Читать книгу Ideas, Concerns and Expectations (ICE) in der Arzt-Patienten-Kommunikation - Sascha Bechmann - Страница 11
1.2.3 Expectations
ОглавлениеFür das patientenzentrierte Modell des CDM (dt. PEF) spielen auch Erwartungen (expectations) eine wichtige Rolle, weil Arzt und Patient auf der Folie gemeinsamen Wissens mögliche Behandlungsoptionen besprechen und gemeinsam Ziele festlegen sollen. Die Kenntnis der Vorstellungen des Patienten sind für die Planung des weiteren Vorgehens (i.d.R. zum Abschluss der Gesprächssituation) entscheidend. Wenn Patienten möglichst umfassend in den Behandlungsprozess involviert werden sollen, müssen Ärzte auch in Erfahrung bringen, welche Erwartungen (Präferenzen) patientenseitig vorhanden sind.
Konkret werden Patientenerwartungen im ICE-Modell aufgefasst als „the expressed or reported expectations about treatment, a diagnosis, or a certificate“1.
Matthys et al. beziehen mit dieser Definition den Aspekt der Erwartung nicht nur auf das Behandlungsergebnis (treatment), sondern auch auf die Diagnose und die institutionellen Rahmenbedingungen. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die so weit gefasste Dimension expectations trennscharf von den beiden anderen Dimensionen unterschieden werden kann. Vorstellungen möglicher Diagnosen (ideas) sind m.E. per se geknüpft an die Erwartung der Diagnoseerhebung (expectations) als medizinische Leistung sowie an Befürchtungen (concerns), was das Ergebnis einer Diagnose betrifft (positiver vs. negativer Befund):
Was Patienten über Diagnosen und Behandlungen wissen (ideas; z.B. Identität, Machbarkeit und (Behandlungs-)Verfahren), ist untrennbar verwoben mit ihren Erwartungen (expectations) zu Diagnosen und Behandlungen und wirkt sich auf der emotiven Ebene unmittelbar auf ihre Ängste (concerns) aus. Dieses Wissen ist z. T. erfahrungsbasiert.
Das ICE-Modell, das diese drei Dimensionen ins Zentrum patientenorientierter Gesprächsführung stellt (indem nach diesen Dimensionen zu fragen ist)2, ist also nur holistisch zu verstehen. Damit stellt sich das Modell zunächst als ein kognitiver und emotiver Bezugsrahmen für das Arzt-Patient-Gespräch dar, dem allerdings in Deutschland – auch in der Forschung und der konkreten Umsetzung in der Lehre – bislang der Bezug zu interaktionalen Techniken und die Phasenorientierung (wann frage ich was und wie?) fehlt.
In Kapitel 4 soll dieses Desiderat in der Betrachtung der Calgary Cambridge Guides ein Stück weit aufgelöst werden.3 In Kapitel 3 wird zuvor ein systematischer Überblick über die Entwicklung des ICE-Modells und über Evidenzen zu dessen Wirksamkeit in der Arzt-Patient-Kommunikation gegeben, der den internationalen Forschungsstand kondensiert abbildet.4 Außerdem zeigen kognitionslinguistische Überlegungen, dass es sich beim ICE-Modell um das Abbild komplexer kognitiver Vorgänge handelt, die für die Organisation von Gesprächen maßgeblich sind.
Im nächsten Kapitel soll zunächst das große Ganze, also der kommunikative Rahmen für die Entfaltung des Modells, in den Blick genommen werden. Der Blick wird dabei vom Allgemeinen (Kommunikation) zum Speziellen (Arzt-Patient-Gespräche) geführt. Es wird sich zeigen, dass Arzt-Patient-Gespräche in besonderer Weise geordnet sind und mentalen Skripten folgen, die bislang die soeben skizzierten Dimensionen ideas, concerns und expectations noch kaum involvieren.