Читать книгу Iceman-Brothers - Sarah Glicker - Страница 7
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ОглавлениеValerie
Stille umfängt mich, als ich wieder zu mir komme, die nur zwischendurch von einem gleichmäßigen Piepen durchbrochen wird. Langsam und zögerlich versuche ich meine Augen zu öffnen. Da die Lider aber schwer sind, dauert es ein wenig, bis ich meine Umgebung einigermaßen erkennen kann. In der nächsten Sekunde schließe ich sie jedoch wieder, da mich das helle Licht blendet.
Einen Moment warte ich und atme tief durch, ehe ich einen weiteren Versuch starte. Auch dieses Mal blendet es mich wieder, doch ich bin darauf vorbereitet. Außerdem will ich endlich erfahren, wo ich bin und wieso es mir so vorkommt, als würde mein Kopf jeden Augenblick platzen.
Mit zusammen gekniffenen Augen blicke ich mich suchend um. Allerdings kann ich nur eine weiße Wand erkennen, an der sich ein Bild befindet, da ich meinen Kopf nicht drehen kann.
„Wo bin ich?“, frage ich in die Stille des Raumes hinein. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass ich eine Antwort bekommen werde, zumindest nicht jetzt.
Gleichzeitig versuche ich mich aufzurichten. Dabei fährt ein stechender Schmerz durch meinen Körper, den ich so noch nie gespürt habe. Stöhnend lasse ich mich wieder nach hinten sinken, versuche dabei jedoch mich nicht zu schnell zu bewegen.
„Ich habe dich ins Krankenhaus gebracht, nachdem ich dich gestern aus dem Wagen gezogen habe“, dringt plötzlich eine männliche Stimme an mein Ohr.
Sie sorgt dafür, dass ich erschrocken die Augen aufreiße und mich erneut umsehe. In der nächsten Sekunde bereue ich dies aber, da es nicht unbedingt dafür sorgt, dass meine Schmerzen wieder besser werden.
Es dauert einen Moment, doch schließlich erkenne ich einen Mann, der neben mir sitzt und mich aufmerksam beobachtet. Mein Herz schlägt wie verrückt, als würde es sich aus meiner Brust befreien wollen, während ich versuche, mich auf ihn und nicht auf meinen körperlichen Zustand zu konzentrieren.
Auch wenn er sitzt kann ich doch erkennen, dass er groß und breit gebaut ist. Auf mich macht es den Anschein, als würde er beinahe nur aus Muskeln bestehen. Seine Arme sind mit Tattoos übersät, die unter seinem schwarzen Shirt verschwinden. Seine Haare sind nach hinten gestylt und seine harten Gesichtszüge werden von einem wärmenden Lächeln erhellt.
Beinahe besorgt betrachtet er mich, das bemerke ich sogar durch den Schleier hindurch, der mich umgibt. Ich versuche in meinen Erinnerungen zu kramen um herauszufinden, ob ich ihn schon einmal gesehen habe. Doch wirklich sicher bin ich nicht. Zumindest kommt mir sein Gesicht nicht bekannt vor. Doch meinen Hintern würde ich in diesem Zustand nicht darauf verwetten.
Schließlich kann ich mich gerade kaum an meinen Namen erinnern, da vor allem die Kopfschmerzen mich fest im Griff haben. Sie sorgen dafür, dass ich meine Augen nach einigen Sekunden wieder schließe, bevor ich ihn erneut betrachte.
„Wer sind Sie?“, frage ich ihn und hoffe, dass ich ihn damit nicht beleidige, wenn wir uns schon einmal über den Weg gelaufen sind.
„Ich heiße Damon. Gestern war ich auf dem Weg nach Hause, als ich deinen Wagen im Graben gesehen habe. Du warst bewusstlos, als ich dich rausgezogen habe“, erklärt er, während er sich nach vorne lehnt und auf seinen Knien abstützt.
Keine Sekunde wendet er sich von mir ab. Beinahe kommt es mir so vor, als würde er meine Reaktion auf seine Worte erkennen wollen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wieso der das machen sollte.
Mit großen Augen sehe ich ihn an. Es dauert ein wenig, bis ich mich wieder an den gestrigen Abend erinnern kann. Doch selbst dann sind die Bilder in meinem Kopf verschwommen und nicht vollständig. Wären sie komplett, würden sie so keinen Sinn ergeben.
Ich weiß noch, dass ich gerade auf dem Weg zu meinen Eltern war, um ihnen ein paar Sachen vorbeizubringen, da ihr Auto kaputt ist. Meine Mutter hatte mich darum gebeten, dass ich ein paar Sachen einkaufe und die Anzüge meines Vaters aus der Reinigung abhole. Sie hätte es gerne selber gemacht, doch da sie sehr weit außerhalb wohnen, hätte es eine Ewigkeit gedauert, bis sie alles erledigt hätte. Außerdem wäre es zu viel gewesen, um es mit dem Rad zu erledigen.
Plötzlich habe ich nur noch gemerkt, wie ein Ruck durch meinen Wagen ging und er von der Straße abgekommen ist. Ich habe versucht gegenzulenken, doch es ist mir nicht gelungen, auf der Straße zu bleiben.
Was danach passiert ist weiß ich nicht mehr. Danach ist alles nur noch schwarz in meinen Erinnerungen. Ich kann nicht einmal sagen, wie und wo ich mir den Kopf eingehauen haben. Und dass ich das getan habe, ist klar. Anders kann ich mir die höllischen Kopfschmerzen nicht erklären.
Seufzend fahre ich mir über das Gesicht. Nicht nur die Haut in meinem Gesicht schmerzt, als ich es berühre, sondern auch meine Schulter, als ich sie bewege. Unter meinen Fingern spüre ich Krusten, die von den Verletzungen kommen, die ich davon getragen habe.
„Du hast zahlreiche Prellungen gesammelt und eine leichte Gehirnerschütterung“, stellt er nun fest. „Außerdem war deine Schulter ausgekugelt.“
Ich brauche einen Moment, bis seine Aufzählung meiner Verletzungen bei mir angekommen ist.
„Und woher weißt du das? Bist du ein Polizist?“, frage ich ihn, um mehr über ihn zu erfahren.
Sein leises Lachen ertönt und ich sehe, wie er langsam den Kopf schüttelt.
„Ich habe nichts gegen Cops. Ich arbeite mit ein paar guten zusammen, anders könnte ich meinen Job überhaupt nicht machen. Aber für mich selber wäre das nichts“, erklärt er und grinst mich an. „Ihre Regeln sind mir zu streng und vor allem zu unflexibel.“
„Und wer bist du dann?“
Ich muss zugeben, dass er mich neugierig gemacht hat. Außerdem lenkt mich unsere Unterhaltung von den Schmerzen ab, die schon wieder mehr werden.
„Meinen Brüdern und mir gehört ein Sicherheitsunternehmen. Wir sind die Iceman-Brothers.“
Aus seiner Stimme höre ich den Stolz hinaus, den er verspürt.
„Von euch habe ich schon gehört“, stelle ich fest, nachdem ich mich mit einem schmerzverzerrtem Gesicht etwas aufgerichtet habe.
Die aufrechte Position ist zwar nicht unbedingt für meine Kopfschmerzen geeignet, doch ich will ihn richtig ansehen können.
„Ach“, entfährt es ihm. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich aufmerksam an.
„Ihr steht öfter in der Zeitung, da ist es wahrscheinlich schwer, noch nichts von euch gehört zu haben. Außerdem sind ein paar meiner Schüler große Fans von euch. Es gibt wohl niemanden in der Stadt, der euch nicht kennt. Zumindest niemand, der nicht nur auf Social Media rumhängt.“
Ich versuche mich an einem Lächeln, wenigstens einem kleinen, scheitere jedoch kläglich.
So wie er aussieht und mit dem Job, liegen ihm die Frauen wohl reihenweise zu Füßen, schießt es mir unwillkürlich durch den Kopf.
Ich habe keine Ahnung, woher dieser Gedanke kommt und er gefällt mir auch nicht. Er hat hier und jetzt nichts zu suchen. Außerdem geht es mich auch überhaupt nichts an. Und drittens will ich mir gerade auch wirklich keine Gedanken darüber machen, da es mir eigentlich egal ist.
„Weißt du noch, was passiert ist?“, fragt er nun deutlich ernster.
Kurz überlege ich, ob in den letzten Minuten vielleicht irgendein Fetzen meiner Erinnerung wiedergekommen ist. Doch dann schüttle ich den Kopf, wobei der nächste Schmerz durch mich hindurch schießt.
„Verdammt“, fluche ich leise.
„Es wird ein paar Tage dauern, doch sie werden wieder verschwinden. Ich hatte selber auch schon eine Gehirnerschütterung und weiß daher, dass es schöneres gibt.“
Einen Moment betrachte ich ihn. Aufmunternd lächelt er mich an.
„Im einen Moment liege ich im Graben und verliere mein Bewusstsein, im nächsten wache ich hier auf“, füge ich hinzu, um meine Geste zu unterstreichen.
Ich erkenne ein frustriertes Gesicht, wenn ich es sehe. Als Lehrerin ist es ein Zeichen für mich, dass es nicht so lief oder läuft, wie die Schüler es sich wünschen. Entweder haben sie Stress mit Mitschülern oder eine Arbeit wurde in den Sand gesetzt.
Und genauso erkenne ich es auch bei ihm. Er scheint nicht froh darüber zu sein, dass ich nicht mehr weiß, wie ich dort gelandet bin. Und das bin ich auch nicht. Ich würde wirklich zu gerne wissen, warum ich im Krankenhaus liege, aber ich weiß nicht, was ich dagegen machen kann.
Ich kann nur hoffen, dass es mit der Zeit besser wird.
„Es tut mir leid. Ich glaube, ich bin keine sehr große Hilfe.“
„Das braucht dir nicht leidtun. Du kannst nichts dafür. Ich bin mir sicher, dass es dir irgendwann wieder einfallen wird. Dein Körper versucht es noch zu verdrängen, bis es dir wieder besser geht“, versucht er mich aufzubauen.
Ich wünschte, ich könnte seinen Optimismus teilen. Doch die Wahrheit sieht so aus, dass ich mir da nicht so sicher bin. Gerade sieht alles nur schwarz für mich aus. Es gibt keinen Mittelweg und ich muss zugeben, dass das ziemlich deprimierend ist.
Dennoch lächle ich ihn an, um ihm meine Unsicherheit nicht zu zeigen, und lasse mich langsam und zögerlich nach hinten sinken.