Читать книгу Second Chance For Love - Sarah Glicker - Страница 4
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ОглавлениеVerschlafen blicke ich auf die Uhr, nachdem ich meine Augen aufgeschlagen habe.
Sieben Uhr.
Während ich die Decke über meinen Kopf ziehe, stöhne ich laut auf. Aber sosehr ich es mir auch wünsche, ich kann nicht mehr schlafen.
Heute ist der erste Tag der Semesterferien. Eigentlich wollte ich ausschlafen, aber aus irgendeinem Grund bin ich jetzt schon wach. Kurz spitze ich meine Ohren, aber im Haus ist noch alles ruhig. Meine Eltern sind schon unterwegs und mein älterer Bruder Mike liegt wahrscheinlich noch von seiner gestrigen Party im Koma.
Falls er überhaupt nach Hause gekommen ist.
Ich habe gerade das erste Jahr meines Informatik-Studiums beendet, während für Mike nach den Ferien das letzte Jahr beginnen wird. Eigentlich wollte ich nicht studieren, aber meine Eltern haben mir so lange in den Ohren gelegen und als Begründung angeführt, dass ja sogar Mike aufs College gehen würde, bis ich schließlich nachgegeben habe.
Dabei weiß ich ganz genau, wieso Mike studiert. Für ihn ist es nur eine Möglichkeit, noch ein paar Freiheiten zu genießen, bevor er ins Berufsleben startet. Und zu diesen Freiheiten gehören auf jeden Fall Partys und Frauen. Obwohl ich nicht so oft feiern gehe wie er, haben wir trotzdem ein super Verhältnis. In den letzten Jahren hat er mir mehr als einmal bewiesen, dass ich mich auf ihn verlassen kann.
Seufzend schlage ich nun die Decke zur Seite und verlasse das Bett. Mit wenigen Schritten habe ich mein kleines Zimmer durchquert und die Tür geöffnet. Als ich den Flur betrete, werde ich von der Ruhe des Hauses empfangen. Zügig gehe ich weiter ins Badezimmer, um mich fertig zu machen.
Eine Stunde später stehe ich in der Küche und schlürfe meinen Kaffee. Das Klingeln meines Handys lässt mich erschrocken zusammenfahren.
„Ja?“, frage ich, nachdem ich abgenommen habe, ohne einen Blick auf das Display zu werfen.
„Guten Morgen, Süße! Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt“, ertönt die gut gelaunte Stimme meiner besten Freundin Joleen.
„Hast du nicht.“
„Wie wäre es mit Frühstück?“, erkundigt sie sich nun.
„In einer halben Stunde bei Johnson?“
Das Johnson ist ein kleines und gemütliches Café, in dem man super frühstücken kann. Da es nicht direkt am Strip liegt, verirren sich nicht so viele Touristen dorthin, weshalb der Laden nicht so überfüllt ist. In den letzten Jahren ist sie unser Stammlokal geworden.
„Wir sehen uns!“
Mit diesen Worten legt sie wieder auf. Schnell trinke ich meinen Kaffee aus und schnappe mir beim Verlassen des Hauses meine Tasche und die Autoschlüssel.
Draußen begrüßt mich die Sonne. Es verspricht ein schöner Tag zu werden, aber da wir hier mitten in der Wüste sind, ist fast jeder Tag so. Die Luft ist warm, typisch für Las Vegas.
In dieser Stadt wurde ich geboren. Obwohl mich nicht nur schöne Momente mit ihr verbinden, liebe ich sie. Trotzdem möchte ich nicht den Rest meines Lebens hier verbringen. Früher habe ich mir immer ausgemalt, wie ich die Welt entdecke. Mittlerweile denke ich jedoch etwas anders darüber. Ich will zwar immer noch so viel wie möglich reisen, aber dabei den Ort finden, an den ich gehöre.
Während der Autofahrt entdecke ich immer wieder Touristen. Da sie so viel wie möglich von der Stadt der Sünde sehen möchten, sind sie schon sehr früh unterwegs.
Wenige Minuten später finde ich einen freien Parkplatz, der nicht weit entfernt ist. Während ich aussteige und den Wagen abschließe, laufen ein paar Kumpel meines Exfreundes Cole an mir vorbei. Erleichtert atme ich auf, als sie einfach vorübergehen, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Kurz frage ich mich, ob sie mich überhaupt erkannt haben, aber selbst wenn nicht, würde mich das nicht stören.
Bei der Erinnerung an ihn und somit auch an das Ende unserer Beziehung bekomme ich Magenschmerzen. Bevor dieser Mann mir aber den Tag versauen kann, schiebe ich diese Gedanken beiseite und betrete das Café.
Es ist gemütlich eingerichtet. An den Wänden hängen Bilder und Regale, auf denen Bücher stehen, welche die Gäste lesen können. Die Tische erinnern an normale Küchentische, mit ihren Bänken davor. Es ist in verschiedenen Brauntönen gehalten, sodass alles farblich perfekt zueinanderpasst.
Joleen sitzt schon in der hintersten Ecke und winkt mir zu.
„Hi“, begrüßt sie mich, als ich an den Tisch trete und mich auf die Bank sitzen lasse. „Wie kommt´s, dass du schon so früh wach bist?“
„Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich konnte nicht mehr einschlafen, obwohl ich gerne noch etwas gedöst hätte.“
Meine Schultern bewegen sich ein Stück nach oben, um dann wieder nach unten zu sinken.
„Dein Pech, mein Glück“, erwidert sie.
Im Gegensatz zu mir ist Joleen eine Frühaufsteherin. An manchen Tagen steht sie schon auf, bevor die Sonne aufgegangen ist. Ich habe keine Ahnung, was sie zu diesen Uhrzeiten schon macht, habe sie aber auch noch nie danach gefragt.
Nachdem die Bedienung mir eine Tasse Kaffee gebracht hat, lasse ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Familien und Paare haben sich an den Tischen verteilt. Kinder lachen und Männer legen die Arme um ihre Frauen oder Freundinnen.
Bei diesem Anblick zieht sich mein Bauch zusammen, aber ich lasse es mir nicht anmerken. Ich will nicht, dass Joleen den Eindruck bekommt, dass ich Cole vermisse. Denn das ist das Letzte, was ich tue.
„Hast du es schon gehört?“
Joleen sieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Als ich sie betrachte, erkenne ich ihren vorsichtigen Blick.
„Was denn?“, frage ich sie und hebe dabei meine Augenbrauen ein Stück nach oben.
„Cole hat Heather nach nur vier Monaten Beziehung schon einen Heiratsantrag gemacht.“
Bei dieser Information bekomme ich große Augen, da ich damit nicht gerechnet habe.
„Freut mich für sie“, gebe ich nur zurück, da ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll.
Ich kann Joleen ja schlecht verraten, dass die beiden nicht erst seit vier Monaten zusammen sind. Denn dann müsste ich ihr auch alles andere erzählen, und das will ich auf keinen Fall. Niemand kennt den wahren Grund für unsere Trennung. Und so soll es auch bleiben.
Überrascht schaut Joleen mich an.
„Ich freue mich wirklich für die beiden. Zwei Spinner haben sich gefunden.“
Bei diesen Worten wackle ich mit den Augenbrauen und stehe auf, um mir Pfannkuchen vom Büfett zu holen.
„Du hättest deinen Bruder gestern Abend sehen sollen“, fängt sie mit etwas anderem an, als ich zu meinem Platz zurückkehre. „Er war so betrunken, dass er nicht einmal mehr geradeaus laufen konnte.“
„Du warst also auch auf der Party“, stelle ich ausdruckslos fest.
„Sonst hätte ich nicht erfahren, dass die beiden heiraten wollen.“
Joleen zuckt mit den Schultern und schneidet sich ein Stück ihres Omeletts ab.
„Das habe ich nicht böse gemeint“, entschuldige ich mich, da ich ihren etwas schärferen Ton durchaus herausgehört habe.
„Ich weiß“, murmelt sie. „Ich glaube, dass einer seiner Jungs ihn nach Hause gebracht hat.“
Den Rest des Frühstücks verbringen wir lachend. Ich bin mir sicher, hätte sie mir die Nachricht von der Verlobung am Telefon übermittelt, wäre ich ausgerastet. Aber nicht, weil ich ihn noch liebe. Mittlerweile glaube ich sogar, dass ich ihn nie richtig geliebt habe. Sondern weil ich insgeheim gehofft hatte, dass er das Gleiche wie mit mir auch mit ihr abziehen würde. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Zwei Stunden später bezahlen wir und verlassen das Café. In dem Moment, in dem ich in Gedanken versunken den Gehweg betrete, pralle ich gegen etwas Großes und werde beinahe umgeworfen.
Starke Hände greifen nach mir und bewahren mich so vor einem unschönen Fall auf die Pflastersteine. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich mich wieder gesammelt habe. Als ich meinen Kopf ein Stück hebe, schaue ich in strahlend blaue Augen, die ich kenne. Überall würde ich sie erkennen.
Sean, schießt es mir durch den Kopf, als ich meinen Blick klarstelle und sein Gesicht betrachte.
Da er fast zwei Köpfe größer ist als ich, schaut er auf mich hinab. Langsam lasse ich meine Augen an ihm hinunterwandern. Auf seinen muskulösen Armen erkenne ich verschiedene Tattoos, die er damals noch nicht hatte. Er trägt ein Muskelshirt, durch das man seine trainierte Brust erkennen kann. Außerdem mache ich auch dort die Ansätze von Tattoos aus. Seine Haare sind durcheinandergewirbelt, was ihm den Anschein gibt, er wäre gerade erst aufgestanden.
Mein Mund wird bei seinem Anblick trocken und mein Herz beginnt zu rasen. Er sieht noch genauso gut aus, wie damals. Vor allem hat er aber noch immer die gleiche Wirkung auf mich, sodass sich in meinem Kopf ein riesiges Chaos befindet.
Vor mir steht der einzige Mann, den ich jemals geliebt habe. Der Mann, den ich verlassen habe, da ich es für das Beste hielt.
Kaum habe ich ihn erkennt, kommt mir der Nachmittag wieder ins Gedächtnis, an dem ich ihn verlassen habe. Reflexartig versuche ich meine Hände aus seinem Griff zu befreien, aber er lässt mich nicht los.
„Alles gut?“, fragt er mich.
Erschrocken zucke ich zusammen, fange mich aber schnell wieder.
„Ja … danke“, stottere ich verlegen. So unauffällig wie möglich atme ich tief durch.
Eine Weile sagt keiner von uns etwas. Wir stehen uns einfach nur gegenüber und betrachten einander.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du mir gleich an meinem ersten Tag über den Weg läufst.“
Perplex schaue ich ihn an.
„Und was soll das bedeuten?“, kontere ich, nachdem ich endlich meine Sprache wiedergefunden habe.
„Ich meine das positiv. Um genau zu sein, bist du einer der Gründe, weshalb ich hier bin“, erklärt er mir und grinst mich dabei frech an.
„Sean …“, beginne ich, führe den Satz jedoch nicht zu Ende, da ich nicht weiß, was ich sagen soll.
In mir kommen all die Gefühle wieder hoch, die ich empfunden habe, als ich mich von ihm getrennt habe. Die Verzweiflung, die ich damals gespürt habe.
„Ich muss los“, bringe ich gerade noch hervor, mache dann aber keine Anstalten, aufzubrechen.
„Nein.“
Seine Stimme zeigt mir, dass er mich dieses Mal nicht einfach so gehen lassen wird.
Ich hebe meinen Kopf und schaue ihn an. Seine Lippen sind fest aufeinander gepresst. Als ich in seine Augen blicke, verliere ich mich in ihnen.
„Meine Freundin wartet“, flüstere ich.
„Ich lasse dich erst gehen, wenn du einwilligst, dich mit mir zu treffen. Eine Verabredung, mehr verlange ich nicht von dir.“
In mir macht sich das Gefühl breit, dass es nicht bei diesem einem Treffen bleiben wird, wenn ich jetzt Ja sage.
„Und was sagt deine Freundin dazu, wenn du dich mit deiner Ex triffst?“, frage ich ihn lauernd.
„Seit dir hatte ich keine mehr.“
Bei seinen Worten macht sich Verblüffung in mir breit.
„Okay“, antworte ich ihm, bevor ich genauer darüber nachdenken kann.
Innerlich gebe ich mir einen Tritt in den Hintern, aber eigentlich würde ich wirklich gerne einen Abend mit ihm verbringen.
Auf seinem Gesicht breitet sich ein zufriedenes Lächeln aus. Aber ich erkenne auch die Erleichterung in seinen Augen.
„Gib mir bitte dein Handy!“
Während er spricht, streckt er seine Hand aus. Kurz zögere ich, unsicher, ob ich das wirklich tun soll. Aber dann springe ich über meinen Schatten, ziehe das Handy aus meiner Tasche und reiche es ihm.
„Schreib mir, wo ich dich abholen soll, und wir sehen uns um acht Uhr.“
Sean gibt mir das Telefon zurück. Kurz betrachte ich die Nummer, ehe ich sie unter seinem Namen einspeichere.
„Nur ein Treffen“, erinnere ich ihn noch einmal.
„Wir sehen uns heute Abend“, raunt er, nachdem er sich ein Stück zu mir gebeugt hat.
Beim Klang seiner Stimme bildet sich eine Gänsehaut auf meiner Haut und meine Brustwarzen richten sich auf. Er hat immer noch die gleiche Wirkung auf mich wie früher.
Da ich kein Wort herausbekomme, nicke ich nur und drehe ihm den Rücken zu. Doch kaum habe ich mich umgedreht, entdecke ich Joleen, die nur ein paar Meter von uns entfernt steht und mich genau beobachtet.
„Seit wann stehst du da schon?“, frage ich sie, während ich hinter mir herziehe.
„Lange genug, um zu wissen, dass du heute Abend ein Date mit einem heißen Typen hast.“ Auf ihrem Gesicht breitet sich Zufriedenheit aus. „Ich finde das super. Du hast viel zu lange auf Spaß verzichtet, wegen Cole. Und nun, wo er wohl bald die Oberzicke heiraten wird, musst du ihm zeigen, dass du auch ohne ihn Spaß haben kannst.“
„Er ist ihr Bruder“, platzt es aus mir heraus.
„Das weiß ich. Ich kann mich noch sehr gut an Sean erinnern.“
Joleen bleibt stehen und blickt mich an.
„Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist. In den letzten Jahren ist einfach zu viel passiert.“
„Und? Ihr habt gut zusammengepasst und ehrlich gesagt habe ich nie ganz verstanden, warum du dich von ihm getrennt hast.“
Bei ihrem Vorwurf überkommt mich das schlechte Gewissen.
„Wir hatten keine Chance, die haben wir noch immer nicht“, werfe ich ein. „Heather hatte es damals schon auf mich abgesehen und deswegen mussten wir unsere Beziehung geheim halten.“
Joleen lässt sich meine Worte durch den Kopf gehen. Nachdenklich schaut sich mich an.
„Du liebst ihn noch immer! Deswegen warst du so schnell über die Trennung von Cole hinweg. Ich wusste es! In Wirklichkeit hast du die letzten Jahre einen anderen Mann geliebt.“
„Es ist wahrscheinlich keine gute Idee, wenn ich mich mit ihm treffen.“
„Das ist sogar eine wunderbare Idee. Du musst das machen. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass du mit Cole nicht so glücklich bist, wie du es mit Sean warst. Und vergiss seine Schwester. Du solltest dein Glück nicht von ihr abhängig machen.“
Für kurze Zeit lasse ich mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Ich bin hin- und hergerissen. Aber im Endeffekt muss ich ihr recht geben. Cole hat mich nicht einmal ansatzweise so glücklich gemacht, wie Sean.
„Ich werde mich heute Abend mit Sean treffen, aber ihn danach nie wiedersehen. Und nun muss ich zur Arbeit. Meine Schicht beginnt gleich“, gebe ich schließlich nach.
„Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß. Und sag mir Bescheid, wie es gelaufen ist.“
„Werde ich machen“, verspreche ich ihr, obwohl ich es eigentlich gar nicht will.
„Denk nicht daran, dass Heather seine Schwester ist, sondern hab einfach Spaß. Würde er keine Gefühle mehr für dich haben, hätte er dich nicht gefragt.“
Joleen zwinkert mir aufmunternd zu, ehe sie sich umdreht und zu ihrem Wagen geht. Ich schaue ihr hinterher, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.
Sie meint es nur gut und dafür liebe ich sie noch mehr.