Читать книгу Einmal im Jahr für immer - Sarah Ricchizzi - Страница 6

Kapitel 1

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Es tut mir leid

Ich liebe dich

London, 02. September 2010, es ist fünf Uhr morgens

Bluebird,

ich hoffe, dass du diese Worte niemals lesen musst.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich nun diesen Brief begonnen habe, um die Zeilen gleich darauf wieder durchzustreichen.

Gut, durchgestrichen habe ich sie nicht, das würde auch ziemlich blöd aussehen: Neben mir liegt ein großer Berg angefangener, zerknüllter Briefe und ich überlege gerade fieberhaft, wie ich sie bis morgen beseitigen kann, ohne, dass du sie findest.

Immer noch bin ich mir nicht sicher, ob ich im Entferntesten ausdrücken kann, was ich dir mit diesen Worten versuche zu sagen, dennoch muss ich irgendwann anfangen, also tue ich es jetzt.

Ich wünschte es wäre nicht notwendig, andererseits weiß ich nur zu genau, dass ich dir wenigstens das schulde. Denn eines ist mir sehr wohl bewusst: Dieser Tag wird kommen und ich werde dann nicht in der Verfassung sein dir diese Worte so eindringlich, wie nur irgendwie möglich mitzuteilen.

Die Momente werden eintreten, sie sind unausweichlich. Es ist eine Krankheit, die mich niemals loslassen wird, wie ein Parasit zerfrisst sie meine Gedanken, mein ganzes Ich, mein Leben. Und an einem dieser Tage werde ich dann nicht mehr sein. Deshalb ist es wichtig, mich zu verabschieden, in wirklich wahren Worten, in einem Zustand des Glücks, damit du verstehst, was du mir bedeutest.

Aus dem Grund wähle ich den heutigen Tag aus, denn gestern haben wir geheiratet. Ja, ganz recht. Gestern war unser Hochzeitstag. Es ist schon komisch dieses Wort wirklich auszuschreiben, immerhin haben wir erst vor wenigen Stunden unsere Unterschriften gesetzt. Ich habe mich übrigens bereits jetzt an meinen neuen Nachnamen gewöhnt. Und wenn ich verdammt ehrlich bin, habe ich schon vor Wochen begonnen so zu unterschreiben:

Mathiew Red

Das weißt du nicht und ich bezweifle, ob ich dir gegenüber jemals zugeben würde, mich wie ein Teenager aufgeführt zu haben, seitdem wir beschlossen hatten, deinen Namen anzunehmen. Du sollst schließlich in dem Glauben bleiben, ich wäre ein echter Kerl, zwischendurch vielleicht etwas zu eingebildet, doch wir wissen beide, dass dir das gefällt. Gerade grinse ich etwas unverschämt, was nicht wirklich angebracht ist, bedenke man den Umstand, dass ich dir gerade meinen Abschiedsbrief schreibe. Trotzdem kann ich nicht widerstehen, dich zum Lachen zu bringen, auch wenn du wohl beim ersten Lesen nicht lachen wirst. Wahrscheinlich wird es etwas Zeit brauchen, doch irgendwann wirst du ein paar dieser Zeilen hier witzig finden. Das hoffe ich zumindest, sonst wären mir die Worte peinlich. Aber nur ein bisschen.

Denn solltest du diesen Brief jemals bekommen, bin ich bereits tot.

Jetzt ist es raus.

Ich brauche einen Moment, um wirklich zu begreifen, was dieses Wort für dich bedeuten wird. Was es für mich heißt, weiß ich bereits viel zu lange.

Amelie, es tut mir unsagbar leid, dass ich so selbstsüchtig bin, dich zu heiraten. Dein Leben um meins belaste. Ich weiß, dass ich dich glücklich mache, gleichzeitig hasse ich mich dafür zu wissen, dass es auch die Zeit geben wird, in der ich der Grund für deine Tränen sein werde, unausweichlich, unwiderruflich.

Es tut mir leid, Bluebird. So furchtbar leid. Die Worte klingen dämlich, phrasenhaft und irgendwie nicht aufrichtig genug. Es reicht nicht aus, es zu sagen, allerdings käme ich mir unverschämt vor, würde ich sie nicht wenigstens ausgeschrieben haben.

Bluebird, ich weiß nicht, wie ich dir erklären kann, wie sehr es mich schmerzt zu wissen, was ich dir antun werde. Du kannst dir nicht annähernd vorstellen, wie sehr ich mich für diesen Brief und alles, was ich bereit bin dir anzutun, verachte.

Ich kann meine Gefühle für dich nicht ändern, ich liebe dich so sehr, dass es mich wahnsinnig macht. Ich konnte einfach nicht anders, als dich zu heiraten. Es ging nicht. Ich kann dich nicht loslassen, dich nicht vergessen. Ich liebe dich und vermutlich habe ich das bislang nicht oft genug geschrieben. Vielleicht schreibe ich es nachträglich noch überall an den Rand hin, dort oben ist über dem Datum noch Platz. Es würde vielleicht etwas blöd aussehen, aber wenigstens steht dann bereits zu Beginn das Richtige.

Amelie, siehst du wie ruhig die Schrift von mir ist? Es liegt daran, dass diese Worte so wahr sind, dass ich nicht darüber nachdenken muss, bevor ich den Stift ansetze. Es ist so leicht dir zu sagen, was ich für dich empfinde. Schwierig ist es hingegen die Gedanken dahinter richtig zu fassen. Ich bin mir nicht sicher, ob dir klar ist, was diese Worte für mich wirklich bedeuten. Amelie du bist der erste Mensch, den ich wahrhaftig liebe und ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass du auch der letzte sein wirst, dem ich mich jemals derart anvertrauen könnte.

Ich möchte ewig weiterschreiben, bis die Sonne aufgeht und darüber hinaus. Dabei traue ich mich nicht wirklich den Punkt zu setzen, der diesen Brief beendet. Verstehst du das? Ich will kein Ende, ich will nicht gehen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mich dieser Gedanke zerfrisst. Ich wünschte du würdest mich ohne diese Krankheit kennen. Du glaubst gar nicht wie tief dieses Verlangen sitzt, wie oft ich mir unser Leben ausmale, ohne dieses zweite Gesicht von mir.

Es gibt keine Frau, die mich derart verrückt macht. Für niemanden sonst hätte ich so lange in der Bibliothek ausgeharrt und gewartet, bis sie mir einen genervten Blick zuwirft. Ich liebe es übrigens, wie du die Augen verdrehst, wenn du mich ansiehst und ich wieder irgendeinen Blödsinn von mir gegeben habe. Wenn ich ganz ehrlich bin, rede ich gerne etwas mehr Unsinn in deiner Nähe, nur, um dich zu ärgern.

Ich schweife wieder ab, du merkst, ich will nicht zum Schluss kommen, will nicht gehen, will dir nicht meine letzten Worte schreiben, doch es muss sein. Also zwinge ich mich endlich zu dem wichtigen Part zu gelangen, obwohl wir das beide gerade nicht wollen.

Ganz gleich, was in der Zwischenzeit geschehen sollte, eines weiß ich unumstritten: Ich dich liebe, Amelie. Du wirst es leugnen, du wirst denken, es hätte etwas mit dir zu tun, dass du schuld bist.

Doch lasse mich dir eines mit Sicherheit sagen:

Du bist der Grund, weshalb ich überhaupt solange durchgehalten habe.

Vergiss nicht, dass ich dich liebe, für immer.

Es tut mir leid, Amelie. Meine Bluebird. Mein Alles.

Math

P.S.

Ich habe noch etwas vergessen.

Nein, hier kommt nichts Romantisches. Ich bin jetzt schließlich dein Ehemann, also sollte in so einem Brief etwas Unanständiges nicht fehlen: Du liegst gerade nackt in unserem Bett in unserer Hotelsuite, die wir uns absolut nicht leisten können. Dabei sabberst du etwas und schnarchst unfassbar laut. Aber lass mich dir eines sehr genau sagen: Ich würde dich trotzdem hier, jetzt sofort und überall in diesem Zimmer nehmen.

P.P.S.

Das habe ich auch.

Einmal im Jahr für immer

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