Читать книгу Mafia Brothers - Sarah Glicker - Страница 9
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ОглавлениеRachel
In dem Moment, in dem mir bewusst wird, dass er mein kaputtes Gesicht sieht, wende ich mich von ihm ab. Ich senke meinen Kopf ein Stück, sodass mir wieder die Haare ins Gesicht hängen. Dennoch bin ich mir darüber bewusst, dass er meine Wunden gesehen hat.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass er das mitbekommt. Um genau zu sein habe ich überhaupt nicht geplant, dass mich in den nächsten Tagen jemand zu Gesicht bekommt. Weder er, noch sonst irgendwer.
Und dementsprechend habe ich auch keine Ahnung, wie ich mich nun verhalten soll.
Meine erste Reaktion besteht darin, dass ich einen Schritt nach hinten mache und so etwas Abstand zwischen uns bringe. Dann konzentriere ich mich auf etwas anderes.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Ich versuche eine Lösung für das Problem zu finden, auf das ich mit großen Schritten zusteuere. Doch es ist egal, wie sehr ich mir darüber den Kopf zerbreche, ich habe keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll.
„Wer war das?“, fragt er noch einmal.
Dieses Mal legt er jedoch eine Stimme an den Tag, die mir klarmacht, dass ich ihm nicht ausweichen kann. Sie ist energisch und fest. Er will eine Antwort auf seine Frage haben und wird erst Ruhe geben, wenn er sie auch hat.
Doch es ändert nichts an der Tatsache, dass ich nicht darüber sprechen werde. Weder jetzt, noch sonst irgendwann. Und dabei ist es mir auch egal, dass Cody vor mir steht.
„Es tut mir leid“, flüstere ich und mache Anstalten, an ihm vorbeizugehen.
Bevor ich das machen kann, greift er jedoch nach meinem Arm und hindert mich so daran. Seine Berührung ist sanft, gibt er mir zu verstehen, dass er mich nicht einfach gehen lassen wird.
„Rachel“, sagt er meinen Namen mit einem strengen Blick. Auf diese Weise unterstreicht er noch einmal meine Vermutung. „Rede mit mir.“
„Ich hatte einen Unfall“, gebe ich nur zurück.
Seine Berührung sorgt dafür, dass sich Wärme und Ruhe in mir ausbreitet. Es sind zwei Gefühle, die ich das letzte Mal vor fünf Jahren gespürt habe. Und vor allem habe ich sie nicht mehr wahrgenommen, seitdem ich keinen Kontakt mehr zu ihm hatte.
Von einem Tag auf den anderen waren diese Empfindungen einfach verschwunden, genauso wie er plötzlich nicht mehr in meinem Leben war.
Doch nun treffen sie mich mit voller Wucht. Es ist genauso, wie damals. Ich weiß nicht, ob es mich beunruhigen soll, oder nicht. Doch ich weiß, dass es sich richtig anfühlt. Und das ist auch der Grund dafür, dass ich mich ihm nicht entziehe.
Langsam hebe ich meinen Blick und sehe in seine Augen. Dies ist der Moment, in dem ich weiß, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Es sind nicht die gleichen wie in den letzten Jahren, sie sind ihm dennoch da.
Ich kann ihm nicht entkommen und das Einzige, was mir jetzt noch übrig bleibt, ist die Hoffnung, dass ich wenigstens dieses Mal mein Herz vor ihm schützen kann.
Beim letzten Mal ist es mir nicht gelungen. Als er dann aus meinem Leben verschwunden ist, hat es mir das Herz gebrochen.
„Mir geht es gut“, erkläre ich ihm noch und gehe dann ins Wohnzimmer.
Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich höre, dass er mir folgt. Mir ist bewusst, dass er es nicht einfach so stehen lassen wird. Doch ich habe keine Ahnung, was ich noch dazu sagen soll.
„Rachel, du kannst mit mir reden“, beschwört er mich.
Mein Herz schlägt wie verrückt, während ich darüber nachdenke, was ich am besten sagen soll. Ich will und kann es ihm nicht sagen. Dann würde ich ihn mit in diese Geschichte hineinziehen. Das wollte ich damals schon nicht und auch jetzt will ich es nicht. Ganz davon abgesehen kommt er gerade aus dem Gefängnis, da hat er sicherlich anderes zu tun, als seine Ex-Geliebte zu beschützen.
„Es ist wirklich nichts“, wiegle ich ab.
Ich versuche so genervt wie möglich zu klingen. Allerdings bin ich mir darüber bewusst, dass es mir nicht so gut gelingt, wie ich es gerne hätte. Und das zeigt er mir auch, als ich den skeptischen Blick erkenne, der sich auf seinen Gesichtszügen gebildet hat.
Er kennt mich zu gut.
„Mir ist einer in die Seite gefahren und mein Wagen ist vor einem Baum gelandet“, starte ich einen weiteren Versuch. Allerdings merke sogar ich, dass dieser eher halbherzig ist.
„Entweder liegt es daran, dass du einfach eine schlechte Schauspielerin bist, oder ich kenne dich zu gut“, stellt er nun fest.
Sein durchdringender Blick trifft mich. Beinahe ist es so, als würde er auf diese Weise herausfinden wollen, was ich ihm verheimliche.
„Ich kann es dir nicht sagen“, flüstere ich schließlich, als ich es nicht mehr aushalte.
Einige Sekunden, die mir eindeutig länger vorkommen, ist es ruhig zwischen uns. Nur der Lärm der Straße dringt durch das geöffnete Fenster in meine Wohnung.
Innerlich werde ich immer unruhiger, je länger diese Stille andauert. Ich hasse es, wenn er mich so ansieht.
Schließlich erkenne ich im Augenwinkel, dass er sich mir langsam nähert. Ich mache mich schon auf die nächste Diskussion gefasst, als er vor mir stehen bleibt und mich an sich zieht.
Sofort entspanne ich mich, als ich seine Wärme an meiner Haut spüre. Er schafft es, mir eine große Last von den Schultern zu nehmen und ich weiß nicht, ob ihm das bewusst ist. Doch in diesem Moment ist das egal. Genauso wie es mir egal ist, was gerade in meinem Leben los ist und das es eigentlich falsch ist, dass ich ihn wieder an mich ran lasse.
Gerade zählt nur für mich, dass er da ist und ich mir wenigstens ein einziges Mal keine Sorgen machen muss.
„Ich verspreche dir, dass dir nichts mehr passieren wird“, raunt er mir so leise ins Ohr, dass ich ihn kaum verstehen kann, dennoch bin ich mir sicher, dass ich ihn richtig verstanden habe.
Und für einen winzigen Moment habe ich das erste Mal seit Jahren Hoffnung.