Читать книгу Iceman-Brothers - Sarah Glicker - Страница 5
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ОглавлениеValerie
Ich weiß, dass mein Chef gesagt hat, er will es die nächsten Tage beobachten und sich selber davon überzeugen, dass hier Drogen im Umlauf sind. Dies hat er ja mehr als deutlich betont. Doch das ändert nichts daran, dass ich diese Idee auch jetzt noch, einen Tag später, bescheuert finde. Ich bin und bleibe der Meinung, dass wir sofort die Polizei benachrichtigen sollten. Sie wissen, wie man in so einem Fall vorgeht und würden wahrscheinlich schneller etwas in Erfahrung bringen, als wir. Und gerade in diesem Fall sollte man nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen.
Dennoch tue ich es nicht. Und das nur aus dem Grund, weil ich ihm nicht in den Rücken fallen will. Außerdem sollte schon er es sein, der die Polizei verständigt. Ich bin der Meinung, dass es sonst ein merkwürdiges Licht auf die Schule und die Lehrerschaft werfen würde, wenn ich das mache. Dennoch behalte ich es mir vor, genau diesen Schritt zu machen, wenn es gar nicht anders geht.
„Fahrt“, rufe ich so laut aus meinem geöffneten Fenster heraus, dass ich mir sicher bin, dass der Fahrer vor mir es genau gehört hat.
Doch auch das ändert nichts daran, dass er anscheinend kein Stück daran denkt, seinen Wagen weiter fortzubewegen, obwohl er es könnte.
Als ich endlich einen freien Platz vor der Schule gefunden und geparkt habe, steige ich aus und gehe mit großen Schritten auf das Gebäude zu, um nicht zu spät zu kommen. Dabei frage ich mich unaufhörlich, ob seine Vorgehensweise wirklich die Richtige ist. Deswegen beschließe ich, dass ich noch einmal mit ihm sprechen werde. Allerdings muss das bis zur Pause warten.
Vielleicht habe ich ja Glück und ich kann ihn von der Idee abbringen.
Während des Unterrichts lasse ich die Tür des Klassenzimmers offenstehen. Ich habe die Hoffnung, dass durch Zufall jemand am Klassenzimmer vorbeigeht, der hier eigentlich nichts zu suchen hat. Doch leider werde ich enttäuscht. So wie es sein muss, wenn alle Schüler im Unterricht sind, herrscht auch jetzt Stille auf den Gängen der Schule. Und das ändert sich auch nicht, bis es zum Ende der Schule klingelt.
„Können wir uns kurz unterhalten?“, frage ich und strecke meinen Kopf in das Büro unseres Direktors.
Einen Moment sieht er hoch, während er die Unterlagen, die vor ihm auf dem Schreibtisch liegen, weiter sortiert.
„Was gibt es? Probleme mit einem Schüler?“
„Es geht um unser gestriges Gespräch“, beginne ich, trete ein und schließe die Tür hinter mir.
„Ich dachte, dass wir das bereits geklärt hätten.“ Gefaltet legt er seine Hände auf die Oberfläche seines Schreibtisches, während er mich aufmerksam ansieht.
Innerlich winde ich mich. Ich hasse es schon jetzt, dieses Gespräch führen zu müssen. Unter anderem auch deswegen, weil ich ihm nicht zu nahe treten will. Doch mir ist es wichtig, dass wir uns noch einmal darüber unterhalten. Irgendwie kommt es mir nämlich so vor, als würden wir den falschen Weg einschlagen. Und das gefällt mir nicht.
„Ich finde, wir sollten wirklich die Polizei benachrichtigen“, beginne ich unbeirrt.
Seufzend steht er auf und geht zum Fenster, um sich dagegen zu lehnen. Einige endlosen Sekunden sieht er mich einfach nur an. Ich hasse es, dass ich keine Ahnung habe, was in seinem Kopf vor sich geht. Dann wüsste ich nämlich, wie ich mich verhalten soll. Und das würde mir eindeutig besser gefallen. Zumindest würde ich mich nicht so hilflos fühlen, wenn ich wüsste, in welche Richtung unsere Unterhaltung geht. Doch so bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuwarten, was er als Nächstes von sich geben wird.
„Sind Sie sich sicher?“
Verständnislos verziehe ich ein wenig das Gesicht.
„Ich meine, sind Sie wirklich sicher, dass Sie genau das gehört haben, was Sie mir gesagt haben?“
Bis zu diesem Moment habe ich gedacht, dass er mir glauben würde. Doch gerade habe ich ernsthafte Zweifel daran. Schließlich würde er mich dann genau das nicht fragen.
„Ich bin doch nicht taub“, fahre ich ihn ungehalten an.
Mir ist egal, ob ich mich gerade respektlos verhalte oder sonst irgendetwas in dieser Weise. Er braucht mich nicht wie ein kleines Kind zu behandeln, nur um den guten Ruf seiner Schule zu wahren. Auch wenn er das nicht gesagt hat, so kommt es mir vor, als würde es nur darum gehen. Genauso müsste er aber auch wissen, dass er diesen Ruf erst Recht zerstört, wenn er nicht handelt oder erst zu spät.
Um meine Aussage zu unterstreichen, verengen sich meine Augen noch ein Stück.
„Ich will Ihnen damit nicht zu nahe treten. Aber wenn man unter Stress steht, können einem die Ohren schon einmal Streiche spielen. Das habe ich schon selber erlebt.“
„Unter Stress steht hier wahrscheinlich jeder. Schließlich fehlen uns gerade vier Lehrkräfte, für die wir mit einspringen müssen, damit nicht zu viele Stunden ausfallen. Aber das heißt nicht, dass ich so gestresst bin, dass ich mir so etwas passiert.“
Ich lasse keinen Zweifel daran, dass es wirklich so ist. Dabei erkenne ich jedoch, dass er nicht davon überzeugt ist. Das zeigt mir unter anderem sein skeptischer Gesichtsausdruck, mit dem er mich bedenkt.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, unterbricht er schließlich die Ruhe, die sich zwischen uns gebildet hat. „Wir werden uns heute noch umhören. Sollten wir etwas erfahren, und sollte es ein noch so kleiner Hinweis sein, bin ich der Erste, der bei der Polizei anruft“, verspricht er mir.
Ich gebe keinen Ton von mir, sondern nicke nur, auch wenn ich nicht sehr begeistert davon bin. Mir ist bewusst, dass ich mehr nicht von ihm herausholen kann. Doch das scheint ihm zu reichen, denn ein zufriedenes Lächeln erhellt sein Gesicht. Einen Moment sehe ich ihn noch an, ehe ich mich umdrehe.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verlasse ich sein Büro. Mit gesenktem Kopf entferne ich mich. Da ich nicht mehr auf meine Umgebung achte, stoße ich beinahe mit einer Kollegin zusammen, die gerade aus dem Lehrerzimmer kommt.
Mir ist bewusst, dass ich meine schlechte Laune nicht für mich behalten kann. Und das will ich auch überhaupt nicht, weswegen ich es gar nicht erst versuche.
Auch dieses Gespräch ist nicht so verlaufen, wie ich es gerne gehabt hätte. Langsam kommt es mir so vor, als würde er mich nicht ernst nehmen. Schließlich wird auch ihm klar sein, dass er es nicht ewig geheim halten kann, wenn es so sein sollte. Spätestens dann, wenn etwas passiert, wird es zu spät sein.
„Was ist denn mit dir los?“ Mit einem neugierigen Blick sieht sie mich an.
Einen Moment überlege ich, ob ich es ihr wirklich sagen kann. Doch dann entscheide ich mich dafür. Vielleicht habe ich Glück und sie hat etwas mitbekommen, was sie bis jetzt aber nicht groß beachtet hat. Auch wenn nicht, so kann sie auch die Augen und Ohren offen halten. Schaden kann es zumindest nicht.
Also berichte ich ihr in kurzen Sätzen von dem Gespräch, was ich belauscht habe. Doch kaum habe ich geendet, bricht sie in lautes Lachen aus.
„Was ist so lustig daran?“
„Ist das wirklich dein Ernst?“
„Sonst hätte ich es dir nicht erzählt.“
Ihre Reaktion macht mich wütend und das kann ich auch nicht für mich behalten.
„An dieser Schule passiert nichts und das weißt du. Ich habe schon an einigen gearbeitet, daher kann ich mit ruhigem Gewissen behaupten, dass diese hier so ziemlich die langweiligste Schule ist, die man sich vorstellen kann. Würde unser Footballteam zwischendurch nicht gewinnen, würden wir wahrscheinlich nicht einmal auffallen.“
Mit offenem Mund sehe ich sie an. Ich habe mir ja gedacht, dass sie glauben wird, ich würde einen Scherz machen, doch das habe ich nicht erwartet. Und dementsprechend weiß ich auch nicht, was ich darauf erwidern soll.
„Was?“, frage ich sie, da ich mir nicht sicher bin, ob ich sie richtig verstanden habe.
„Sag´ Bescheid, wenn du etwas herausgefunden hast.“
Mit diesen Worten schlägt sie mir freundschaftlich auf die Schulter und verschwindet, bevor ich noch etwas sagen kann.
Fassungslos sehe ich ihr nach. Bis jetzt kam es mir so vor, als würde unser Vorgesetzter schon verantwortungslos handeln. Aber ich muss sagen, dass die Reaktion meiner Kollegin noch extremer war. Er hat es wenigstens in Betracht gezogen.
Dabei weiß ich überhaupt nicht, wieso es so ungewöhnlich ist, dass es gerade an unserer Schule auch passiert. Schließlich weiß ich von Lehrern anderer Einrichtungen, dass sie damit auch nicht gerechnet haben. Dementsprechend bin ich also der Meinung, dass es jede Schule treffen kann.