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5. Kapitel

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Denn was kaum jemand wusste, war, dass dem Concierge-Querstrich-Hausmeister Jonathan Bingly die Welt der Reichen und Schönen nicht so fremd war, wie man wohl zunächst vermutet hätte. Zwei Jahre vor dem Schulabschluss war er mit Beverly zusammengekommen, dem zugegeben hübschesten Mädchen der Schule. Blonde, lange Haare, braune Rehaugen, eine Figur zum Niederknien… kurzum, so ziemlich jeder seiner Mitschüler hatte ein Auge auf sie geworfen gehabt. Fast alle Jungs standen auf sie, und alle Mädchen beneideten sie. Und Jonathan bekam sie. Unfassbar. Gut – er sah selbst nicht schlecht aus. Er war groß, kräftig, hatte braunes Haar und braune Augen, doch da hörten die Parallelen zu dem Prototyp des männlichen College-Schönlings auch schon auf. Er war, trotz seiner muskulösen Sportlichkeit, nicht im Footballteam. Er fand es schlicht und einfach doof, sich von Mädchen in kurzen Röcken anfeuern zu lassen – lieber ging er joggen und gelegentlich Kickboxen. Und er war kein Partylöwe. Abends blieb er zuhause und lernte für die Schule. Seine Eltern hatten ihm das eingebläut. Lern, Junge, dann wird etwas aus dir, hatten sie ihm wieder und wieder gepredigt. Wie oft hatte ihn das genervt, aber er hatte schließlich eingesehen, dass sie recht hatten. Denn er war intelligent. Ihm flog nicht alles zu, weiß Gott nicht, aber wenn er sich Mühe gab, begriff er den Stoff und sahnte gute Noten ab. Er würde es zu etwas bringen, davon waren seine Eltern überzeugt, und auch er selbst glaubte mehr und mehr daran. Studieren – das war sein Ziel. Er kam aus einfachen Verhältnissen, der Vater Arbeiter, die Mutter Hausfrau, und er wollte mehr. Und daher besoff er sich nicht, sondern lernte, und ging nicht feiern bis in die Puppen, sondern las. Und so konnte niemand überraschter sein als er selbst, als Beverly Morgan ihn, ausgerechnet ihn, erwählte.

Er wusste es noch so genau, als sei es gestern gewesen. Er hatte gerade die Bücher in seinem Spind verstaut und diesen mit Schwung verschlossen, in Gedanken schon bei der nächsten Unterrichtsstunde, als ihn große, braune Augen, umrahmt von einer Wolke blonden Haars, spöttisch von der Seite angesehen hatten. Verdammt. Sie hatte hinter der offenen Spindtüre gestanden, und er war so erschrocken, dass sein Herz einen Sprung getan hatte. „Be-, Beverly!“, hatte er nur stammeln können, und sie hatte gegrinst. „Hundert Punkte!“, hatte sie schlagfertig erwidert. „Jonathan, richtig?“ Jon hatte nur nicken können, seine Zunge am Gaumen klebend, und sein Hirn auf Standby. Er war zwar ein ernsthafter, vernünftiger Junge, aber er war eben auch genau das, jung. Jung, leicht zu beeindrucken, und hormonell heißblütig – wie man eben so war in diesem Alter. Ihm war das Blut gerecht verteilt ins Gesicht und in die Lenden geschossen... Scheiße. Aus der Nähe sah sie noch so viel besser aus… Beverly indes hatte weitergesprochen, hatte geredet und geredet, er hatte genickt und genickt, und am Ende waren sie verabredet gewesen und hatten Telefonnummern ausgetauscht.

Wobei die Verabredung eigentlich eine Nachhilfestunde in Mathematik sein sollte. „Du bist so schlau!“, hatte Beverly ihm geschmeichelt, und er hatte das einzige getan, was ihm möglich gewesen war – er hatte wieder genickt. Und dann hatte sie die Katze aus dem Sack gelassen. Sie brauchte seine Hilfe. Ihre Versetzung war gefährdet. Und natürlich hatte sich Jonathan dann bereit erklärt, ihr zu helfen. Wer hätte da nein gesagt? Und es war gekommen, wie es kommen musste. Zwischen Pythagoras und Dreisatz hatte sich Beverly an ihn geschmiegt und wie von selbst hatten ihre Lippen sich gefunden, und von nun an, wie nannte man es so schön, gingen sie miteinander.

Jonathan wurde mit einem Schlag wach. Er setzte sich auf, schwitzend, orientierungslos, mit einer schmerzhaft pochenden Härte… nun ja. So ging es ihm meistens, wenn er von Beverly träumte. Gott sei Dank geschah das immer seltener – noch vor einem Jahr hatten ihn diese Träume so regelmäßig heimgesucht, dass er am Rande des Wahnsinns gewesen war. Heute fing er sich relativ schnell. Sein Herzschlag normalisierte sich, ebenso wie die Situation unterhalb seiner Gürtellinie. Denn mit Beverly war es lange aus und vorbei… Beverly war Geschichte. Sie war seine große Liebe gewesen, damals, und war zu seinem größten Alptraum geworden. Aber auch das war vorbei, nun ja, fast zumindest. Jon schaute auf seinen Digitalwecker. 1:39. Er seufzte, legte sich wieder hin und schlief ein, nun traumlos.

Nur ein Kuss, Mr. Perfect?

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