Читать книгу Codename: Ghost - Sawyer Bennett - Страница 7
Kapitel 4
ОглавлениеAnna
Es klopft an meiner Tür. Mit einem schnellen Blick auf Averys Stubenwagen, den ich in die Küche geschoben habe, gehe ich durchs Wohnzimmer, um zu öffnen.
Wie erwartet steht Cage mit einem Sechserpack Bier in einer Hand und einem Teddybären in der anderen vor der Tür. Kurz lächelt er mich an, und sein Blick geht an mir vorbei in die Küche, wo er den Stubenwagen sieht.
„Da ist ja mein Mädchen“, schnurrt er mit funkelnden Augen. Er drückt mir das Bier in die Hand und steuert direkt auf Avery zu.
Die meisten Frauen wären beleidigt, wenn ein Mann zum Essen kommt und sie dann wegen eines niedlichen Babys ignoriert. Doch so ist es nicht zwischen Cage und mir. Wir sind nur Freunde, und das wird auch immer so bleiben.
Allerdings gute Freunde. Wir sind uns unglaublich nah gekommen, und ich weiß nicht wirklich, warum. Er hat seine Kumpels, vor allem die Jungs bei Jameson, und seinen besten Freund Bodie, der in der Jameson-Filiale in Vegas arbeitet. Ich habe meine Freundinnen und meine beste Freundin Delaney aus der Highschool, die immer noch in Pittsburgh lebt. Wir treffen uns ein paarmal im Monat auf einen Drink, und sie war mir eine enorme Unterstützung, als Jimmy gestorben war. Ich habe Bettruhe halten müssen, weil der Stress mir Krämpfe und Blutungen verursacht hatte. Dank Mom und Delaney habe ich während der ganzen Trauerzeit und Schwangerschaft konstante Hilfe gehabt.
Also ja, wir haben unsere eigenen Freundeskreise, aber wir haben auch einander.
Vielleicht fühlt er sich mit mir verbunden, weil ich in der Army war. Cage war in der Navy. Schon immer habe ich gute Beziehungen zu Männern aufbauen können, wohl weil ich keine allzu mädchenhafte Frau bin. Zwar kann ich mich gut zurechtmachen, aber ich fühle mich genauso wohl in Jeans und Flanellhemd bei einem Bier. Auch kann ich mit Waffen umgehen, was irgendwie ein Vorteil für eine Freundschaft mit dem männlichen Geschlecht zu sein scheint.
Wer weiß das schon, aber in den vergangenen fünf Monaten waren Cage und ich oft zusammen und sind uns nähergekommen. Außerdem ist Cage total begeistert von Avery. Er wird einmal ein gutes Vorbild für ihr Männerbild in ihrem Leben sein.
Wir versuchen, einmal pro Woche zusammen zu essen. Normalerweise gehen wir irgendwo in ein Restaurant, bevor ich Avery von Mom abhole, aber da mein Geschirrspüler undicht ist, habe ich Cage gebeten, ihn sich anzusehen, und ihm dafür ein Abendessen bei mir angeboten. Ich kann gut kochen, also ist es ein fairer Tausch.
„Was immer du gekocht hast, es riecht fantastisch“, sagt Cage über die Schulter hinweg. Er beugt sich über den Stubenwagen. Ohne zu zögern, hebt er Avery heraus, schnüffelt an ihrem Kopf und inhaliert ihren Babyduft. „Verdammt, sie riecht auch fantastisch. Warum riechen Babys nur immer so gut?“
Lachend gehe ich zum Ofen und werfe einen Blick auf die Enchiladas. Sie brauchen noch ungefähr zehn Minuten. Ich nehme zwei Bier aus dem Sechserpack und stelle die restlichen in den Kühlschrank.
Ich öffne das Bier. „Sie ist frisch gebadet, natürlich riecht sie gut. Wieso bist du eigentlich nie da, wenn ich ihr die Windel wechsele? Dann wüsstest du, dass Babys nicht immer gut riechen.“
Cage blickt Avery an, die in seinen Arm geschmiegt ist. Mit ihren großen blauen Augen sieht sie ihn an. Er grinst. „Deine Mom erfindet Sachen, oder? Ich wette, deine Kacka riecht nach Lollipops und Regenbögen, nicht wahr?“
Ich verdrehe die Augen und reiche ihm ein Bier. „Oh mein Gott. Erzähle ihr nicht so einen Mist.“
„Weil sie mich auch so gut versteht“, antwortet er scherzhaft.
„Nein, aber du wirst dir angewöhnen, ihr Blödsinn zu erzählen, und ich muss dann ein Vermögen für eine Therapie ausgeben, um den ganzen Scheiß aus ihr rauszubekommen.“
Cage schnaubt und geht an den Küchentisch, an den nur zwei Personen passen. Dieses kleine Apartment ist nichts Besonderes, aber momentan alles, was ich brauche. Es hat nur ein Schlafzimmer, das ich zu Averys Kinderzimmer erkoren habe. Ich schlafe auf der ausziehbaren Couch im Wohnzimmer. Mom versteht nicht, warum ich unbedingt mein eigenes Apartment brauche, doch ich konnte einfach nicht wieder nach Hause ziehen. Das erschien mir als ein großer Rückschritt auf meinem Weg in die Eigenständigkeit. Aber ich konnte nicht mehr in dem Haus bleiben, das ich mit Jimmy gemietet hatte, als wir hergezogen sind und er den Job bei Jameson angenommen hat. Das Leben, das ich mit ihm geführt habe, war einfach anders als mein jetziges, und alles in dem kleinen Haus erinnerte mich qualvoll daran, dass ich diesen Traum nun nie mehr leben werde.
Cage stellt sein Bier auf den Tisch und ignoriert es, weil er von Avery total eingenommen ist. Ich lehne mich an die Arbeitsplatte und betrachte die beiden einen seligen Moment lang. Ich liebe es, wenn sich jemand mit meiner Tochter beschäftigt. Dann fühle ich mich normaler, denn das tue ich ebenfalls ständig. Aber ehrlich, sie ist einfach das niedlichste Baby überhaupt.
Ich zucke zusammen, als die Uhr am Ofen piepst, stelle mein Bier ab und sehe nach den Enchiladas. Der Käse ist leicht gebräunt und blubbert, was genau richtig ist. Ich nehme sie heraus, stelle sie auf den Herd, drehe die Hitze ab und lasse das Essen etwas ruhen.
Ich greife nach meinem Bier und erwähne nebenbei: „Heute habe ich Malik gesehen.“
Er nimmt den Blick nicht von Avery. „Ja, ich habe gehört, dass er wieder da ist, ihn aber noch nicht gesehen.“
„Er wohnt in einem der Apartments.“
„Sicher hatte er heute sein Debriefing.“ Cage lächelt Avery an. „Aber ich bezweifle, dass Kynan ihn direkt wieder einsetzt. Nicht nach allem, was der Mann durchgemacht hat.“
Ich kenne die Details, weil ich Cage gnadenlos ausgequetscht habe. Über das unzumutbare Loch, in das Malik geworfen worden ist, die frostigen Temperaturen, das Halb-Verhungertsein und die Einsamkeit. Mir dreht sich fast der Magen um, wenn ich daran denke.
„Hast du die Männer getötet, die Malik entführt haben?“ Nach diesem Detail habe ich ihn noch nicht gefragt.
Damit erlange ich Cages Aufmerksamkeit. Er sieht mich an, zögert jedoch nicht mit der Antwort. Er weiß, dass ich mit solchen Informationen umgehen kann. Schließlich habe ich Kynan gebeten, mir auch zu erzählen, wie Jimmy gestorben war, und er sagte mir, so viel er konnte, ohne die Geheimhaltungsstufe zu verletzen.
„Ich habe keine Ahnung, wer ihn entführt hat, aber ja, wir haben die Kerle umgebracht, die ihn bewacht haben. Alle haben wir nicht erwischt, weil sie die Wachen alle paar Tage abgelöst haben.“
„Gut“, antworte ich leise und sehe Avery an, die in Cages Armen liegt. Es fühlt sich ein bisschen wie Rache für Jimmy an, dass zumindest einige, die für seinen Tod verantwortlich sind, nun ebenfalls tot sind. Und auch um Maliks willen, da die Kerle es verdient haben, weil sie ihn so behandelt haben.
„Meinst du, Malik ist okay?“, frage ich.
Er sieht mich eine Weile an, bevor sein Blick wieder auf Avery fällt und er sie sanft hin und her wiegt. „Ich glaube, er ist ein Typ, der damit umgehen kann. Immerhin hat er Special-Forces-Erfahrungen. Er wurde für solche Sachen trainiert. Allerdings müssen wir natürlich alle schwer daran arbeiten, über so etwas wegzukommen.“
Ich senke das Kinn und mein Magen krampft sich zusammen bei dieser Andeutung. „Musstest du auch schon mal über so etwas wegkommen?“
„Ja“, antwortet er, was mir noch mehr im Magen wehtut. Er blickt zwischen Avery und mir hin und her. „Vor fast zwei Jahren war ich mit Bodie auf einer Mission. Ich wurde angeschossen …“
„Was?“, rufe ich dazwischen.
Cage fordert mich mit seinem Blick auf, den Mund zu halten. Er nickt zu Avery, die in seinen Armen döst. Mit leiser Stimme und keinem Zögern, es mir zu erzählen, fährt er fort. „Wir wurden beide geschnappt. Glücklicherweise versorgten unsere Entführer unsere Wunden ziemlich gut. Die Regierung hat schnell ein Team aus CIA- und SEAL-Agenten zusammengestellt und wir wurden nach weniger als vierundzwanzig Stunden gerettet. Das war also nichts im Vergleich zu Maliks Geschichte.“
„Spiel das nicht herunter …“
„Tue ich nicht“, versichert er und sieht mich wieder an. Er steht auf, geht zum Stubenwagen und legt die schlafende Avery hinein. Dann kommt er zu mir und legt seine Hände auf meine Schultern. „Aber für so etwas werden wir trainiert. Wir alle wissen, was passieren kann und welchen Preis wir vielleicht zahlen müssen. Und jeder, den Kynan ins Team nimmt, hat etwas in sich, was ihm hilft, darüber hinwegzukommen. Vielleicht ist es die Akzeptanz, dass das Schicksal ein Arschloch sein kann. Wir können es nicht kontrollieren. Oder vielleicht haben wir etwas, was normale Leute nicht haben. Ich kann es nicht beschreiben. Im Endeffekt aber glaube ich, dass Malik damit fertig werden wird.“
Mir ist nicht bewusst gewesen, wie besorgt ich um Malik bin, bis ich Cages beruhigende Worte höre. Erleichtert atme ich tief aus und frage mich, ob Jimmy auch dieses Etwas in sich hatte. Die wahre Akzeptanz, dass der Tod nun mal kommt, wenn er kommt, oder einfach eine innere Stärke, die man nicht erklären kann.
Daran würde ich gern glauben. Er war so stark und zuversichtlich. Glaubte voll an seinen Beruf. Er war durch und durch ein Beschützer, nicht nur von mir und seinem ungeborenen Kind, sondern des Friedens generell. Er hat nicht eine Sekunde gezögert, diesen Auftrag anzunehmen. Auch wenn er mir versprach, auf sich aufzupassen, musste ihm klar gewesen sein, dass er einer von denen sein könnte, die nicht mehr zurückkommen.
Ich schüttele den Kopf, um mich aus diesen Gedanken zu holen, und lächele Cage zittrig an. „Wie wäre es, wenn wir jetzt essen und uns über etwas Schöneres unterhalten?“
Lachend nimmt er sein Bier und stößt damit an meins. „Darauf stoßen wir an.“
Unter meinen Anweisungen legt Cage die Teller, Servietten und Bestecke auf den Tisch. Nachdem ich die weichen Enchiladas aufgetan habe, setzen wir uns, und die schlafende Avery liegt in ihrem Stubenwagen neben uns.
„Ich habe Neuigkeiten zu berichten“, sagt Cage und gabelt sein Essen auf.
Das Zögern in seiner Stimme zeigt an, dass es ihm schwerfällt.
„Ach ja?“ Ich halte mit meiner Gabel inne und konzentriere mich ganz auf ihn.
Er grinst leicht, was mit seiner Unsicherheit konkurriert. Das macht mich erst recht neugierig.
„Worum geht es?“ Ich zerteile meine Enchilada in zwei Stücke.
„Ich treffe mich mit jemandem.“
Mein köstliches, käsiges Essen ist vergessen und ich sehe ihn an. „Du triffst dich mit jemandem?“, wiederhole ich dümmlich, denn das ist einfach noch nie da gewesen. Es scheint gegen Cages Ethik zu verstoßen. Er ist ein Playboy, ein bekannter bunter Hund. Er hasst die Vorstellung von Monogamie und glaubt, wahre Liebe ist etwas für Spießer.
Leicht verlegen sieht er mich an. „Es ist noch frisch, aber wir sind schon ein paarmal miteinander ausgegangen …“
„Ein paarmal?“, entkommt es mir erstaunt. Cage ist ein strikter Einmal-und-fertig-Typ. Er gibt sogar damit an, nie mit derselben Frau zweimal ausgegangen zu sein.
„Fünfmal“, stellt er klar. „Wir sind schon fünfmal ausgegangen. Ich habe sogar schon ihren Bruder kennengelernt.“
Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück und sehe meinen Freund an, als wäre ihm ein Geweih gewachsen.
„Was denn?“, fragt er mich leicht ärgerlich. „Dass ich mich mit jemandem regelmäßig treffe, ist doch nicht außerhalb der Realität.“
„Doch, wenn du dich so vehement gegen Monogamie und Beziehungen wehrst.“
„Was soll ich sagen?“ Er isst ein Stück Enchilada, kaut und schluckt. „Sie ist anders.“
„Wie heißt sie?“ Ich kann das Misstrauen nicht aus meiner Stimme verbannen, denn ich glaube immer noch, dass er mich nur veräppelt.
„Jaime“, antwortet er mit verzücktem Gesicht.
Heilige Scheiße, er ist total verschossen.
An dieser Stelle würde ihn jeder gute Freund damit aufziehen, aber ich möchte ihn nicht verschrecken. Ich will mehr darüber wissen. „Erzähl mir von ihr.“
Er grinst albern und schiebt sich noch einen Bissen in den Mund. Mit einem Schluck Bier spült er ihn hinunter. „Sie ist toll. Du würdest sie mögen. Sie ist total geerdet und gar nicht anspruchsvoll. Auch wenn sie jedes Recht dazu hätte, denn sie ist einfach großartig.“
Ich lausche Cage, wie er poetisch über die Frau dahinschmilzt. Während wir essen und Bier trinken, höre ich alles über Jaime, die auf jeden Fall mehr von Cage ergattert hat als nur seine Aufmerksamkeit. Ich frage mich, ob er ernsthaft verliebt ist. Hoffentlich. Ich erinnere mich an das Gefühl für Jimmy. Cages verträumten Ausdruck zu sehen und den Respekt, den er für Jaime hat, lässt mich wieder an das Wunder der Liebe glauben.
„Sie klingt echt toll“, sage ich, als ihm langsam das Lob über sie ausgeht.
„Das ist sie“, sagt er niedergeschlagen. „Aber es gibt ein Problem.“
„Was denn?“
„Als wir uns das erste Mal getroffen haben, habe ich ihr erzählt, dass ich ein Gebrauchtwagenverkäufer bin. Und jetzt denkt sie, das wäre mein Beruf.“
Ungläubig öffne ich den Mund. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Warum zum Geier hast du das gemacht?“
Cage zuckt mit den Schultern und sein Gesicht wird rosa. „Weil … weil ich immer die Erwartungen der Frauen niedrig halten will, verstehst du? Wenn ich eine Frau treffe, dann erfinde ich immer irgendeinen Beruf. Meistens einen völlig uninteressanten, langweiligen, sodass sie sich nicht zu sehr für mich begeistert. Dann kann ich später leichter wieder gehen, ohne dass sie der geilen Vorstellung des großen bösen Sicherheitsexperten nachtrauert.“
Ich starre ihn an. „Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe.“
„Hey!“ Er tut beleidigt. „Das hat immer super funktioniert. Außer jetzt. Ich mag Jaime wirklich. Ich will sie weiter treffen, aber ich habe Angst, dass sie mich abserviert, wenn sie erfährt, dass ich sie die ganze Zeit belogen habe.“
„Aber du musst ihr die Wahrheit sagen.“ Ich deute mit dem Finger auf ihn. „Wenn sie dich wirklich auch mag, dann wird sie dir verzeihen.“
„Ich weiß nicht so recht“, antwortet er skeptisch. „Außerdem wird das Ganze eh nicht lange halten, oder? Ich bleibe ja nie dauerhaft.“
„Außer, dass du mir die ganze Zeit vorgeschwärmt hast, wie sehr du sie magst“, gebe ich zu bedenken.
„Fuck“, murmelt er und steht auf. „Ich brauche noch ein Bier. Vielleicht kannst du mich dann überzeugen, das Richtige zu tun.“