Читать книгу Russian Mafia King - Sarah Glicker - Страница 4

2

Оглавление

Sarah

Ich kann nicht gerade behaupten, dass es nicht von Anfang an merkwürdig gewesen sei, einem Mitglied der Mafia näherzukommen. Vor allem näherzukommen, als ich es jemals wollte. Mein Verstand hatte mir geraten auf Abstand zu ihm zu gehen und spätestens dann, als ich die Wahrheit über ihn erfahren habe, hätte ich genau das machen sollen. Zu diesem Zeitpunkt war ich allerdings nicht mehr in der Lage, genau diesen Schritt zu gehen. Wenn es um ihn geht, handle ich nicht nach meinem Verstand, sondern nur nach meinem Herzen.

Als ich mich in ihn verliebt habe, war es noch merkwürdiger für mich. Doch zu wissen, dass er nun niemandem mehr Rechenschaft abliefern muss, ist etwas völlig anderes. In ihm steckt etwas, von dem ich mir sicher bin, dass es irgendwann zum Vorschein kommen wird.

Ich habe keine Angst vor ihm. Keine Ahnung, woher ich diese Gewissheit nehme, doch ich weiß, dass er mir niemals etwas antun würde. Und deswegen ändert das Wissen darüber, dass er nun der Boss ist, nichts an meinen Gefühlen für diesen Mann. Auch, wenn es das wahrscheinlich sollte.

Ich wurde so erzogen, dass ich auf der sicheren Seite des Lebens stehe, sämtlichen Gefahren aus dem Weg gehe. Und ich weiß, dass Toli für all diese Gefahren steht, denen ich in den letzten Jahren aus dem Weg gegangen bin.

Als er betont hat, dass sich zwischen uns nichts ändern wird, habe ich ihm geglaubt. Und das tue ich auch jetzt noch. Deswegen bleibt mir nur noch übrig abzuwarten, was diese Veränderung für mich persönlich bedeutet. Und das sich dadurch nicht nur mein Liebesleben ändern wird, ist mir durchaus bewusst. Obwohl ich den Umfang noch nicht genau abschätzen kann.

„Oleg hat mir gestern Abend von der Unterhaltung mit Anatoli berichtet. Ich weiß, dass es sicherlich nicht einfach für dich ist“, erklärt Ludmilla und setzt sich dabei neben mich an den Tisch. Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht bedenkt sie mich. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie es damals für mich war, als Oleg die Geschäfte von seinem Vater übernommen hat. Ich dachte, ich werde wahnsinnig“, erklärt sie lachend und verzieht dabei ein wenig das Gesicht.

„Wieso?“ Neugierig sehe ich sie an.

„Ich habe mich nie sehr gut mit meinen Schwiegereltern verstanden. Da ich nicht aus ihrer Welt kam, auf jeden Fall nicht so direkt, wie sie es sich gewünscht haben, war ich für sie immer eine Außenseiterin. Oft habe ich versucht mit ihnen zu sprechen, aber jedes Mal … genug davon. Dementsprechend hat mir aber auch niemand geholfen, mich in meine neue Rolle einzufügen. Oleg hat es zwar versucht, aber er war zu sehr damit beschäftigt, ein Chef zu werden.“

„Das tut mir leid“, murmle ich.

„Das muss es nicht. Ja, am Anfang habe ich die beiden dafür verflucht, vor allem meine Schwiegermutter war ein regelrechtes Monster. Irgendwann wurde Oleg und mir aber bewusst, dass es eine Chance für uns war. Eine Chance, Dinge zu verändern und unseren eigenen Weg zu gehen. Und genau das haben wir auch getan.“

„Das war sicherlich nicht immer einfach“, stelle ich fest, nachdem ich über ihre Worte nachgedacht habe.

„So kann man es auch ausdrücken. Mein Schwiegervater hat Oleg immer an der kurzen Leine gehalten. Selbst dann noch, als er eigentlich der Chef war. Bei Toli und Oleg war das immer anders. Deswegen weiß mein Sohn sehr wohl, was er macht und wie er auf Probleme reagieren muss, auch wenn er sicherlich das Gegenteil meinen würde. Aber Oleg hat nur selten eingegriffen in den letzten Jahren und sich vieles von außerhalb angesehen. Wenn ich genau darüber nachdenke bin ich mir doch sicher, dass Toli denkt, dass er nichts mitbekommen hat, oder zumindest nur selten.“ Ihr leises Lachen erfüllt den Raum. „Toli weiß, wie weit er gehen kann und muss, um die Interessen der Familie durchzusetzen und diejenigen zu beschützen, die ihm etwas bedeuten. Ich kenne meinen Sohn. Deswegen kann ich dir mit Gewissheit sagen, dass er dich nicht an sich herangelassen hätte, wenn er nicht gedacht hätte, dass du auch mit dieser Rolle klarkommst. Schließlich wusste er von Anfang an, dass es früher oder später so weit sein wird. Und wenn was ist, kannst du dich immer bei mir melden. Ich bin nicht so ein Drache, wie meine Schwiegermutter es war.“ Ludmilla lacht leise, wird aber sofort wieder ernst.

„Danke“, murmle ich.

„Mach dir keine Sorgen. Es wird vielleicht ein wenig dauern, doch ich bin mir sicher, dass auch ihr euren Weg finden werdet.“

Ein letztes Mal lächelt sie mich noch aufmunternd an, ehe sie aufsteht und so schnell verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Nachdenklich schaue ich ihr nach.

Doch es ist egal, wie sehr ich mir den Kopf darüber zerbreche, ich muss sagen, dass sie recht hat. Ich habe seit unserer ersten Begegnung schon vieles erfahren und kann mir daher sehr wohl vorstellen, dass er nicht immer der Mann ist, der er in meiner Gegenwart ist. Außerdem habe ich schon genug von diesen Kreisen gehört um zu wissen, dass nicht jeder eine Begegnung mit Mitgliedern der Mafia überlebt. Da mache ich mir nichts vor. Doch das schreckt mich nicht ab. Ich liebe diesen Mann und dabei ist es mir egal, wer er ist. Allerdings kann ich dies vor meiner Schwester und meinen Freundinnen nicht zugeben.

Sie würden mich für bescheuert erklären.

Und ja, vielleicht bin ich das ja auch. Doch in meinen Augen hat er bereits bewiesen, dass er mich immer beschützen wird. Auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass er durchaus in der Lage ist, Leben zu beenden und das wohl auch schon öfter getan hat, als ich es eigentlich wissen will.

Ich bin so sehr in meine Gedanken versunken, dass ich erschrocken zusammenzucke, als das Klingeln meines Handys an mein Ohr dringt. Schnell ziehe ich es aus der Hosentasche und werfe einen Blick auf mein Display. In großen Buchstaben steht der Name meiner Schwester darauf.

Robyn hatte schon immer das Talent, sich im richtigen Moment bei mir zu melden. In diesem habe ich gerade allerdings überhaupt keine Lust, mich mit ihr zu unterhalten. Ich habe genug eigene Probleme. Da will ich mich nicht auch noch mit Schwierigkeiten bei der Hochzeitsplanung oder sonst was herumschlagen. Allerdings weiß ich, dass sie so oft versuchen wird mich zu erreichen, bis ich endlich ans Telefon gegangen bin und dann wird sie mich fragen, wieso ich nicht erreichbar war. Deswegen bringe ich es lieber jetzt hinter mich, als später.

„Hi“, begrüße ich sie gut gelaunt, nachdem ich das Gespräch entgegengenommen habe.

„Würdest du mir jetzt mal sagen, wo du genau bist? Ich weiß nur, dass du geschäftlich nach Miami musstest“, kommt sie sofort zur Sache. „In der letzten Zeit haben wir nur kaum miteinander gesprochen.“

„Ja, ich bin aus geschäftlichen Gründen in Miami. Doch nicht wegen meines Berufes.“

„Sondern?“

In diesem Moment wird mir klar, dass meine Eltern sie beauftragt haben, mich anzurufen. Deswegen müsste ich eigentlich vorsichtig sein, was ich von mir gebe. Doch es ist mir egal. Mit meinem neuen Leben klarzukommen bedeutet auch, dass ich endlich zu meiner Beziehung mit ihm stehen muss.

„Toli muss sich hier um ein paar Dinge kümmern, deswegen habe ich ihn kurzfristig begleitet“, erkläre ich also.

„Warte Mal, ist das der Besitzer des Strip-Clubs?“

„Ja.“

„Wieso musst du ihn nach Miami begleiten?“

„Wir sind ein Paar“, sage ich, ohne darüber nachzudenken. Doch würde ich das, würde ich es mir vielleicht anders überlegen. Und das ist etwas, was ich gerade nicht will.

„Was?“, fragt sie, nachdem sie scharf die Luft eingezogen hat. „Ist das dein Ernst?“

An der Stimme meiner Schwester kann ich erkennen, dass sie nicht glücklich darüber ist. Dabei habe ich ihr noch nicht einmal die Hälfte der Geschichte erzählt. Sie weiß nicht, dass auf mich geschossen wurde, seinetwegen. Und sie weiß auch nicht, dass seine Familie die Mafia ist. Genauso wenig wie sie weiß, dass er das neue Oberhaupt ist. Und wenn es nach mir geht, wird sie diese Punkte auch nie erfahren. Zumindest nicht von mir.

„Du hast eine wunderbare Zukunft vor dir. Die kannst du doch nicht wirklich aufs Spiel setzen, verschwenden wollen? Und schon gar nicht wegen ihm!“, ruft sie aus, sodass ich mein Handy ein Stück vom Ohr entfernt halte, damit ich nicht taub werde.

„Du kennst ihn überhaupt nicht“, erinnere ich sie in einem scharfen Ton. Ich habe die oberflächliche Art meiner Familie schon immer gehasst. Doch langsam macht sie mich nur noch wütend.

„Das brauche ich auch nicht. Ich weiß genug über Menschen, die so sind wie er.“

Robyn lässt nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie es ernst meint. Ich versuche etwas zu finden, was ich darauf erwidern kann. Etwas, womit ich die Chance habe, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Aber mir ist bewusst, dass es nur klappen kann, wenn sie ihn trifft. Wenn überhaupt.

„Trenne dich von ihm. Bevor er dich in etwas hereinzieht, wo du nicht mehr herauskommst.“

Das hat er schon, denke ich. Doch ich bin schlau genug, diese Worte für mich zu behalten.

„Mom und Dad werden ausrasten. Sie werden an deiner geistlichen Gesundheit zweifeln. Und ehrlich gesagt, das tue ich auch. Und wahrscheinlich werden sie sogar verlangen, dass du wieder bei ihnen einziehst, damit du wieder zur Vernunft kommen kannst. In diesem Fall werde ich mich auf jeden Fall hinter sie stellen.“

„Deswegen würde ich dir danken, wenn du es ihnen noch nicht sagen würdest.“

„Oh nein“, protestiert sie. „Das kannst du von mir nicht verlangen und das werde ich auch nicht machen. Es geht hier schließlich um deine Zukunft. Du bist meine Schwester, da ist es mir sicherlich nicht egal. Ich kann nicht einfach daneben stehen und dabei zusehen, wie du dir alles versaust.“

Gerade war ich noch gelassen. Nun macht sich jedoch Verzweiflung in mir breit. Wenn sie es wirklich unseren Eltern sagt, bevor ich die Gelegenheit dazu hatte, habe ich ein riesiges Problem. Ich würde es den beiden sogar zutrauen, dass sie nach Miami kommen und mich hier suchen, bis sie mich gefunden haben.

Doch ich kann sie auch nicht einfach anrufen. Nein, dass hier werde ich ihnen persönlich sagen müssen. Und zwar nachdem sie sich das erste Mal gesehen haben, beziehungsweise, wenn sie sich das erste Mal sehen. Zumindest sieht so mein Plan aus und ich hoffe, dass er auch funktioniert.

„Ich muss jetzt auflegen. Ich wollte ein wenig an den Strand gehen“, erkläre ich ihr.

Ich habe keine Lust mich weiterhin über Toli mit ihr zu unterhalten. Sie wird ihre Meinung jetzt eh nicht ändern. Das weiß ich genau.

„Beende es“, fordert sie mich noch einmal auf.

„Wir sehen uns“, sage ich nur und lege auf. Seufzend lasse ich mein Handy auf die Tischplatte fallen und schließe die Augen. Ja, gerade kommt es mir so vor, als würde mir alles über den Kopf wachsen.

„Lass uns wirklich an den Strand gehen“, höre ich Tolis Stimme neben mir.

Langsam sehe ich zu ihm auf und bemerke, dass er seine Hand nach mir ausgestreckt hat.

„Ich habe es mit angehört. Lass uns gehen.“

Mit diesen Worten greift er nach meiner Hand und zieht mich auf die Beine. Dicht vor ihm komme ich zum Stehen. Ich muss meinen Kopf ein Stück heben, damit ich ihn ansehen kann. Doch was ich in seinen Augen entdecke, verschlägt mir die Sprache.

Sie strahlen Liebe und Zufriedenheit aus. Aber auch noch etwas anderes, was ich gerade aber nicht einschätzen kann.

„Und dann kannst du mir erzählen, was passiert ist.“

Toli küsst mich und schiebt mich vor sich her, bis wir den Privatstrand erreicht haben, der zum Haus gehört.

Auf dem Weg dorthin kann ich ein paar Männer erkennen, die uns keine Sekunde aus den Augen lassen. Es hält mir vor Augen, wie mein Leben von nun an aussehen wird, doch merkwürdigerweise stört es mich nicht. Sie halten sich im Hintergrund auf, sodass sie mich nicht stören.

Nachdem wir ihn erreicht haben, gehen wir ein paar Schritte am Meer entlang, bevor er sich in den Sand sinken lässt.

„Also, was ist los?“, fragt er mich, nachdem ich mich zwischen seine Beine gesetzt habe.

„Meine Schwester war am Telefon“, beginne ich und erzähle von dem kurzen Telefonat. Aufmerksam hört er mir zu, bis ich geendet habe.

Nachdem ich mich ein Stück in seine Richtung gedreht habe erkenne ich, dass es ihm nicht gefällt. Doch mir würde es da auch nicht anders gehen.

„Mach dir wegen meiner Familie keine Sorgen“, sage ich schnell. „Mit denen werde ich schon fertig.“

„Sie sind dein Problem, also sind sie auch meines.“ Seine Worte machen mich stutzig. Um mich noch mehr zu ihm drehen zu können, ziehe ich meine Beine an den Oberkörper.

„Was ist passiert?“, frage ich ihn nun.

„Wie kommst du darauf, dass etwas passiert sein sollte?“

„Viktor holt dich nicht jeden Morgen aus dem Bett, um mit dir darüber zu sprechen, wie schön das Wetter ist. Zumindest gehe ich davon aus. Dafür seit ihr beide nicht der Typ“, stelle ich fest. „Außerdem sehe ich dir an, dass du dich gerade lieber mit meiner Familie beschäftigst, als mit dem, was bei dir passiert ist.“

Ich versuche ihn ein wenig aufzuziehen, um seine Laune zu heben. Doch ich brauche nur einen Blick in sein Gesicht zu werfen um zu wissen, dass genau das nicht funktioniert.

Er sieht bedrückt aus. Als hätte Viktor nicht gerade gute Nachrichten für ihn gehabt.

„Jetzt bist du an der Reihe den Mund aufzumachen“, setze ich noch dazu.

Toli antwortet nicht sofort darauf. Nachdenklich sieht er mich an. Normalerweise würde ich ausweichen, da ich mir nicht sicher bin, ob es mich wirklich etwas angeht oder nicht. Und normalerweise würde ich ihn auch nicht danach fragen. Doch Ludmilla hat recht. Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Und der sieht für mich nun einmal so aus, dass ich wissen will, was ihn beschäftigt. Auch, wenn es etwas mit den Geschäften seiner Familie zu tun hat.

„Wir wissen, wer einen der Wagen gefahren hat, die bei der Schießerei dabei waren.“ Ich zucke kurz zusammen. Über dieses Thema unterhalte ich mich nicht gerne, doch ich will es erfahren. „Er ist ein russischer Serienkiller. Wir wissen nicht genau, worauf er es abgesehen hat. Doch wir können mit Gewissheit sagen, dass entweder du oder ich das Ziel waren.“

Ich weiß nicht so genau, was ich sagen soll. Eigentlich dauert es auch ein wenig, bis die Worte bei mir angekommen sind. Doch selbst dann habe ich noch immer keine Ahnung, was ich erwidern soll.

„Wir werden ihn finden und alles in Erfahrung bringen, was wir wissen müssen, um den Drahtzieher ausfindig zu machen.“

„Ich mache mir keine Sorgen um mich“, sage ich ihm. „Ich mache mir Sorgen um dich.“

Eigentlich wollte ich diese Worte für mich behalten. Doch nun haben sie meinen Mund verlassen und ich kann sie nicht mehr zurücknehmen.

„Solange ich dich habe, wird mir nichts passieren.“ Seine Stimme ist sanft. Dann nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich.

„Ich liebe dich“, flüstere ich, nachdem er sich von mir gelöst hat. Dabei lasse ich mich an seine Brust sinken.

„Und ich liebe dich.“ Mehr sagt Toli nicht, sondern schlingt seine Arme um mich.

Mein Gefühl sagt mir, dass wir in Schwierigkeiten stecken, dass das hier nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Und vor allem sagt mir mein Gefühl, dass meine Eltern noch das kleinere Problem sind. Doch ich kann es nicht einschätzen, aus welcher Richtung die Gefahr kommt.

Deswegen bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass ich gewappnet bin.

Russian Mafia King

Подняться наверх