Читать книгу Geschichten aus dem Wiener Wald von Ödön von Horváth: Reclam Lektüreschlüssel XL - Sascha Feuchert - Страница 6

Erster Teil

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I – Draußen in der Wachau. Gleich in der ersten Szene werden wichtige Figuren vorgestellt und auch schon grundlegend charakterisiert: Tunichtgut AlfredAlfred, ein junger Tunichtgut, der eine Stellung bei der Bank verlassen hat, um mit Sportwetten sein Geld (betrügerisch) zu verdienen, ist bei seiner Mutter und Großmutter zu Gast. Obwohl seine Mutter glaubt, er sei gekommen, um sie zu besuchen, wird schnell klar, dass Alfred sich nur einmal satt essen will. Auch hat er für den Aufenthalt in der Heimat wenig Zeit: Er wird bald von seinem Freund, dem Hierlinger Ferdinand, und seiner Freundin Valerie abgeholt und möchte rasch wieder im »Kabriolett« (S. 7) nach Wien zurück. Doch seine Mutter überredet den Hierlinger Ferdinand, sich noch die Burgruine anzusehen, unterhalb derer sie und die Großmutter leben und die sie »verwalten« (S. 10). Währenddessen bleiben Alfred und Valerie zurück und es wird klar, dass Alfred die »ältere Dame« (S. 9), wie er Valerie seiner Mutter gegenüber nennt, bei seiner letzten Wette – wohl erneut – Betrug an Valerie und Großmutterbetrogen hat. Offenbar hat er das Geld der »Kanzleiobersekretärswitwe« (S. 12) gesetzt und gewonnen, aber ihr nicht die korrekte Gewinnsumme ausgezahlt. Auch scheint Alfred mit Valerie mehr zu verbinden, als er gegenüber seiner Mutter zugegeben hat: Jedenfalls küsst sie plötzlich seine Hand. Alfreds Großmutter hat ihm anscheinend ebenso Geld geliehen: Sie fordert dieses nun (erfolglos) von Alfred zurück, weil sie kurz vor ihrem 80. Geburtstag steht, ihren nahenden Tod fürchtet, aber »um [ihr] eigenes Geld begraben werden« (S. 13) möchte. Zwischen ihr und Alfred kommt es davor noch zu einer ungewöhnlichen Szene: Als die Großmutter bemerkt, dass ihr Enkel von ihrer sauren Milch gegessen (»gestohlen«, S. 9) hat und sich darüber beschwert, streckt Alfred ihr die Zunge heraus und ruft »Bäääh«, was sie mit der gleichen Geste und dem gleichen Ausruf quittiert.

II – Stille Straße im achten Bezirk. Die Szene wechselt in eine – auf den ersten Blick – Gediegene Gegendbeschauliche Straße in der Josefstadt, dem achten Wiener Stadtbezirk. Hier liegen eine Metzgerei, ein Puppenladen und ein Tabakladen, der auch Zeitungen, Zeitschriften und Ansichtspostkarten verkauft, friedlich nebeneinander. Über dem Puppen- und Spielwarenladen befindet sich die Wohnung des Besitzers, der sich nach dem Namen seines Ladens »Zauberkönig« nennt. Doch neben den Schaufensterauslagen der Geschäfte – Schweinsköpfe und Rinderhälften hier, Totenköpfe und ein Skelett da – macht auch der erste Dialog deutlich, dass es in Wirklichkeit hinter den Fassaden Rau und brutal rau und brutal zugeht: Oskar, der Fleischermeister, spricht mit seinem Gehilfen Havlitschek über ein elfjähriges Mädchen, das gerade in der Metzgerei eingekauft und sich dabei negativ über die Blutwurst des Metzgergesellen geäußert hat. Havlitschek entwickelt deshalb eine Gewaltphantasie: »[A]m liebsten tät ich so was abstechen« (S. 14). Oskar reagiert darauf mit einem Lächeln. – Im anschließenden Gespräch zwischen dem Metzger und dem vorbeikommenden Rittmeister wird klar, dass Oskars Mutter vor genau einem Jahr verstorben ist und es an diesem Tag einen Gedenkgottesdienst für sie geben wird. Während der Fleischer die Szene vorübergehend verlässt, um sich für diesen Anlass umzuziehen, trifft der Rittmeister auf Valerie, der der kleine Tabakladen gehört. Zwischen den beiden entspinnt sich ein kurzes Gespräch über Glück und Liebe. Schließlich werden Marianne und ihr Vater, der Zauberkönig, eingeführt; Letzterer bereitet sich ebenso auf die Trauerfeier vor. Der Zuschauer/Leser erfährt außerdem, dass Marianne und der Fleischer Oskar Geplante Hochzeit Oskar – Marianneheiraten wollen – und bekommt gleich einen Einblick in die Beziehung der beiden: Als sie sich küssen, beißt Oskar Marianne und tut ihr weh. Der Schluss des zweiten Bildes hält noch eine weitere wichtige Begegnung bereit: Während Alfred auf dem Weg zu Valerie ist, Erste Begegnung Alfred – Marianneerblickt er Marianne im Schaufenster des Puppengeschäfts. Alfred ist sofort interessiert, während Marianne wenigstens »fast fasziniert« (S. 21) ist, wie es im Nebentext heißt. Valerie, die alles beobachtet hat, trennt sich daraufhin von Alfred und ruft ihm leise Schimpfwörter hinterher: »Luder. Mistvieh. Zuhälter. Bestie« (S. 23).


Abb. 1: Vorbild für die Stille Straße, die Puppenklinik und den Balkon des Zauberkönigs ist die »Lange Gasse« im 8. Wiener Bezirk. – Wikipedia / Gert Anstein

III – Am nächsten Sonntag im Wiener Wald. Die umfangreiche Szene spielt auf einer PicknickLichtung des Wienerwaldes am Ufer der Donau, wohin die Familien von Marianne und Oskar sowie einige ihrer Bekannten einen Ausflug unternehmen. Oskar macht zu Beginn Fotos von allen, bevor sich die Gesellschaft in verschiedene Gruppen auflöst: Valerie streitet sich erneut mit Alfred, der trotz der Trennung der beiden zu diesem kleinen Fest gekommen ist, und wendet sich dann dem deutschen Studenten Erich zu, einem entfernten Verwandten des Zauberkönigs. Ziemlich unverhohlen gibt sie ihr (sexuelles) Interesse an dem jungen Mann zu verstehen, der sich im weiteren Verlauf als strammer Nationalsozialist entpuppt. Doch auch Valerie scheint antisemitisch eingestellt zu sein: »Ja glaubens denn, dass ich die Juden mag?« (S. 29) Zur gleichen Zeit nähern sich Alfred und Marianne an, wobei Marianne gesteht, dass sie Oskar nicht liebt und eigentlich gerne selbst berufstätig wäre. Trotzdem verkündet der Zauberkönig die Offizielle Verlobung Oskar – MarianneVerlobung der beiden, die für ihn offenbar vor allem aus finanziellen Gründen wichtig ist. Gleich zweimal verrät sich auch Oskar und zeigt, wie er tatsächlich zu Marianne steht: Als er bemerkt, dass ihn Alfred um Marianne beneidet, bezeichnet er diesen als »geschmacklose[n] Mensch[en]« (S. 30) – wohl kaum ein Kompliment für Marianne. Und nur wenig später offenbart er wieder seine Brutaler OskarBrutalität, als er an seiner Verlobten Jiu-Jitsu-Griffe demonstriert und ihr erneut wehtut. Am Ende der Szene gehen die Gäste in der Donau baden – zuvor aber zeigt der Zauberkönig noch sein sexuelles Interesse an Valerie flirtet mit Zauberkönig und ErichValerie, die diesem genauso wenig abgeneigt zu sein scheint wie Erich gegenüber, dem sie sogar ein Zimmer zur Untermiete anbietet.

IV – An der schönen blauen Donau. Als Marianne das Wasser verlässt, wartet Marianne kommt mit Alfred zusammenAlfred bereits auf sie und beide fallen nach einem kurzen Vorgeplänkel einander in die Arme und küssen sich innig. Marianne meint, in Alfred ihren »Schutzengel« (S. 39) getroffen zu haben, der sie vor der Ehe mit Oskar rettet. Alfreds indirekt ausgesprochenen Warnungen vor einer Beziehung mit ihm – er spricht von ›vernünftiger Liebe‹ und teilt ihr mit, dass er kein Geld habe (vgl. S. 38) – ignoriert sie. Gleichwohl scheint auch Marianne unbewusst zu bemerken, dass diese neue Liebe etwas Zerstörerisches an sich hat: »[W]ie der Blitz hast du in mich eingeschlagen und hast mich gespalten« (S. 38). Ihr Vater, der zu den beiden tritt und offenbar alles mit angehört hat, versucht noch auf Marianne einzuwirken, doch sie Trennung von Oskarlöst kurz darauf die Verlobung mit Oskar und schleudert ihm ihren Ring ins Gesicht. Dieser akzeptiert die Trennung scheinbar großherzig, allerdings schwingt in seiner Bemerkung »ich werde dich auch noch weiter lieben, du entgehst mir nicht« (S. 40) deutlich vernehmbar eine Drohung mit. Der Der Zauberkönig bricht mit MarianneZauberkönig sagt sich schließlich von seiner Tochter los und Marianne beendet den ersten Teil des Dramas mit dem Wunsch, von Alfred ein Kind zu bekommen.

Geschichten aus dem Wiener Wald von Ödön von Horváth: Reclam Lektüreschlüssel XL

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