Читать книгу Ja, Mr. Blue Eyes - Sarah Veronica Lovling - Страница 7
4. Kapitel
ОглавлениеJake brachte die vieldiskutierte Tüte zu seinem Wagen und setzte sich ans Steuer seines Kombis. Er grinste. Dieses Biest von Kassiererin, das nebenbei gesagt ziemlich gutaussehend war – auch unter der unförmigen rot-weißen Supermarktkluft hatte sie ihre gute Figur nicht verbergen können -, hatte ihn mit ihren frechen Antworten endlich mal wieder gereizt und herausgefordert. Er war heute in der Stimmung für ein bisschen Streit gewesen – und ihre schönen braunen Augen hatten vor Wut nahezu Blitze nach ihm geschleudert…! Eine einfach wunderschöne Ablenkung für Jake. Der gestrige Abend bei Martin saß ihm noch in den Knochen – er befand es als Wunder, dass dieser heute wieder pünktlich zur Arbeit erschienen war und dabei nicht einmal besonders erschöpft gewirkt hatte. Respekt, Martin, dachte Jake sich. Gleichzeitig war er froh, nicht auch so ein Leben zu führen. Tagein, tagaus dasselbe, ein Frauchen am Herd, zwei Schreihälse, die ihm auf die Nerven gingen… Er schüttelte sich und bekam eine Gänsehaut, als er sich erinnerte. Als ob er es jemals vergessen würde können! Vor einem Jahr noch war er unweigerlich auf so ein Leben zugesteuert, und das voller Absicht und Vorfreude… zumindest hatte er das gedacht.
Monica und er waren schon zwei Jahre zusammen gewesen, waren kürzlich sogar zusammengezogen, in eine viel zu kleine und viel zu teure New Yorker Wohnung. Sie waren glücklich gewesen, verliebt und harmonisch, hatten bereits von Hochzeit und Kindern gesprochen. Und Jake hatte fest daran geglaubt, dass es so kommen würde, sich sogar darauf gefreut - nicht sofort, aber in ein paar Jahren. Sie waren jung und hatten noch Zeit. Jake gefiel sein Job als Polizist, Monica arbeitete in einem Kindergarten. Dann, eines Tages, kam er nach der Arbeit nach Hause und Monica, die sonst immer schon auf ihn gewartet hatte, war nicht da. Er schrieb ihr eine Nachricht – keine Antwort. Kein Problem, hatte Jake sich gedacht, bestimmt hat sie eine Freundin getroffen und hat die Zeit vergessen. Er versuchte, sie anzurufen – und erreichte nur ihre Mailbox. Er hinterließ eine Nachricht, sagte, wie sehr er sich schon auf sie freue. Aber sie kam nicht zurück und meldete sich nicht. Es wurde elf Uhr, Mitternacht, ein Uhr. Jake wurde zunehmend unruhiger. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und rief auf der Arbeit an, fragte seine Kollegen, ob sie etwas gehört hätten. Er befürchtete, sie könne einen Unfall gehabt haben. Keiner hatte etwas zu melden, die Nacht war ruhig, selbst für New Yorker Verhältnisse. Dann rief Jake alle Krankenhäuser der Umgebung an, fragte nach Monica, beschrieb ihre Kleidung, ihr Auto – es konnte ja sein, dass sie bewusstlos war und ihre Identität nicht geklärt. Nichts. Er wartete die ganze Nacht im dunklen Wohnzimmer sitzend, Telefon und Handy auf dem Schoß. Noch im Morgengrauen fuhr er zum Revier, um Monica vermisst zu melden. Die Kollegen waren besorgt und mitfühlend, und als sie fragten, ob in der Wohnung etwas fehle, raste er zurück nach Hause. Daran hatte er selbst nicht gedacht – ein toller Polizist war er, dachte er, verflucht! Vielleicht gab es Hinweise, und er hatte nur auf dem Sofa gehockt. Zuhause bemerkte er dann schnell, dass die meisten ihrer Sachen – Kleidung und Kosmetika – fehlten. Was war geschehen? Für seine Kollegen war damit der Fall erledigt – Jake war die Frau weggelaufen. Sie schlugen ihm auf die Schulter, murmelten aufbauende Worte und rieten ihm, sie zu vergessen, die bittere Pille zu schlucken. Doch Jake wollte und konnte nicht – er konnte nicht an das glauben, was für alle so offensichtlich erschien. Entführt, dachte er sich, sie musste entführt worden sein, und ihr Entführer hatte einige ihrer Sachen mitgenommen. Dass so etwas noch nie vorgekommen war, dass Entführer nie die Koffer für ihre Opfer packten, blendete er einfach aus. Monica hätte ihn niemals freiwillig verlassen, das wusste er. Und niemals ohne einen Abschied. Ihr musste doch klar sein, wie viele Sorgen er sich machen würde – so etwas würde sie ihm nie antun, außerdem liebten sie sich doch! Also musste es so sein. Seine Monica war einem Verbrechen zum Opfer gefallen, da war er sich sicher. In den folgenden zwei Monaten setzte er alle Hebel in Bewegung, die ihm zur Verfügung standen, und noch darüber hinaus. Tag und Nacht arbeitete er an ihrem – und seinen – Fall. Er schlief nicht mehr, trank einen Kaffee nach dem anderen, warf nachts Koffein-Tabletten ein. Und er trank. Um etwas Ablenkung zu finden, um kurz zu entspannen. Als er dann eine landesweite Fahndung ausrief, die sein Chef nicht genehmigt hatte, kassierte er seine erste Verwarnung. Und als bei einem unangekündigten Drogentest auf dem Revier Restalkohol in seinem Blut gefunden wurde, wurde er suspendiert. Tagtäglich zuhause herumzusitzen wurde zur Hölle, und er trank immer mehr, recherchierte alleine weiter, ließ die Wohnung verkommen. Eines Tages, als er, im Grunde seines Herzens, schon nicht mehr damit rechnete, passierte es dann – Monica wurde gefunden. Sie wurde an einem Flughafen beim Check-in aufgegriffen und der örtlichen Polizei übergeben. Sie trafen auf dem Revier aufeinander. Jake weinte, schloss sie in seine Arme, doch sie versteifte sich. „Lass das bitte“, sagte sie kalt und ging auf Abstand. Jake wischte sich die Tränen ab und starrte sie mit offenem Mund an. Er konnte nichts sagen. Schließlich krächzte er „Warum?“ - „Ich habe dich nicht mehr geliebt“, antwortete Monica und sah ihn an. Er blickte in ihre Augen und sah nur noch Kälte, kein Gefühl mehr. „Schon eine ganze Weile nicht mehr. Das Zusammenziehen… alles hat mich erdrückt… du hast mich erdrückt“, fuhr sie fort. „Aber… warum hast du nicht mit mir geredet? Bist einfach abgehauen? Weißt du eigentlich, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe? Ich dachte, du bist entführt worden, oder tot…!“, schrie er sie an. „Ich wusste, du würdest mich nicht einfach so gehen lassen, und siehst du, ich hatte Recht – die verfluchte Kriminalpolizei hetzt du mir hinterher“, argumentierte Monica. Jake war sprachlos. Er schüttelte den Kopf und ging ohne ein weiteres Wort.
Ja, sagte er sich, vorsichtig an seinem heißen Kaffee nippend, er war einfach besser dran ohne Frau, das stand fest. Er war frei, ungebunden, konnte tun und lassen, was er wollte. Das Thema Beziehung war einfach abgehakt, hatte er beschlossen. Die letzten Beziehungen, insbesondere natürlich das Desaster mit Monica, hatten ihm kein dauerhaftes Glück gebracht – im Gegenteil. Zu viele Verpflichtungen, der Verlust der Freiheit – und wofür? Für ab und zu ein wenig Sex und aufgewärmtes Tiefkühlessen? Das konnte er allein, also beides. Eine gefrorene Pizza wartete zuhause, und die Entspannung… nun ja. Mit einer Frau gefiel es ihm zweifellos besser, aber er bekam es auch alleine hin. Und darüber hinaus wartete immer irgendwo ein One-Night-Stand auf ihn. Summa summarum ging es ihm ohne eine Beziehung einfach besser. Das Thema war erledigt. Wobei ihm beim Gedanken an Tiefkühlpizza wieder die freche Blondine aus dem Supermarkt durch den Kopf schoss. Unwillkürlich musste er grinsen. Das war schon witzig gewesen. Als er sich heute Morgen auf der Arbeit einen weiteren Kaffee geholt hatte, war ihm etwas eingefallen. Kaffee. Seine Kaffeedose zuhause hatte heute Morgen bedrohlich leer ausgesehen. Ohne Kaffee kam er morgens nicht in die Gänge, daher hatte er beschlossen, dass es sich um einen Notfall handelte, zumal gerade auf dem Revier nichts los war. Schnurstracks hatte er sich auf den Weg zu „Hank’s Superstore“ gemacht. Er hatte den Supermarkt erst vor kurzem entdeckt und kaufte seitdem dort ein. Näher am Revier und näher an Zuhause als der riesige Supermarkt im Industriegebiet, in dem er vorher immer eingekauft hatte. Bei der Gelegenheit, hatte er sich gedacht, konnte er sich direkt sein Abendessen besorgen. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Es würde wohl mal wieder Tiefkühlpizza geben. Beladen mit einer Wochenration derselben, dem lebensnotwendigen Kaffee und dem ein oder anderen, hatte er sich in die vermeintlich kürzere Schlange gestellt. Die richtige Entscheidung. Der erfrischende Streit mit der süßen Blonden hatte ihm endlich mal wieder gute Laune beschert. Seine Drohung zum Abschied, den Laden fortan zu meiden, war eine komplette Lüge gewesen. Das Gegenteil war der Fall. Hier würde er von nun an öfter einkaufen.