Читать книгу Mafia Brothers - Sarah Glicker - Страница 11
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ОглавлениеRachel
Ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie gerne ich ihm die Wahrheit gesagt hätte. Die Worte lagen mir schon auf der Zunge und haben nur darauf gewartet, dass ich sie ausspreche.
Doch meine Entscheidung war richtig. Ich will ihn nicht mit in diese Geschichte reinziehen. Daher ist mir bewusst, dass ich mich von ihm fernhalten muss. Denn nur so habe ich eine Chance, ihn und mich auch in Sicherheit zu bringen.
Seufzend drehe ich mich auf den Rücken und starre an die Decke. Dabei versuche ich die Kopfschmerzen, die ich noch immer habe, irgendwie zu ignorieren.
Es ist egal, wie sehr ich es versuche, ich schaffe es einfach nicht zu schlafen. Schon seit drei Stunden liege ich in diesem Bett und versuche zur Ruhe zu kommen. Doch mir fehlt die innere Ruhe. Nach diesem Abend ist das aber wahrscheinlich normal. Allerdings spüre ich in jeder Faser meines Körpers auch die Schmerzen, die sich gebildet haben. Vor allem die Schwellung in meinem Gesicht sorgt dafür, dass ich kaum noch klar denken kann.
In dem Moment, in dem ich meine Augen erneut schließe, dringt der schrille Ton meiner Türklingel durch die Wohnung. Augenblicklich spanne ich mich an und mein Herz beginnt zu rasen. Als ich mich endlich wieder etwas beruhigen konnte, werfe ich einen prüfenden Blick auf das Display meines Handys.
Es ist vier Uhr morgens und das gefällt mir überhaupt nicht. Es gibt nur eine Person, die um diese Uhrzeit hier auftauchen würde. Und diese Person will ich jetzt und auch die nächsten Tage, eigentlich überhaupt nicht sehen. Dieses Wissen sorgt dafür, dass ich mich automatisch anspanne. Mir wird schlecht. Daher bin ich nicht in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Es dauert einige Sekunden, bis es erneut klingelt. Ein ungutes Gefühl erfasst mich, während ich vorsichtig aufstehe. Langsam stehe ich auf und gehe durch den Flur auf die Tür zu. Ich versuche mir soviel Zeit wie möglich zu lassen. Doch wenn ich es übertreibe, wird er noch ungehaltener werden, sobald er vor mir steht. In diesem Punkt bin ich mir deswegen so sicher, weil ich es schon mitgemacht habe. Es gibt Dinge im Leben, die vergisst man nicht. Und das gehört eindeutig dazu.
Als ich seine energischen Schritte höre, die durch das Treppenhaus hallen, weiß ich, dass etwas passiert sein muss. Etwas, was ihm nicht gefällt und für das er mir nun die Schuld gibt.
Augenblicklich beginnt mein Körper zu zittern und in meinem Hals bildet sich ein Kloß. Angst breitet sich in mir aus, die ich nicht mehr zur Seite schieben kann.
Als ich den wütenden Gesichtsausdruck erkenne, den er aufgesetzt hat, mache ich automatisch einen Schritt nach hinten, um Abstand zwischen uns zu bringen. Doch ich weiß, dass ich ihm so auch nicht entkommen kann, wenn er es auf mich abgesehen hat.
Mein Bruder nähert sich rasch und lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht gut auf mich zu sprechen ist. Würden Blicke töten können, würde er jetzt genau das tun.
Wie von alleine schießt mir die Frage durch den Kopf, was ich angestellt haben kann. Dabei komme ich nicht drum herum, mich zu fühlen, als wäre ich noch ein kleines Kind. Doch in seiner Gegenwart habe ich nicht den Eindruck, als wäre ich eine erwachsene Frau.
Das Einzige, was mir schlagartig in den Sinn kommt, ist sein Geschäftspartner. In mir macht sich die Befürchtung, dass er mit ihm gesprochen hat und mein Bruder sich nun rächen will, da ich mich nicht so benommen habe, wie man es von mir erwartet hat. Und das ist etwas, was mir überhaupt nicht gefällt.
Noch mehr Prellungen und Verletzungen kann ich nicht gebrauchen. Doch genau darauf wird es hinauslaufen, wenn Jason mit mir fertig ist.
Es gefällt meinem Bruder nicht, wenn ich nicht das mache, was seine Geschäftspartner von mir wollen. Oft genug hat er mir zu verstehen gegeben, was passieren wird, wenn sich jemand über mich beschwert.
Doch ich habe es getan. Ich habe mich sogar erneut schlagen lassen, was man an meinem Gesicht auch genau erkennen kann.
Ich habe alles über mich ergehen lassen!
„Du kleines Miststück“, zischt er, während er die Tür hinter sich schließt.
In der nächsten Sekunde greift er nach meinen Haaren und reißt sie schnell nach hinten, sodass mein Kopf beinahe gegen die Wand dahinter knallt. Ich verziehe vor Schmerzen das Gesicht und wimmere. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken während ich überlege, was passiert ist. Doch beim besten Willen, ich weiß es nicht.
Es dauert einen Moment, bis ich mich wieder einigermaßen gefangen habe.
„Was ist los?“, frage ich ihn, wobei ich bereits Tränen in den Augen habe.
Mein Bruder drängt mich weiter nach hinten. Dabei lässt er mich nicht los und wendet sich auch nicht von mir ab.
Er drückt mich gegen die Wand und sieht mich böse an.
„Ich werde dich jetzt nur ein einziges Mal fragen und du wirst mir die Wahrheit sagen. Sonst werde ich dich an die Fische verfüttern. Und du kannst mir glauben, dass ich es ernst meine.“
Panik macht sich in mir breit, als seine Augen mich vergnügt anfunkeln. Ich habe meinen Bruder schon einige Mal wütend gesehen. Allerdings merke ich, dass es dieses Mal anders ist und das gefällt mir überhaupt nicht. Ich kann ihn nicht einschätzen, was ich aber muss, wenn ich mich mit ihm unterhalte. Nur so habe ich wenigstens eine kleine Chance, dieses Gespräch schnell hinter mich zu bringen.
Als Antwort nicke ich nur, da ich gerade keinen Ton herausbekomme.
„Was ist an diesem Abend zwischen Manuel und dir passiert?“
Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Doch ich habe keine Ahnung, worauf er hinaus will.
„Nichts“, flüstere ich ängstlich.
Ob es die richtige Antwort ist, kann ich nicht sagen, doch es ist die Wahrheit und mit der muss er zurechtkommen.
„Und wieso ist er jetzt tot?“
Scharf ziehe ich die Luft ein, als seine Worte den dichten Nebel durchdringen, der mich umgibt. Ich verstehe, was sie bedeuten, dennoch kommt es mir so vor, als würde er sich einen Scherz erlauben.
Er ist tot?
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, während ich die wenigen Minuten, wenn überhaupt war es nur eine halbe Stunde, noch einmal durchgehe, in der ich bei ihm war. Doch ich kann mich an nichts erinnern, was seine Frage nun beantworten würde. Mir ist nichts aufgefallen und es schien ihm auch nicht schlecht zu gehen.
Klar, ich kenne ihn nicht und kann es daher nicht einschätzen, doch mein Menschenverstand sagt mir, dass alles in Ordnung war.
„Ich … weiß … es nicht“, stammle ich schließlich.
Ich sehe ihm an, dass es ihm nicht gefällt, was ich von mir gebe.
„Du willst mir also sagen, dass du keine Ahnung hast? Du warst anscheinend die letzte Person, die ihn lebend gesehen hat. Ich habe auf einen Anruf von ihm gewartet. Als dieser nicht kam, habe ich ihn aufgesucht.“
Erneut nicke ich nur.
Die nächsten Sekunden kommen mir so vor, als würden sie eine Ewigkeit dauern. Ich versuche mir die passenden Worte zurechtzulegen, die ich von mir geben kann, doch da ist nichts. In meinem Kopf befindet sich eine Leere, die ich so noch nie gespürt habe. Und eigentlich habe ich gehofft, dass dies auch niemals der Fall sein wird.
„Sollte ich erfahren, dass du doch etwas damit zu tun hast, werde ich dich umbringen“, knurrt er wütend. „Denn dann hast du dafür gesorgt, dass mir eine Menge Geld verloren geht.“
Diese Drohung sorgt dafür, dass ich mich nicht mehr bewegen kann. Ich bin in eine Schockstarre verfallen, aus der ich nicht mehr herauskomme.
In der nächsten Sekunde spüre ich, wie ich auf dem Boden lande. Dabei wird mir schwarz vor Augen und dann merke ich, wie ich mein Bewusstsein verliere.
Als ich wach werde, habe ich so extreme Kopfschmerzen, dass ich mich im ersten Moment kaum bewegen kann. Mir ist schlecht und schwindelig.
Es dauert eine Ewigkeit, bis ich in der Lage bin, meine Augen zu öffnen und mich wenigstens ein Stück zu bewegen. Als ich jedoch merke, dass sich der Schmerz überall meldet, bleibe ich reglos liegen. Ich versuche sie irgendwie zu kontrollieren, sodass ich mich wenigstens aufrichten kann. Doch es gelingt mir nicht.
Erst, als ich wieder in der Lage bin, meine Augen wenigstens ein Stück zu öffnen, merke ich, dass ich im Flur auf dem Boden liege. Und das ist der Moment, in dem langsam meine Erinnerungen wiederkommen.
Vorsichtig versuche ich aufzustehen und mich dabei nicht auf meine Schmerzen zu konzentrieren.
Es dauert nochmal so lange, bis ich mich endlich auf meinen Beinen halten kann. Dabei lehne ich mich zwar an der Wand an, damit ich das Gleichgewicht nicht verliere, aber das ist gerade egal. Mit der Hand taste ich nach meiner Stirn, an der ich sofort Blut spüren kann.
Ich brauche mich nicht im Spiegel anzusehen um zu wissen, dass dies wieder eine neue Wunde ist. Außerdem weiß ich, dass ich so definitiv nicht zur Arbeit gehen werde. Jeder würde mich sofort fragen, was passiert ist und ich bin nicht bereit, diese Frage zu beantworten.
Weder jetzt noch sonst irgendwann.
Als ich endlich in meinem Schlafzimmer angekommen bin, werfe ich einen Blick auf mein Handy, um die Uhrzeit zu überprüfen. Dabei werde ich auf eine Nachricht aufmerksam, deren Absender ich nicht kenne. Beziehungsweise, ich habe die Nummer nicht eingespeichert. Nachdem ich sie jedoch gelesen habe, weiß ich genau, von wem sie ist.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns heute Abend zum Essen treffen. Ich kann auch zu dir kommen, oder du zu mir, wenn dir das lieber ist.
Ich lese die Nachricht noch ein weiteres Mal. Doch selbst dann weiß ich nicht, wie ich darauf reagieren soll.
Klar, die logische Antwort darauf wäre nein. Doch ein kleiner Teil, oder etwas größerer, würde sich gerne mit ihm treffen. Er hat es schließlich gestern geschafft, dass ich nicht mehr an die Verabredung mit Manuel denke. Und auch meine Schmerzen sind in seiner Gegenwart verschwunden. Dabei haben wir uns nur oberflächlich unterhalten.
Doch ich weiß, dass ich das nicht tun kann. Und schon gar nicht in dem Zustand, in dem ich mich gerade befinde. Er würde wissen, dass ich ihn gestern angelogen habe und mich erneut darauf ansprechen. Gott weiß, wie gerne ich ihm die Wahrheit sagen würde. Ich möchte mich ihm anvertrauen und ihn wie ein Schutzschild vor mir halten. Doch mir ist bewusst, dass das nicht fair wäre.
Die nächsten Tage werde ich mich in meiner Wohnung einschließen und niemandem unter die Augen treten.
Ich habe heute viel zu tun. Ein anderes Mal würde ich mich gerne mit dir treffen.
Es fällt mir schwer, diese Worte zu schreiben. Doch ich weiß, dass es das Richtige ist.