mein Mund öffnet sich. Bevor ich ihm allerdings ein paar unschöne Dinge an den Kopf werfen kann, schließe ich ihn wieder.
Es würde nichts bringen!
„Schaue sie dir wenigstens an. Ich finde, dass sie gut zu dir passen würde. Auf jeden Fall sieht sie gut aus und macht auch gerne Sport.“
„Ich werde sie mir nicht ansehen und mich interessieren auch nicht ihre Hobbys, ihr Beruf oder ihre Haarfarbe. Auch wenn ihr es wahrscheinlich nicht glaubt, aber ich bin durchaus alleine in der Lage, eine Freundin zu finden, wenn ich eine möchte. Dafür brauche ich euch nicht und schon gar nicht so eine dämliche App.“
Meine Stimme ist schärfer, als ich es beabsichtige. Doch es kommt mir so vor, als könnte ich meinen Brüdern nur so klarmachen, dass sie definitiv einen Schritt zu weit gegangen sind. Und in meinen Augen sind sie das, auch wenn ich mir sicher bin, dass sie es nur gut gemeint haben.
„Bist du dir sicher? Ich könnte ihr auch einfach in deinem Namen schreiben, damit ihr euch mal trefft. Sie wohnt nicht weit entfernt“, schlägt Ty war, der anscheinend noch nicht daran denkt, aufzugeben.
„Mach das und ihr braucht es gar nicht mehr zu versuchen, irgendwann Kinder zu haben.“ Ich kneife meine Augen ein Stück zusammen, um meine Aussage zu unterstreichen.
„Ich glaube, wir haben uns geirrt“, meldet sich nun Connor zu Wort.
„Der Meinung bin ich auch“, stimme ich ihm zu, ohne mich von Ty abzuwenden.
„Das meine ich nicht, darüber unterhalten wir uns später. Ich rede davon.“
Mit diesen Worten zeigt er auf einen der Bildschirme. Neugierig werfe ich einen Blick darauf und erkenne, dass ein dunkler Wagen direkt vor dem Eingang zu der Lagerhalle stehen geblieben ist. Sofort schaue ich auf einen zweiten Monitor.
Die Halle gehörte zu einer Firma, die nicht sehr viel Vertrauen zu ihren Angestellten hatte. Daher haben sie alles mit Kameras ausgestattet und die darin gelassen. Mit Leichtigkeit konnten wir sie für uns nutzen, sodass wir im Inneren keine neuen anbringen mussten.
Mehrere Männer betreten die Halle. Es dauert nur wenige Minuten, bis noch ein Wagen hinter dem ersten stehen bleibt und die drei Insassen ebenfalls hineingehen.
Wie gebannt verfolgen wir den Drogendeal, der sich gerade vor unseren Augen abspielt. Meine innere Stimme sagt mir, dass wir hineingehen und sie schnappen sollen. Allerdings hat Martin keinen Zweifel daran gelassen, dass wir gerade das nicht machen sollen.
Einer der Männer öffnet einen Koffer, in dem sich unzählige Geldscheine befinden. Ein zweiter von der anderen Seite stellt einen daneben, in dem sich die Drogen befinden.
„Woher hat ein Junkie solche Informationen?“, murmle ich leise. „Und wieso interessiert ihn das überhaupt?“
„Ich habe keine Ahnung. Wird wohl ein Zufall gewesen sein, dass er davon erfahren hat. Anders kann ich es mir nicht erklären. Aber wir haben sie auf Band und nur das ist wichtig. Die Gesichter sind gut zu erkennen und die Inhalte der beiden Koffer auch. Alles andere ist mir egal“, erklärt Ty.
Ich wünschte, mir würde es auch so gehen, doch dem ist nicht so. Ich mache mir Gedanken darüber, weil es normalerweise nichts ist, was solche Leute wissen. In den meisten Fällen ist es ihnen sogar egal. Sie interessieren sich nur dafür, wo sie den Stoff herbekommen und wie sie an das Geld dafür kommen.
Es sei denn, sie stecken mit drin oder haben geplant, sie zu überfallen.
Ersteres kann ich mir nicht vorstellen. Würde er mit drin stecken, würde ihm auf diese Weise viel Geld verloren gehen. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass sie versuchen, diese Männer zu überfallen.
Beide Möglichkeiten gefallen mir ehrlich gesagt überhaupt nicht. Deswegen beschließe ich, dass ich mit Martin reden werde.
Der Deal geht schnell über die Bühne, sodass es nicht lange dauert, bis alle wieder verschwunden sind. Aber das ist normal. Schließlich will keiner das Risiko eingehen, dass die Polizei noch auftaucht.
„Bin ich der einzige, der dabei Magenschmerzen hat?“, frage ich ihn die Runde, nachdem sie wieder verschwunden sind.
„Mir gefällt das auch überhaupt nicht“, stimmt Connor mir zu. Dabei spricht er so leise, als würde er sicher gehen wollen, dass uns sonst niemand hört.
„Es war eine normale Übergabe. Es wäre eher merkwürdig gewesen, wenn sie noch einen Kaffee zusammen getrunken hätten“, erklärt nun Ty, scheint jedoch selber nicht so ganz überzeugt davon zu sein.
Zumindest gehe ich davon aus, wenn ich einen Blick auf seinen verbissenen Gesichtsausdruck werfe.
Einige Minuten starren wir noch auf die Bildschirme um sicher zugehen, dass keiner zurückkommt, oder sich nicht plötzlich fremde Personen auf dem Gelände befinden, die dort nichts zu suchen haben. Doch es bleibt ruhig.
Schnell packen wir unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg nach Hause.
Doch obwohl wir genau das bekommen haben, was wir wollten, werde ich dieses merkwürdige Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmt. Und für gewöhnlich kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen!