Читать книгу Ideas, Concerns and Expectations (ICE) in der Arzt-Patienten-Kommunikation - Sascha Bechmann - Страница 8
1.2 Das ICE-Modell – Definition, Evidenz und Rahmenbedingungen
ОглавлениеWährend im deutschsprachigen Raum sowohl in der Lehre als auch in der Forschung in erster Linie konkrete Techniken der ärztlichen Gesprächsführung im Fokus stehen (beispielsweise die WWSZ-Technik oder das NURSE-Schema)1, werden seit den 1970er-Jahren vor allem in Nordamerika Modelle der Arzt-Patient-Interaktion diskutiert, die für das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten von besonderer Bedeutung sind und die in gegenwärtigen gesundheitspolitischen Forderungen auch hierzulande berücksichtigt werden. Kern dieser Überlegungen bildet die Überzeugung, dass es einen Paradigmenwechsel in der Arzt-Patient-Beziehung gegeben hat, der das Ideal der Patientenorientierung und -zentrierung hervorhebt und eine Abkehr von traditionellen paternalistischen Rollenvorstellungen darstellt.2 In der Konsequenz bedeutet dieser Paradigmenwechsel die Einbeziehung der Patientensicht unter der Berücksichtigung der Patienteninteressen.3 Kommunikation gilt dann als gelungen, wenn diese Einbeziehung gelingt. Gelungene Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten kann nachweislich positive Auswirkungen auf den Behandlungserfolg und somit auf die Gesundheit des Patienten haben: „When the advice is ‚congruent‘ with their beliefs, people are more likely to adhere to medical treatment.“4 Fühlen sich Patienten wertgeschätzt und ernstgenommen, stärkt dies die Vertrauensbasis und führt zu einer Verbesserung der Adhärenz.
Das Modell des shared decision making (SDM) oder collaborative decision making5 (CDM) wird in Deutschland mit der Bezeichnung partizipative Entscheidungsfindung6 (PEF) übersetzt und sagt aus, dass ein tragfähiges Beziehungsmodell zwischen Ärzten und Patienten auf einem „wechselseitigen Prozess der Berücksichtigung medizinischer und zugleich psychologischer Erfordernisse basiert“7. Dieser Prozess ist untrennbar verwoben mit der Einsicht, dass einzig durch den wechselseitigen Austausch relevanter Informationen a) Verständnis hergestellt und b) Einverständnis erzielt werden kann:
Damit der Patient unmittelbar an der Verantwortung beteiligt ist (und nicht nur an der Entscheidung wie im Konsumentenmodell), bedarf es hier der Bereitschaft des Patienten, wichtige Informationen zu teilen, Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen mitzutragen.8
Das Teilen von Informationen, das Tragen von Konsequenzen und die Möglichkeit, Entscheidungen treffen zu können, korreliert m.E. mit den kognitiven Dimensionen Ideen (ideas), Befürchtungen (concerns) und Erwartungen (expectations), die als Grundlage für die Entwicklung des ICE-Modells zu werten sind.9