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2. EMPIRISCHE BEFUNDE

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Zwei Zugangsweisen sollen für den Einblick in empirische Befunde zu familialen Lebensformen gewählt werden. Zunächst werden mithilfe des Mikrozensus 2017 quantitative Ergebnisse bezüglich familialer Lebensformen dargestellt. Auf diese Weise soll die Häufigkeit verschiedener Familienformen abgebildet werden. Zudem ermöglichen die Ergebnisse des Mikrozensus eine Darstellung gesellschaftlicher Entwicklungen, da Veränderungen seit 1996 miteinander vergleichbar sind.267 Dadurch kann mit quantitativen Ergebnissen auf die Diskussion um den Stand der Kernfamilie und anderer Familienformen eingegangen werden. Dieser Zugang wird um Leitbildstudien ergänzt, welche teils auf quantitativen, teils auf qualitativen Studien beruhen. Ziel soll es sein, familienbezogene Vorstellungen und Erwartungen herauszuarbeiten, um so Familienbilder zu gewinnen. So wertvoll beide Zugänge für sich genommen bereits sind, so sehr sollen sie doch auch in einen Zusammenhang gestellt werden. Würden einzig und allein die Daten des Mikrozensus zugrunde gelegt werden, könnte man zwar die Häufigkeit familialer Lebensformen in Deutschland darstellen, allerdings blieben die hinter den Zahlen stehenden Vorstellungen im Dunkeln. Wiederum würden Leitbildstudien zwar Aussagen über prägende und handlungsorientierende Vorstellungen familialen Lebens und Handelns liefern, doch können erst Daten wie die des Mikrozensus ansatzweise zeigen, inwieweit sich Familienbilder in der Wirklichkeit de facto widerspiegeln.

Empirie und Theorie stellen sich ergänzende Zugänge zu soziologischen Themen dar, weshalb hier auch empirische Befunde und theoretische Ansätze in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden sollen. Theorie und Empirie sind zwei gleichberechtigte Säulen der Soziologie.268 Ohne Empirie wären Theorien schnell Behauptungen über die Wirklichkeit, die Gefahr laufen, einer Überprüfung mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht standzuhalten. Andererseits stellen empirische Untersuchungen nur einen Teil der Wirklichkeit dar. Dies ist darin begründet, »dass die volle soziale Wirklichkeit – also das ganze ›Material‹ möglicher Erkenntnis – niemals vollständig erfasst werden kann.«269 Ein weiteres Problem empirischer Forschung besteht sodann darin, dass diese ihrem Anspruch nach zwar werturteilsfrei sein soll, sie diesem Anspruch aber niemals gerecht werden kann, da die subjektive Wahrnehmung des Fragenden immer in das Thema einfließt. Empirische Forschung ist stets interessengeleitet. Auch die Befragten steuern ihrerseits nicht nur ihre stets subjektiven Antworten bei, sondern nehmen die Fragen bereits subjektiv wahr.270 Die interessengeleitete Wahrnehmung empirischer Daten führt dazu, dass bei der Prüfung von Zusammenhängen jene Ergebnisse wahrgenommen werden, die die eigenen Vorurteile und Hypothesen bestätigen. Beobachtungen, die jene Urteile und Hypothesen gar falsifizieren würden, werden infolge der selektiven Wahrnehmung kaum beziehungsweise gar nicht registriert.271

Das Problem der ausschnitthaften Darstellung der Wirklichkeit kann anhand des Mikrozensus veranschaulicht werden. Die den Familien mit Kindern zugrunde liegenden Lebensformen werden lediglich in Ehepaare, Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende unterschieden.272 Weitere Differenzierungen werden hier nicht vorgenommen, sodass offen bleibt, ob es sich bei den Ehepaaren um in erster Ehe verheiratete Menschen oder Wiederverheiratete handelt. Des Weiteren kann keine Erkenntnis darüber gewonnen werden, ob die Kinder die gemeinsamen leiblichen oder in die Ehe mitgebrachten Kinder sind. Das Problem der Interessenleitung wiederum kann mittels der Leitbild-Studien verdeutlicht werden. So werden dort in aller Regel Antwortmöglichkeiten vorgegeben, denen die Befragten zustimmen oder nicht zustimmen sollen. Es werden also bestimmte Bilder bereits vorgegeben. Aus deren etwaiger Ablehnung können jedoch noch keine Aussagen über alternative Familienleitbilder getroffen werden. Weder die partielle Darstellung noch die Selektivität können vermieden werden. Gerade deshalb sollten sie bei den folgenden Ausführungen bewusst sein und reflektiert werden.

Von der Form zur Beziehungsgestaltung

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