Читать книгу Ideas, Concerns and Expectations (ICE) in der Arzt-Patienten-Kommunikation - Sascha Bechmann - Страница 9
1.2.1 Ideas
ОглавлениеSo ist die Informationsebene stets verbunden mit Vorstellungen und Ideen (ideas) über z.B. Krankheitsschwere, Krankheitsdauer oder Krankheitsursachen.1 Solche Laienvorstellungen, insbesondere über die Ätiologie von Krankheiten (verstanden als Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge), sind traditionell Gegenstand der medizinischen Psychologie sowie der Ethnomedizin.2 Der Ansatz dieser Forschungsrichtung ist stark geprägt von der Einsicht, dass das Wissen des Arztes über Laienvorstellungen entscheidend dazu beitragen kann, das Beziehungsgefüge zwischen Arzt und Patient positiv zu beeinflussen. Die Vorstellungen und Ideen der Patienten zu kennen ist notwendig, „um sie für eine positive Veränderung von Krankheitsverläufen im Sinne einer verbesserten ,compliance‘ durch den Patienten selbst fruchtbar zu machen“3. Somit stellen die Laienvorstellungen das Fundament dar, auf dem erfolgreiche Aufklärung und die weiteren Schritte auf dem Weg hin zu einer partizipativen Entscheidungsfindung überhaupt erst einen sicheren Stand finden. Verbunden damit ist die Tatsache, dass es sich bei den meisten Krankheiten
1 um sehr komplexe und abstrakte – und für Laien oft schwer zu fassende – medizinisch-pathologische Zusammenhänge handelt und
2 Ideen von der Pathogenese sowie von den Möglichkeiten der Heilung oft eingebunden sind in ein festes Werte- und Normengefüge, in welchem der Arzt aufgrund seiner Profession eine zentrale Rolle spielt.
Insbesondere Erwartungen (expectations) sind eng verwoben mit dieser Vorstellung von der Rolle des Arztes als Heiler (s.u.). Als Problem für die Arzt-Patient-Beziehung erweist sich mit Blick auf das (disparate) Wissen der Patienten über Krankheiten die Diskrepanz zwischen den Wissensbeständen der Patienten als Laien und dem Wissen der Ärzte als Experten. Hier gilt es, durch gezieltes Erfragen der ideas, eine Vorstellung davon zu bekommen, was Patienten wissen (bzw. glauben) und was nicht. In Zeiten von „Dr. Google“ ist dieses Wissen sehr unterschiedlich ausgeprägt und oft bruchstückhaft.
Die Erfragung von Vorstellungen und Ideen ist funktional bedeutsam: Die patientenseitigen Vorstellungen werden sehr häufig von ihnen selbst für Erklärungsversuche eingesetzt, was zu erheblich greifbareren und nachvollziehbareren Zusammenhängen beiträgt.
Dieser Aspekt könnte für die Arzt-Patient-Interaktion insgesamt förderlich sein:
Diese Art des Erklärens, die auf bruchstückhaftem Wissen und heterogenen Vorstellungen sowie auf Ableitungsregeln mit hinreichendem Allgemeingültigkeitsanspruch basiert, könnte man als ,Laientheoretisieren’ ansehen. Der Umgang der [Patienten] mit ihren eigenen Wissensbeständen innerhalb eines Institutionenkontextes hat einen prozeßhaften Charakter. Gerade der Einblick in diese Prozeßhaftigkeit […] könnte für die Beratungspraxis (insbesondere für die Informationsvermittlung und -bewertung) fruchtbar gemacht werden.4
Neben die medizinisch-psychologische Betrachtung treten gegenwärtig die kognitionswissenschaftlichen Disziplinen, die in neuerer Zeit Krankheitsmodelle auf der Basis von kollektiven und individuellen Wissensbeständen entwerfen. So ist etwa aus der Kognitionslinguistik bekannt, dass bereits Krankheitslabels (Krankheitsnamen) Vorstellungen über solche Parameter (verstanden als konkrete Vorstellungen oder Ideen) evozieren. Die sogenannte Frame-Theorie geht davon aus, dass in Begriffen Sprach- und Weltwissen gemeinsam angelegt sind und dass solche Begriffe abstrakte Vorstellungswelten auslösen.5 Die Idee von einer Krankheit wird auf diese Weise durch Welt- und Erfahrungswissen maßgeblich beeinflusst. Im Modell des CDM (dt. PEF) sind die Informationen über die eigenen Vorstellungen und das Wissen über die eigene Erkrankung tragende Säulen des wechselseitigen Aushandlungsprozesses, da dieser wesentlich auf dem Teilen und der Bereitstellung gemeinsam nutzbaren Wissens basiert. Es handelt sich nämlich um einen „Interaktionsprozess mit dem Ziel […], unter gleichberechtigter und aktiver Beteiligung von Patient und Arzt auf Basis geteilter Informationen zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft zu gelangen“6. Ideas werden im ICE-Modell verstanden als „every opinion of the patient about a possible diagnosis, treatment, or prognosis“7.