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Cody

Es fehlt nicht mehr viel und ich verliere meine Nerven. Ich war noch nie für meine Ruhe bekannt, doch zu wissen, dass Rachel etwas in den letzten Jahren passiert ist, macht es nicht besser.

Meine Muskeln sind angespannt, sodass es mir selber schon fast vorkommt, als würden sie gleich reißen.

Ich bin wütend und gerade fällt es mir schwer, diese Wut für mich zu behalten. Je länger ich keine Ahnung habe, was hier gespielt wird, umso schlimmer ist es.

Ich sehe Rachel auf eine Weise an, die ihr klar zu verstehen gibt, dass ich es ernst meine. Ich werde erst dann nachgeben, wenn sie mir die Wahrheit gesagt hat. Doch genauso erkenne ich, dass sie es eigentlich nicht für sich behalten will. Sie will sich mir anvertrauen und mir sagen, woher ihre ganzen Verletzungen kommen. Und das ist der Punkt, bei dem ich ansetzen muss.

Zuerst muss ich mich aber wieder unter Kontrolle bekommen. Mir ist nämlich bewusst, dass ich keinen Schritt weiterkomme, wenn ich kurz davor stehe, auf irgendetwas einzuschlagen.

„Ich will dir helfen“, sage ich und sehe sie abwartend an. Sie soll wissen, dass sie das Tempo bestimmt. Dabei ist es egal, wie es mir eigentlich geht. Doch hier geht es um sie und nicht um mich. „Das kann ich aber nur, wenn du mir sagst, was hier los ist. Du weißt, dass ich dich beschützen werde.“

Ich erkenne den Kampf in ihren Augen. Ihr fällt es nicht leicht, die Worte für sich zu behalten. Um es ihr noch schwerer zu machen, mache ich einen Schritt auf sie zu und verringere den Abstand zwischen uns.

Vor meiner Verhaftung habe ich es jedes Mal geschafft, sie so aus ihrem Gleichgewicht zu ziehen. Und ich hoffe, dass es auch dieses Mal so ist.

Allerdings brauche ich nur einen Blick in ihr Gesicht zu werfen um zu wissen, dass meine Wirkung sie nicht verfehlt.

„Es geht schon seit Jahren so“, flüstert sie schließlich. Dabei sieht sie an mir vorbei.

Doch darum kümmere ich mich jetzt nicht. Ich bin zu sehr darauf bedacht, sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen.

„Seit wann?“, frage ich sie und will sie so dazu bewegen, weiterzureden. „Und was meinst du?“

Einige Sekunden ist es still, bevor sie endlich tief Luft holt.

„Lange, bevor du ins Gefängnis gekommen bist. Aber erst, nachdem wir uns kennengelernt haben.“

Ihre Worte bewegen mich dazu, dass ich mich gerade frage, ob ich wirklich so blind war, dass ich nie etwas mitbekommen habe. Doch es ist besser, wenn ich mich gerade nicht damit beschäftige. Es würde wahrscheinlich nur das Licht darauf werfen, dass ich sie als selbstverständlich angesehen habe.

Und das weiß ich auch so!

Stattdessen ziehe ich sie an mich und streiche ihr eine Träne aus dem Gesicht.

„Sage mir, wer dir das angetan hat“, fordere ich sie flüsternd auf. Was ich dann mit demjenigen machen werde, behalte ich besser für mich.

Langsam hebt sie ihren Kopf und sieht mich aus verweinten Augen an.

„Sobald meinem Bruder nicht gefällt, was ich mache oder sage, geht er auf mich los. Dies war allerdings nicht mein Bruder, zumindest nicht nur.“

Mit diesen Worten zeigt sie auf ihr Gesicht, nachdem sie sich ein Stück von mir entfernt hat. Mir liegen die Worte auf der Zunge, dass ich weiß, wer es auch war und er bereits dafür bezahlt hat. Doch ich verkneife es mir, sie auszusprechen.

Ich bin mir sicher, dass es sie noch mehr verunsichern würde und das will ich vermeiden. Irgendwann werde ich es ihr sagen. Allerdings will ich, dass es ihr dann endlich wieder besser geht und ich mir keine Sorgen mehr darum machen muss, dass sie jeden Augenblick zusammenbricht.

„Ich soll mich um seine Geschäftspartner kümmern und ihnen ein paar schöne Stunden bereiten. Im Gegenzug sorgen sie dafür, dass er das bekommt, was er will. Was das ist, weiß ich jedoch nicht. Aber nicht nur ich bin davon betroffen, sondern auch noch ein paar andere Frauen. Er hat uns in seiner Gewalt.“

Mir gefällt es nicht, was sie dort erzählt. Doch dank meines Jobs bin ich in der Lage, meine Gefühle für mich zu behalten. Das ändert aber nichts daran, dass ich mir vornehme, bei der nächsten Gelegenheit meine Brüder darauf anzusetzen.

„Wieso gehst du nicht zur Polizei?“

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort darauf wirklich wissen will. Doch dies ist es, was man in dieser Situation machen würde.

„Würde ich zur Polizei gehen, würde ich schneller unter der Erde liegen und den Frauen Gesellschaft leisten, die das schon getan haben, als es mir lieb ist. Sobald ich nur daran denke, weiß er es.“

Die Worte kommen ihr so leicht über die Lippen, dass es mich ein wenig erschreckt. Doch auch das behalte ich für mich.

In diesem Moment nehme ich mir vor, dass ich mir ihren Bruder zur Brust nehmen werde. Ich habe zwar keine Schwester, doch hätte ich eine, würde ich sie beschützen und sie nicht zum Anschaffen schicken. Und wenn man es genau nimmt, hat er genau das gemacht.

Bis jetzt ist er mir nur ein paar Mal über den Weg gelaufen. Das reicht aber aus, dass ich sagen kann, dass ich ihn noch nie mochte. Ich habe nie eine ernsthafte Unterhaltung mit ihm geführt. Wenn er mir mal über den Weg gelaufen ist, habe ich ihm gezeigt, was ich von ihm halte.

Jason ist ein Arschloch, anders kann man ihn nicht bezeichnen. Ein Möchtegern-Gangster, der eindeutig zu viel auf sich hält und meint, dass er genau weiß, wie die Geschäfte laufen – was er eindeutig nicht weiß. Doch bis jetzt stand er noch nicht meiner Liste, da ich ihn nie ernst genommen habe. Dies hat sich nun allerdings geändert. Die wenigen Worte von Rachel haben dafür gesorgt, dass er nun ganz oben steht.

Schweigend halte ich sie fest und gebe ihr die Ruhe, die sie gerade braucht, um nicht auch noch die restlichen Nerven zu verlieren. Eine Ewigkeit stehen wir so in der Küche. Doch schließlich trenne ich mich von ihr und sehe sie eindringlich an.

„Ich verspreche dir, dass er dir nichts mehr tun wird. Ich werde nicht zulassen, dass er dies noch einmal machen kann.“

Mit diesen Worten drehe ich sie herum und schiebe sie vor mir her, bis wir das Sofa im Wohnzimmer erreicht haben. Dort setze ich sie in die dicken Kissen und ziehe mein Handy aus der Hosentasche.

Um diesen Wichser werde ich mich später kümmern. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er sich wünschen, dass er mir niemals über den Weg gelaufen und er niemals auf so eine schwachsinnige Idee gekommen wäre. Und vor allem wird er sich wünschen, dass er es niemals auf Rachel abgesehen hätte. Jetzt steht sie für mich allerdings an erster Stelle.

Ich bestelle eine Pizza und den restlichen Tag verbringen wir auf dem Sofa. Ein wenig ist es so wie früher. Da haben wir gerne das ganze Wochenende in diesen Kissen verbracht und einfach gekuschelt – auch wenn man das bei mir kaum glauben kann.

Nun streiche ich ihr immer wieder über den Rücken, ihren Bauch, ihre Schultern und die Wunden in ihrem Gesicht. Am Anfang zuckt sie noch zusammen. Als sie nach einigen Sekunden endlich merkt, dass ich ihr nicht weh tun will, entspannt sie sich und schließt die Augen.

Doch nicht nur ich gebe ihr Ruhe. Sie mir auch. Ihren Atem an meiner Haut zu spüren, und zu wissen, dass ihr Kopf auf der Stelle liegt, unter der mein Herz schlägt, setzt etwas in mir frei. Ich kann es nicht in Worte fassen, doch es ist da und mehr zählt gerade nicht für mich.

Es ist schon spät, als ich mich auf den Weg mache. Dies mache ich allerdings nur widerwillig. Ich will sie nicht alleine lassen, doch ich muss dieses Thema zu Ende führen und Jason zeigen, dass ihr Mann wieder in der Stadt ist.

Allerdings werde ich sie nicht ohne Schutz lassen. Mit Sicherheit gehe ich nicht das Risiko ein, dass etwas in der Zeit passiert, in der ich nicht da bin. Ich werde einen meiner Männer damit beauftragen, sie zu beschützen und wenn nötig ihrem Bruder eine Kugel in den Kopf zu jagen.

Auch wenn ich das am liebsten machen würde!

„Was gibt es?“, erkundigt sich Taylor, nachdem er das Gespräch entgegengenommen hat.

In kurzen Sätzen berichte ich ihm davon, was ich selber erst vor ein paar Stunden erfahren habe. Dabei muss ich mich anstrengen, damit ich nicht ausraste. Doch ich bin mir sicher, dass mein Bruder sich das bereits denken kann.

„Ich werde versuchen seinen Aufenthaltsort herauszufinden“, erklärt dieser.

„Ich warte hier, bis einer der Männer da ist. Ich will nicht, dass sie auch nur eine Sekunde ohne jemanden ist, der im Notfall eingreifen kann.“

Ich knurre die Worte mehr, als dass ich sie wirklich ausspreche. Doch ich bin sauer und ich will es auch nicht für mich behalten. Alleine der Gedanke daran, dass dieser Mann Hand an meine Frau gelegt hat, lässt mich rot sehen.

Und wenn man es genau nimmt, ist sie genau das. Meine Frau!

Damals hatte ich nicht den Mut, es ihr zu sagen, da ich ihre Welt nicht aus den Fugen bringen wollte. Doch dieses Mal werde ich sie nicht gehen lassen. Ich werde nicht eine Sekunde Zweifel in ihr aufkommen lassen.

Nicht dieses Mal!

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