Читать книгу Ideas, Concerns and Expectations (ICE) in der Arzt-Patienten-Kommunikation - Sascha Bechmann - Страница 6

1 Einleitung – das Jahrhundert des Patienten

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Jetzt brauchen wir eine dritte Revolution des Gesundheitswesens. […] Sie sollte das 21. Jahrhundert in ein Jahrhundert des Patienten verwandeln […]. Staatsbürger haben das Recht, die grundlegenden Tatsachen zu kennen, und […] Entscheidungen über ihre Gesundheit auf der Grundlage der besten verfügbaren Evidenz zu treffen. […] Das Jahrhundert des Patienten wird mehr Möglichkeiten umfassen, den Patienten aus einem Problem in eine Problemlösung zu verwandeln.1

Wenn Gigerenzer und Gray das 21. Jahrhundert wie selbstverständlich zum „Jahrhundert des Patienten“ erklären, stellen sich zwei Fragen. Erstens: Warum rückt der Patient neuerdings ins Zentrum der Betrachtung und verdrängt oder ergänzt zumindest die bislang geltende Vorstellung von der dominierenden Rolle des Arztes in nahezu allen, also auch in kommunikativen Aspekten? Und zweitens: Mit welchen Argumenten wird eine solche Verschiebung von historisch gewachsenen und sozial gelernten Rollen begründet? Mit anderen Worten: Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen der Aufwertung der Patientenrolle im Konzept der Krankheitsbewältigung zu Grunde? Wodurch ist die Forderung nach einer Auflösung der bisherigen Rollenasymmetrie zwischen Patient und Arzt begründet? Und auf welche Weise kann dies überhaupt gelingen?

Neben diese speziellen Fragen drängt sich eine allgemeinere: Welchen Einfluss hat die von Gigerenzer und Gray skizzierte Entwicklung auf das Gesundheits- bzw. Krankheitsverhalten, auf die Arztrolle und auf das Selbstverständnis von Patienten sowie auf die Arzt-Patient-Interaktion generell?

All das sind Fragen und Aspekte mit denen sich gegenwärtige nicht nur sozioanthropologische, sondern auch linguistische und natürlich medizinische Untersuchungen auseinandersetzen, wie ein Blick in die Forschungsliteratur zeigt. Den Ansatzpunkt für diese Auseinandersetzungen bildet die (kommunikative) Praxis. In den Fokus rückt hier das wohl wichtigste Element der Arzt-Patient-Interaktion: das Gespräch. Dass insbesondere die Linguistik mit ihren eigenen Untersuchungsmethoden und ihren fachspezifischen Zugriffsmöglichkeiten auf den Gegenstand „Gespräch“ im Konzert der Disziplinen eine Schlüsselrolle einnimmt, ist aus der Forschungspraxis heraus evident. Diese Rolle wird auch in der Zukunft in dem Maße weiter verfestigt, in dem das Bewusstsein für die Notwendigkeiten der Veränderung im kommunikativen Handeln von Ärztinnen und Ärzten2 zunimmt. Wenn die kommunikative Praxis künftig den Dialog über den funktionalen Akt der Informationsakquise stellt, werden Studien, die das Gespräch als zentrales Element kommunikativen Handelns weiter systematisch in den Blick nehmen, notwendig werden.3 Nicht zuletzt wird damit für die Zukunft ein Umdenken in den medizinisch-soziologischen Disziplinen notwendig, die den Schulterschluss mit den sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Fächern suchen müssen. Auch die Linguistik ist gefordert, sich ein Stück weit für Probleme mit konkreten Handlungs- und Anwendungsbezügen zu öffnen, was diesem Fach aufgrund seiner unklaren Position zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften erfahrungsgemäß nicht leicht fällt. Einen Vorstoß in diese Richtung wagt die vorliegende Untersuchung, die sich bewusst nicht (oder nicht nur) als linguistische Studie versteht, sondern stattdessen versucht, interdisziplinäre Bezüge herzustellen, um das Phänomen möglichst ganzheitlich betrachten zu können.

Ideas, Concerns and Expectations (ICE) in der Arzt-Patienten-Kommunikation

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