Читать книгу Nur ein Kuss, Mr. Perfect? - Sarah Veronica Lovling - Страница 11

8. Kapitel

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Eine Stunde später kniete Jon immer noch schwitzend in Annabells Bad. Verflucht. Müsste er etwa aufgeben und die Profis anrufen? Sein Ehrgeiz war geweckt, und er hatte noch eine letzte Idee… Annabell steckte den Kopf zur Tür herein. „Mister Bingly?“, fragte sie zurückhaltend. Irgendwann hatte sie gemerkt, dass ihr Heißwasserproblem offensichtlich schwieriger zu lösen war, als sie angenommen hatte, und er tat ihr leid, wie er sich da erfolglos abmühte. „Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?“ Er hob den Kopf, strich sich eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte erschöpft. „Oh“, antwortete er überrascht, und bemerkte, dass er tatsächlich einen Kaffee vertragen konnte, und schließlich hatte sie doch diese geniale Maschine… „Gern“, sprach er weiter, „bitte einen Karamellmacchiato mit doppeltem Espresso und wenig Schaum!“ Mit diesen Worten machte er sich wieder an die Arbeit, und konnte daher Annabells verblüfftes Gesicht nicht sehen. Gegen ein aufperlendes Lachen ankämpfend, machte sich Annabell auf in ihren Vorraum und drückte die Tastenkombination A3F7, um ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Und dann drückte sie A3F8, denn sie mochte ihren Kaffee ganz genauso wie er – nur mit Zimt statt Karamell.

„Zimt? Tatsächlich? Es ist Februar!“ Zweifelnd blickte Jonathan auf Annabells Kaffee. Sie saßen in ihrem Wohnzimmer, auf dem kuscheligen Ecksofa, dass Annabell kürzlich hatte neu polstern und beziehen lassen. Es war so bequem, dass er niemals wieder aufstehen wollte, und eine Wohltat für seinen Rücken. Als Annabell ihm seinen Kaffee gebracht hatte, hatte sie ihm angeboten, ihn nicht im Badezimmer hockend, sondern mit ihr gemeinsam im Wohnzimmer zu trinken. Fast war sie selbst ein wenig überrascht über diesen Vorschlag gewesen, aber sie hatte ihn nicht bereut. Jon hatte sich zu ihr gesetzt und sie hatten sich unterhalten, erst vorsichtig-zurückhaltend, dann immer kameradschaftlicher. Nun waren sie bereits bei der zweiten Runde Kaffee angelangt. „Egal“, verkündete Annabell und warf sich in Pose. Jonathan sah sie amüsiert an. „Gibt es ein Gesetz, das Zimt nur zu Weihnachten erlaubt?“ Sie hielt inne und überraschte Jonathan, indem sie ihr großes Glas, das immer noch halb voll war, wie einen Pokal über den Kopf hielt. „Ich, Annabell Jenkins, setzte es hiermit außer Kraft, und verkünde, Zimt für alle, und das jederzeit!“ Darüber mussten sie beide so lachen, dass Annabells Kaffee ein wenig in Aufruhr geriet und ihr über die Hand, und, ups, übers Gesicht lief. Doch Annabell lachte nur noch mehr, wischte sich nachlässig den Kaffee ab, und fragte Jonathan: „Wollen Sie nicht mal probieren?“ Jon lachte und nickte. Zimt im Kaffee, das klang echt widerlich. Das Spiel würde er mitspielen. „Nur wenn Sie meinen probieren. Es geht echt nichts über Karamell!“ Auch Annabell nickte und hielt dann inne, schien zu überlegen. „Also, Mr Bingly“, setzte sie an. „Sie sind nicht der hirnlose Idiot, für den ich Sie gehalten habe…“ – Jonathan schnappte entsetzt nach Luft, doch sie schnitt ihm das Wort mit einer rigorosen Handbewegung ab – „…und bin ich etwa die, für die Sie mich gehalten haben?“ Jonathan konnte nur stumm den Kopf schütteln. Hoffentlich wollte sie nicht hören, wofür genau er sie gehalten hatte…! „Na dann“, fuhr Annabell fort. „Wir sollten mit diesem dämlichen „Sie“ aufhören und Brüderschaft trinken. Ich bin Annabell!“ Auffordernd hielt sie ihm ihr Latte Macchiato-Glas entgegen. In Jons Hirn kreiste es. Brüderschaft trinken? Mit Kaffee? Doch ihre direkte Art und ihre fröhliche Frechheit hatte ihn in seinen Bann gezogen. Er stieß sein Glas leicht gegen ihres, sie tranken einen Schluck und… ihr Mund war genau in Kussweite, und Brüderschaft trinken bedeutete doch… oder? Jonathan zögerte. Annabell grinste. „Trau dich“, witzelte sie und boxte ihn gegen den Oberarm, so dass er seinen Kaffee fast verschüttete. Na gut. „Ich bin Jonathan“, gab er mit rauer Stimme zurück und… drückte seine Lippen auf ihre.

Es dauerte nur eine halbe Sekunde. Sie schmeckte Karamell, Kaffee, und ihn. Und irgendwas passierte, fühlte sich richtig an… dann war es vorbei, und sie sahen sich in die Augen. Scheiße. Das hatte sie sich anders vorgestellt. Was war nur mit ihr los? Lud den Hausmeister zum Kaffee ein, trank mit ihm Brüderschaft, küsste ihn… und nun? Hoffentlich dachte er nicht, sie würde ihn anmachen, verdammt! Plötzlich schüchtern geworden rückte sie ab von ihm und nahm sich einen Schluck ihres Kaffees. Und Mr Bingly, Jonathan, der so anders war, als sie gedacht hatte, überraschte sie schon wieder. Er lächelte. „Das habe ich echt noch nie gemacht“, murmelte er, mehr zu sich selbst, und schüttelte verwundert den Kopf. „Annabell“, wiederholte er ihren Namen, als müsse er sich an ihn gewöhnen. „Eine Anna oder eine Bella?“ Lustig, dass er das fragte, fand Annabell. „Beides. Auf der Arbeit eine Anna, im Privaten eine Bella!“ – „Dann darf ich also Bella sagen?“ – Sie nickte. „Du, Jonathan…“ – „Ja?“ – „Das eben…“ – „Ja?“ – „Also, der Kuss…“ – „Gehört doch zum Brüderschaft trinken dazu, oder?“, gab Jon leichthin zurück, und Bella wurde es sofort leichter ums Herz. „Mach dir mal keinen Kopf, ich falle nicht über dich her.“ Bella lachte, und Jon fuhr fort. „Das ist mir echt zu eklig… immerhin trinkst du Zimtkaffee!“

Drei Stunden später schloss Bella hinter Jon die Tür. Sie ging zu ihrem Sofa, kuschelte sich hinein, und lächelte vor sich hin. Komisch. Da hatte sie den Hausmeister gerufen, der ihre Dusche reparieren sollte… und ein paar Stunden später hatte sie zwar immer noch kein heißes Wasser, aber einen Freund gewonnen. Zumindest fühlte es sich so an. Jon war nett, Jon war lustig, und Jon war clever. Sie waren auf einer Wellenlänge, eindeutig. Die Ähnlichkeit ihrer Kaffeevorlieben war erst der Anfang gewesen. Sie hatten sich weiter unterhalten und einige Parallelen entdeckt. So mochten sie die gleichen Filme (beide gaben peinlich berührt zu, auf Dinosaurierfilme abzufahren), die gleiche Musik, lasen gern und mochten den Sommer mehr als den Winter. Sie lächelte zufrieden. Er war echt nett. Obwohl er schlussendlich doch vor dem Heißwassergerät hatte kapitulieren müssen. Morgen würde ein Installateur kommen, den er selbst benachrichtigt hatte. Sie hatte gehört, wie er ihm Dampf gemacht hatte. „Mein Klientel ist es nicht gewöhnt, ohne heißes Wasser zu sein“, hatte er überheblich getönt und ihr dabei zugezwinkert. Danach hatte er sich verabschiedet. Lernen müsse er noch, hatte er in einem Nebensatz angedeutet, und Annabell fragte sich, wofür. Sie würde ihn nächstes Mal fragen. Denn sie war fest davon überzeugt, dass es ein nächstes Mal geben würde.

Jon schlug sein Buch zu und löschte die Schreibtischlampe. Er war müde. Drei Kapitel hatte er nachgearbeitet, weil er so lange ausgesetzt hatte, und jetzt brummte sein Hirn. Aber er war zufrieden – zum ersten Mal seit Wochen sah er einen Lichtstreif am Horizont. Und noch dazu sein erfreuliches… was auch immer… heute mit Miss Jenkins, äh, Bella. Sie war echt nett, fand er. Sein erster Eindruck hatte ihn glücklicherweise getäuscht, und zwar so richtig. Schon ihre Wohnung hatte ihn umgehauen. Das Gegenteil ihres Büroraumes. Sie hatte ihm bei einem dritten Zimt- bzw. Karamellkaffee erklärt, dass er nur Fassade war. Mein Office, so nannte sie ihn. Dort empfing sie Besucher, führte Vorgespräche zu Shootings, wenn sie nicht in der Agentur stattfanden, traf ihren Steuerberater. Niemand sonst, hatte sie Jon anvertraut, trat über die Schwelle zu ihrer eigentlichen Wohnung. Niemand bis auf ihre Eltern und ihre beiden Freundinnen, die ihr sehr viel zu bedeuten schienen. Und er – gezwungenermaßen. Er hatte ganz schön gestaunt. Die Wohnung war völlig ungewöhnlich eingerichtet und sagte viel über ihre Besitzerin aus. Sie schrie „Mädchen“, war aber dennoch nicht kitschig, sondern gemütlich, und so ungewöhnlich, dass er jetzt schon neugierig war, mehr über Annabell zu erfahren. Welcher normale Mensch sammelte schon Teekannen und beleuchtete sie wie Kunstobjekte? Dennoch – ihr Einrichtungsgeschmack bewies bei jedem Teil Stil und war stimmig, und ihm gefiel’s. Besonders der Kaninchenstall in der Küche – er war fast umgefallen. Geniale Idee, hatte er fast ein bisschen neidisch gedacht. Alles in allem war es ein überraschend vergnüglicher Nachmittag gewesen. Und als er sich anschickte, seine Zähne zu putzen, um dann ins Bett zu gehen, klingelte sein Handy und kündigte eine Textnachricht an.

BELLA: Morgen Abend 20h bei mir? Im TV läuft ein Dinofilm…

BELLA: …kriegst auch ein Karamellbier… gibt es so etwas???

Jon grinste. Dinosaurier und Karamellbier. Das konnte ja heiter werden.

JON: Gerne. Gehe morgen in den Supermarkt, mal gucken, ob ich Zimtsterne finde. Bis dann!

BELLA: Bis morgen!

Jon zog sich sein Schlaf-T-Shirt an – alt, ausgewaschen, Supermanmotiv… gut, dass ihn keiner sah – und legte sich ins Bett. Lächelnd ließ er den Tag Revue passieren, und er freute sich auf morgen. Gut, dass Bella nicht auf ihn stand – zumindest verhielt sie sich nicht so. Denn er würde sich niemals, niemals wieder auf ein Model einlassen – Beverly würde sein einziger Fehler bleiben. Dabei war es doch auch mal so schön gewesen zwischen ihnen beiden, damals, als alles anfing…

Nur ein Kuss, Mr. Perfect?

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