Читать книгу Nur ein Kuss, Mr. Perfect? - Sarah Veronica Lovling - Страница 10

7. Kapitel

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Scheiße. Annabell stand unter der Dusche, drehte das heiße Wasser auf, und… nichts. Sie versuchte es ein zweites Mal, drehte die auf antik gemachte, aber hochmoderne Armatur zu und wieder auf, doch erneut tat sich rein gar nichts. Annabell seufzte und stieg aus der Dusche. Hoffnungsvoll versuchte sie es bei der Badewanne, aber auch hier – nichts. Kein heißes Wasser. Nada. Das kalte funktionierte einwandfrei, aber auf eine kalte Dusche hatte sie so überhaupt keine Lust. Nicht nach dem kalten Atlantik und dem noch kälteren Sand…! Sie hatte fast zwölf Stunden durchgeschlafen, und das ganze fast traumlos. Nur einmal hatte sie ein von Kopf bis Fuß in blau gekleideter Mann in ihren Träumen heimgesucht… komisch. Jetzt hatte sie sogar Rückenschmerzen vom langen Schlafen und wollte sich endlich wieder wie ein Mensch fühlen, zumal sie heute zum Glück den ganzen Tag frei hatte. Die Aussicht auf eine heiße Dusche hatte ihre gute Laune noch weiter verbessert, und jetzt das. Bella trat aus dem Badezimmer und zog sich schnell eine weite, leicht ramponierte Jogginghose an und schnappte sich dazu ein unfassbar kitschiges Tanktop, das ihr Sandra und Jake von ihrer verspäteten, kurzen Hochzeitsreise vor drei Monaten mitgebracht hatten. Es war leuchtend gelb, und hatte einen Cocktail auf der Brust, mit der Unterschrift „Sex on the Beach“. Eine klare Anspielung auf Caroline, die natürlich auch so ein Shirt erhalten hatte. Caros Lieblingscocktail war der besagte „Sex on the Beach“, und sie hatte dies einmal völlig unbedarft ihrem Schwarm Rick entgegengeschleudert, was zu einem wochenlangen Running Gag zwischen den drei Freundinnen geworden war. Annabell musste immer noch grinsen, wenn sie daran dachte. Wo ist denn noch mal die Nummer von diesem Hausmeister…? Bella suchte in ihren Unterlagen, die sie recht nachlässig in einem Fach ihres Küchenschrankes stapelte und verfluchte zum wiederholten Male ihre Unfähigkeit, Ordnung in derartigen Papieren zu halten. Ansonsten war sie ein sehr ordentlicher Mensch, ihre Wohnung war immer aufgeräumt, aber Dinge wie Infoschreiben, Werbebroschüren und Co. überforderten sie anscheinend. Irgendwo hierzwischen musste doch dieser Brief sein… Nein. So ein Mist. Bella hatte die Wahl. Sollte sie akzeptieren, nicht heiß duschen zu können, oder sollte sie den Hausmeister suchen? Kurzentschlossen ergriff sie ihr Schlüsselbund, schlüpfte in ihre Tigerpuschen und machte sich auf den Weg. Der letzte Hausmeister hatte im Souterrain gewohnt, dort würde sie es als erstes versuchen. Annabell stieg in den Aufzug und studierte das Hinweisschild. Und wirklich, beim Knopf „U“ für Untergeschoss stand „Concierge J. Bingly“ daneben. Concierge. Annabell grinste und schüttelte den Kopf, während sie den Knopf betätigte. Ob er selbst sich diese bescheuerte Berufsbezeichnung ausgedacht hatte? Sie bezweifelte es stark, denn es klang nicht nur blasiert, sondern auch albern, und beides schien er nicht zu sein. Sie rümpfte die Nase, als sie an gestern dachte. So bald hatte sie ihn eigentlich nicht wiedersehen wollen… aber ihre Dusche war anderer Meinung. Bella stieg aus dem Lift und stand direkt vor der Wohnungstür des Hausmeisters. Forsch klopfte sie an.

Jonathan hatte fast so lange geschlafen wie Annabell. Nachdem er gestern nach seinem Traum wieder in einen tiefen Schlaf gefallen war, war er doch nachts erneut erwacht. Hunger, Durst und seine Blase hatten ihn geweckt, und so hatte er sich einen nächtlichen Snack, bestehend aus einer Tiefkühlpizza und einem Bier gegönnt, bevor er sich erneut hingelegt hatte. Während des Essens hatte er im Internet, nur aus Langeweile, nach Annabell Jenkins gesucht. Wie sich schnell herausstellte, war sie momentan eine große Nummer im Modelbusiness. Jon sah hunderte, nein tausende Fotos, eines schöner als das andere. Und sie schien enorm wandelbar. Mal das kleine Mädchen, mal der heiße Vamp… sie konnte scheinbar einfach alles verkörpern und sah immer super aus. Abgesehen von den vielen Fotos fand er lächerlich wenig anderes über sie. Sie war hier in Lanbridge geboren und zur Schule gegangen, und war dann, fast schon klassisch, auf der Straße entdeckt worden. Dass sie immer noch hier wohnte, wunderte ihn. Zog es die meisten Models nicht in irgend so eine hippe Modemetropole? Dann hatte er sich wieder hingelegt und hatte traumlos bis zum nächsten Vormittag durchgeschlafen, so müde war er nach dem anstrengenden Wochenende und dem Montag. Mal wieder hatte er eine Vorlesung einfach ausfallen lassen… lange ging das nicht so weiter, das wusste er. Er würde sich am Riemen reißen müssen, um seine Leistung an der Uni zu halten. Jon machte sich eine Schale Müsli, schnitt eine Banane hinein und goss den kläglichen Rest Milch darüber. Na toll. Einkaufen gehen musste er also auch noch… Dann setzte er sich auf sein Sofa, schaltete den Fernseher ein und während er durch die Programme zappte, löffelte er sein Frühstück – bis ein Klopfen an der Tür ihn innehalten ließ. Jon stellte seufzend die Müslischale ab, schaltete den Fernseher aus und eilte zur Tür. Concierge, dachte er, Tag und Nacht, immer zuständig…

Als er die Tür öffnete, setzte sein Hirn für einen Moment aus. Häh…? Zu mehr als diesem sinnvollen Gedanken war er nicht fähig. Im ersten Augenblick erkannte er Annabell nicht mal, obwohl er sie heute Nacht in den verschiedensten Aufmachungen vor Augen gehabt hatte… aber bestimmt nicht so. Doch ihre schwarzen Haare, das einzige, was sie mit ihren Modelfotos aus dem Internet gemeinsam hatte, verrieten ihm dann doch, wen er vor sich hatte. Ansonsten sah er eine völlig andere Frau. Sie trug eine ausgelatschte Jogginghose, die vermutlich sogar ihm gepasst hätte, und ein witziges Top mit dem frivolen Aufdruck „Sex on the Beach“. Sein Mund wurde trocken. Jaaaaa, gern, sofort… ich brauche nicht mal einen Strand, schrie ein Teil von ihm, noch bevor er ihn zum Schweigen bringen konnte. Der Teil von ihm, über den er keine Kontrolle hatte, der Bedürfnisse hatte, die schon zu lange nicht befriedigt worden waren, der durch und durch Mann war. Doch das, was dieser Teil von ihm wollte, würde nicht passieren – niemals. Jon atmete tief durch, und begrüßte Annabell, bevor es zu peinlich werden konnte. „Guten Morgen, Miss Jenkins, was kann ich für Sie tun?“

Annabell grinste in sich hinein. Lustig – der Hausmeister war wohl genau wie sie heute erst etwas später aufgestanden. „Guten Tag“, konterte sie, frech wie eh und je, „der Morgen ist ja wohl schon vorbei!“ Der junge Mann ihr gegenüber schnappte nach Luft. Ha. Sie hatte ihn eiskalt erwischt. So sollte es sein! Er trug wie sie eine Jogginghose von der Sorte, die man nur noch zuhause anziehen konnte – also ein ähnliches Modell wie sie selbst -, und ein einfaches, aber sauberes weißes T-Shirt. Sein braunes Haar war noch vom Schlaf zerzaust und stand in alle Himmelsrichtungen ab, und rasiert hatte er sich auch noch nicht. Irgendwie niedlich, befand sie, aber sie war schließlich nicht ins Souterrain gefahren, um den Hausmeister zu bewundern. „Mein heißes Wasser funktioniert nicht!“ Bingly nickte knapp, griff nach dem Werkzeugkasten, den er offenbar direkt an der Wohnungstür aufbewahrte, und trat aus seiner Wohnung. „Ich komme mal direkt mit“, entgegnete er resigniert. Besser, er brachte es sofort hinter sich.

Annabell schluckte. Klar – sie wollte natürlich, dass er mitkam, deshalb war sie ja schließlich hier. Sie wollte unbedingt heiß duschen, und er konnte den Boiler wohl kaum per Ferndiagnose reparieren… doch sie hasste den Gedanken, dass er ihre Wohnung sehen würde, ihre richtige Wohnung. Nachdem sie vollständig eingerichtet gewesen war, hatten nur ihre Eltern, Sandra und Caroline ihr Allerheiligstes betreten. Da, wo sie nicht Anna war, sondern Bella, wo sie kein Model war, sondern einfach nur ein Mädchen. Sie fummelte, etwas ungeschickt, den Schlüssel ins Schloss, während der Hausmeister hinter ihr stand und wartete, eingelassen zu werden. Sie hatte sich ihr Reich geschaffen, das nur ihr gehörte, ihren Rückzugsort. Und dieses Reich betrat nun ein Fremder. Dort, wo sonst nur sie und ihre engsten Vertrauten hineindurften, stand nun, in Jogginghose und mit derben Arbeitsschuhen, Jon. Und er staunte nicht schlecht. Wow. Unfassbar… Jon fühlte sich, als hätte ihn jemand auf einen anderen Planeten gebeamt. Gerade noch hatte er in Miss Jenkins‘ durchgestyltem Vorzimmer gestanden, und nun… befand er sich in einer Mischung aus Bauernhaus, Kuriositätenkabinett und Tausendundeiner Nacht. Kurz setzte sein Verstand aus. Häh…? Als er Miss Jenkins‘ fragendes Gesicht sah, bemerkte er, dass er laut gesprochen haben musste, und er räusperte sich. „Also“, setzte er neu an und blinzelte, um all die Eindrücke um ihn herum zu sortieren, „wo ist das Badezimmer?“

Nur ein Kuss, Mr. Perfect?

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