Читать книгу Dax (Arizona Vengeance Team Teil 4) - Sawyer Bennett - Страница 5
Kapitel 1
ОглавлениеDax
Ich klingle an der Tür von Lance’ Wohnung in Midtown Manhattan und warte darauf, dass seine Schwester aufmacht.
Regan Miles ist sechs Jahre jünger als ich, also zweiundzwanzig, und ich kenne sie schon ihr ganzes Leben. Ihr Bruder, Lance, war mein bester Freund, so lange ich denken kann. Wir wohnten im selben Viertel und unsere Eltern schickten uns in dieselbe Freizeiteishockeygruppe. Wir wuchsen gemeinsam in diesem Sport auf, machten den ganzen Weg durch die Major Juniors zusammen. Als wir sechzehn waren, wurden wir bei den Detroit Bears aufgenommen, einem von nur acht amerikanischen Teams, die in der kanadischen Eishockeyliga für Jugendliche spielen.
Wir waren immer zusammen, bis wir beide in die NHL kamen. Lance landete bei den Vipers, wo er seine gesamte Karriere verbrachte. Ich dagegen kam zu den Toronto Blazers und wechselte später zu den Vipers, für die ich drei Jahre lang spielte. Danach wurde ich zu meinem jetzigen Team, der Arizona Vengeance, getradet.
Unsere Freundschaft hat nie darunter gelitten. Wir redeten, schrieben uns SMS und besuchten einander, wann immer wir konnten. In den Sommerferien waren wir gemeinsam unterwegs. Erst im letzten Sommer verbrachten Lance und ich fast einen Monat in Rio, um die herrlichen Strände und die noch schöneren brasilianischen Ladys zu genießen.
Ich denke an die Frau, die Regan im Laufe der Jahre geworden ist. Lance hatte sich überhaupt nicht verändert, aber ich habe seine Schwester kaum wiedererkannt, als ich nach seinem Tod nach New York flog.
Das Rasseln der Kette auf der anderen Seite der Tür lässt mich zusammenzucken. Als Regan mit einem sanften Lächeln öffnet, muss ich fast die Augen wegen ihrer Schönheit zusammenkneifen. Irgendwann in den letzten Jahren, während sie in Kalifornien ihr Studium absolvierte, ist sie erwachsen geworden.
Sie hat sich regelrecht verwandelt.
Die Sexbombe, die vor mir steht, sieht ganz anders aus als der schlaksige, vierzehnjährige Teenager, den Lance allein aufziehen musste, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Meine letzte klare Erinnerung an Regan ist, dass sie eine Zahnspange, Akne und ein paar Pfund Übergewicht hatte. Sie war schüchtern und süß und bewunderte ihren Bruder wegen all der Opfer, die er brachte, um sie bei sich zu haben, während er sich in der Welt des professionellen Eishockeysports einen Namen machte.
Die Frau vor mir ist nicht die Regan Miles, an die ich mich erinnere.
Diese Frau ist eine Zwanzig auf einer Skala von eins bis zehn. Karamellfarbenes, an den Spitzen helleres und in Wellen gestyltes Haar, das ihr über die Schultern und den Rücken fällt. Sie ist um einige Zentimeter gewachsen und hat sich an den richtigen Stellen entwickelt. Der Babyspeck in ihrem Gesicht wurde von wohlgeformten Wangenknochen und Augenbrauen ersetzt, die die schönsten grünen Augen einrahmen, die ich je gesehen habe.
Sie ist wie eine verdammte Fremde für mich, und doch habe ich ihr unterschwellig immer geschwisterliche Gefühle entgegengebracht.
Sie ist meine einzige Verbindung zu Lance.
Deshalb bin ich jetzt hier. Weil Lance bei einem gewöhnlichen Raubüberfall getötet wurde und mit Regan etwas nicht stimmt. Ich will herausfinden, was los ist, also habe ich sie auf einen Drink eingeladen. Wir hatten heute Abend ein Spiel gegen die New York Phantoms, das wir gewonnen haben, und das Flugzeug fliegt erst am frühen Morgen. Ich wollte nachsehen, wie es Regan geht, denn bei den wenigen Malen, die wir seit der Beerdigung miteinander gesprochen haben, habe ich gemerkt, dass sie mit etwas zu kämpfen hat. Ich habe versucht, es aus ihr herauszukitzeln, aber sie war stur und hat darauf bestanden, dass alles in Ordnung ist.
„Ich bin gleich fertig“, sagt sie, dreht mir den Rücken zu und geht ins Wohnzimmer. Es ist ein Schlag in die Magengrube, zu sehen, dass es leer ist bis auf eine Handvoll gepackter Kisten. Ich nehme an, dass sie den Inhalt von Lance’ Leben enthalten, den er seiner Schwester hinterlassen hat. Sie hat sich in den letzten Wochen in New York aufgehalten, um sich um Nachlassangelegenheiten und dergleichen zu kümmern.
„Hast du alle seine Möbel verkauft?“, frage ich, als sie an der Küchentheke stehen bleibt und ein Paar Ohrringe in die Hand nimmt.
Sie neigt den Kopf, um einen anzulegen. „Die meisten davon. Den Rest und seine gesamte Kleidung habe ich einem Obdachlosenheim gespendet.“
Ich zucke zusammen. „Das war bestimmt hart.“
Sie nickt und blinzelt Tränen zurück, während sie den anderen Ohrring ansteckt. „Rational gesehen weiß ich, dass es dumm wäre, die Sachen zu behalten. Ich meine … was soll ich denn mit der Unterwäsche oder den T-Shirts meines Bruders anfangen?“
„Aber innerlich willst du diese Verbindung zu deinem Bruder nicht aufgeben“, vermute ich.
Mit einem weiteren sanften Lächeln nickt sie. „Das fasst in etwa zusammen, wie die letzten paar Wochen waren. Ich habe das Gefühl, dass ich ihn immer wieder verliere, während ich sein Leben hier ausmiste.“
Wir starren uns an, und ich versuche, den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken. Mein Kummer über den Verlust von Lance ist immer noch rau und schmerzhaft. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es für sie ist.
Regans Unterlippe bebt, sie holt tief Luft und lacht nervös. „Lass uns über etwas anderes reden. Ich will mein Make-up nicht ruinieren.“
Ich lache nicht.
Stattdessen eile ich durch das leere Wohnzimmer und ziehe sie in meine Arme. Sie erlaubt es ohne Widerstand und drückt ihr Gesicht an meinen Hals. Ich festige meine Umarmung mit einer Hand auf ihrem unteren Rücken und der anderen in ihrem Nacken.
Es ist zu viel für sie, und sie schluchzt ein wenig, bevor sie loslässt. Bei der Beerdigung hat sie geweint, aber bei allen übrigen Gelegenheiten hat sie sich stets zusammengerissen, während sie mit den Menschen sprach, die kamen, um Lance die letzte Ehre zu erweisen. Sie hat nie die Fassung verloren, und das war meiner Meinung nach falsch.
Nicht, dass sie etwas falsch gemacht hätte, aber ich glaube nicht, dass sie jemals die Chance hatte, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie musste sich mit den Bestattungsvorbereitungen, der Beerdigung ihres Bruders und all den losen Enden beschäftigen, die nach dem Tod eines Menschen zurückbleiben.
Regan neigt den Kopf, sodass ihr Gesicht nun an meine Brust gedrückt wird. Ich spüre, wie die Wärme ihrer Tränen in den Stoff meines Hemdes eindringt. Ich drücke sie fester an mich und wiege sie hin und her, ohne ein Wort zu sagen, um die Katharsis ihres Kummers nicht zu unterbrechen.
Als sie sich zu beruhigen beginnt, ziehe ich mich ein wenig zurück, um sie anzusehen. Die schwarzen Spuren ihrer Mascara unter ihren Augen und auf ihren Wangen lassen sie noch zerbrechlicher und verletzlicher erscheinen.
Ich schenke ihr ein Lächeln und hoffe, dass sie es erwidert. Ich will, dass sie anerkennt, dass Weinen gut und in gewisser Weise befreiend ist.
Stattdessen kaut sie auf ihrer Unterlippe herum, während sie versucht, die Schwärze unter ihren Augen wegzuwischen. Es ist nur ein kurzer Moment, aber ich sehe, dass sie wegen irgendetwas unglaublich beunruhigt ist. Es ist genauso schnell wieder verschwunden, als sie mir ein übermäßig strahlendes Lächeln schenkt, das gezwungen und schmerzerfüllt wirkt.
„Was ist los, Regan?“, frage ich und lege meine Finger unter ihr Kinn, damit sie mich ansieht. „Etwas stimmt nicht, und ich will wissen …“
„Es ist nichts“, sagt sie in einem Tonfall, der so automatisch und roboterhaft klingt, dass offensichtlich ist, dass das genaue Gegenteil die Wahrheit ist.
„Regan … ich bin es. Du kennst mich schon dein ganzes Leben. Du weißt, was Lance mir bedeutet hat. Ich schwöre bei Gott, was auch immer falsch läuft, ich werde dir helfen, es in Ordnung zu bringen. Es ist nicht schlimm, um Hilfe zu bitten.“
„Wirklich“, betont sie und versucht, ihr Lächeln noch breiter zu machen, um mich abzulenken. „Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur müde und will nach Hause.“
Regans Heimat ist Südkalifornien, wo sie nach ihrem Collegeabschluss als Krankenschwester geblieben ist. Lance fand es nicht gut, dass sie quer durch das Land zog, da er sie in den wenigen Stunden, die er während der regulären Saison zur Verfügung hatte, nicht besuchen konnte.
Aber Regan hat sich in den Jahren, seit ich sie zuletzt gesehen habe, offenbar von schüchtern zu unglaublich unabhängig entwickelt. Nach Lance’ Aussage liebt sie ihr Leben dort.
„Du musst nicht immer so stark sein“, sage ich und hoffe, dass ich damit ihre hartnäckige Weigerung durchbrechen kann, mir mitzuteilen, was ihr Sorgen bereitet.
Ihre Unterlippe zittert leicht, aber sie erhält ihr Lächeln aufrecht. „Es geht mir gut, Dax.“
„Nein“, erwidere ich und bin absolut sicher, dass sie lügt.
Regan presst die Lippen zu einer flachen Linie zusammen, ihr Blick verhärtet sich. Sie hat sich verschlossen und eine Mauer errichtet, und ich überlege, welchen neuen Weg ich einschlagen soll, um diese zu durchbrechen.
Eine irrsinnig irrationale Idee schießt mir in lebhaften Farben durch die Gedanken: Ich packe sie an den Schultern, ziehe sie an mich heran und küsse sie wie wild.
Ich schüttle den Kopf, blinzle und konzentriere mich wieder. Wir liefern uns einen Krieg der Blicke, aber da ich sturer bin, als Regan es je sein könnte, halte ich an meiner Entschlossenheit fest.
Ob sie es spürt oder nicht, werde ich wohl nie erfahren, doch zu meiner Überraschung fällt ihr Gesichtsausdruck in sich zusammen und sie heult praktisch: „Oh Gott … Dax. Nichts stimmt! Lance hat eine Menge Schulden angehäuft, und ich habe mit Gläubigern zu tun, die aus dem Nichts auftauchen und Zahlungen verlangen. Lance’ Konten sind leer und er hatte keine Lebensversicherung. Ich habe keine Ahnung …“
„Was soll das heißen, er hatte keine Lebensversicherung?“, werfe ich ein.
„Ich habe angerufen“, sagt sie, während ihr eine Träne die Wange hinunterläuft. Sie wischt sie weg. „Sie ist aufgelöst worden.“
Ich sehe mich hilflos nach einer Antwort auf ihre Probleme um. In den gepackten Kisten, die alles sind, was von Lance übrig ist, ist sie nicht zu finden. Ich drehe mich zu ihr um. „Das ist aber nicht deine Schuld, Regan. Du bist nicht für seine Schulden verantwortlich.“
„Ich weiß“, stimmt sie ohne Umschweife zu. „Es ist nur … Natürlich weiß ich das.“
Ich beobachte sie kritisch und überdenke ihre letzten Worte. Ihr ist klar, dass die Probleme von Lance nicht die ihren sind. Dennoch … irgendetwas belastet sie zusätzlich. Ich kann spüren, wie sie es ausstrahlt.
„Was ist sonst noch los?“, frage ich und verschränke meine Arme vor der Brust. Damit zeige ich ihr, dass ich nicht eher nachgebe, bis sie mir alles gesagt hat.
Sie öffnet den Mund, und ich spüre, dass sie es leugnen will. Ich schüttle den Kopf. „Denk nicht daran, mich zu belügen. Spuck es aus.“
Einen Moment lang starrt Regan mich mit leeren Augen an, bevor sie die Schultern hängen lässt. Sie stößt einen frustrierten Atemzug aus und streicht sich die Haare aus dem Gesicht.
„Einer der Gründe, warum er sich verschuldet hat, bin ich“, gibt sie leise zu und klingt weniger beschämt als resigniert.
„Du?“ Ich ziehe verwirrt die Brauen zusammen.
Sie nickt und lächelt traurig. „Ich war krank und er hat mir bei den Ausgaben geholfen.“
„Wie bitte?“, frage ich, denn wie krank muss ein Mensch sein, um einen anderen in die Schulden zu treiben? Besonders jemanden, der so viel Geld verdient wie Lance. Und außerdem … „Hast du keine Krankenversicherung?“
„Ich war noch über Lance versichert“, antwortet sie. „Wegen meines Alters galt ich als Familienangehörige, zumal ich gerade mein Masterstudium begonnen habe. Aber jetzt, wo er tot ist …“
Ich blinzle überrascht. Ich habe nicht gewusst, dass sie wieder zur Schule geht, und auch nicht, dass sie krank war.
Wie zum Teufel konnte ich das nicht wissen?
„Lance hat nie etwas gesagt“, murmle ich.
Ihr Lächeln wird verständnisvoll. „Das war auf meine Bitte hin. Ich wollte nicht, dass es jemand erfährt.“
„Was genau?“ Ich spüre ein Gefühl des drohenden Unheils. „Was genau ist los mit dir?“
Ihr Blick schweift durch die leere Wohnung, bevor sie mich ansieht. „Vor ein paar Jahren fühlte ich mich nicht gut. Müde, kurzatmig. Nichts Weltbewegendes, aber es dauerte so lange, dass ich zum Arzt ging. Nach vielen Tests wurde bei mir eine Krankheit namens paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie diagnostiziert.“
„Was?“ Ich fühle mich nicht nur von diesem Wortschwall überfordert, sondern aus irgendeinem Grund plötzlich auch hilflos ihr gegenüber.
Ihre Mundwinkel heben sich. „Die Abkürzung PNH sagt sich leichter. Es ist eine Krankheit, die meine roten Blutkörperchen zerstört.“
„Ist sie ernst?“ Für einen kurzen Moment möchte ich Lance noch einmal umbringen, weil er mir das nicht erzählt hat.
Regan hebt das Kinn, ihre Augen schimmern mutig. „Kann sie sein. Aber es gibt ein Medikament, das hilft.“
„Und lass mich raten“, unterbreche ich sie trocken. „Es ist unglaublich teuer.“
„Die Kosten belaufen sich für einen durchschnittlichen PNH-Patienten auf über vierhunderttausend Dollar pro Jahr“, sagt sie schlicht.
„Heilige Scheiße“, rufe ich. „Wer kann sich das leisten?“
„Die Versicherung deckt einen Teil der Kosten, aber die Ausgaben, die ich selbst tragen muss, sind ziemlich hoch.“
Und es ist klar, warum sie so verzweifelt ist. „Und jetzt ist Lance tot, deine Versicherung ist weg, und du hast nicht die Mittel, um dafür zu bezahlen.“
Anstatt zu bestätigen, was ich gerade gesagt habe, macht sie einen Rückzieher und schenkt mir ein weiteres übertrieben strahlendes falsches Lächeln. „Aber das ist nicht dein Problem. Ich bin mir sicher, dass ich eine Lösung finden werde. Deshalb wollte ich auch nicht, dass es jemand erfährt, also …“
„Sind deine Koffer gepackt?“, frage ich und schneide ihr damit das Wort ab.
Sie runzelt die Stirn. „Wie bitte?“
„Du hast gesagt, du fliegst morgen zurück nach Kalifornien, richtig?“
„Richtig“, stimmt sie langsam zu.
„Planänderung. Du kommst mit mir zurück nach Phoenix.“
„Was?“, ruft sie schockiert aus. „Bist du verrückt?“
„Keineswegs. Du kommst mit mir und wir werden heiraten. Du bist über mich versichert und ich übernehme die Kosten für dich.“
„Du bist verrückt“, stottert sie.
„Und du wirst meine Frau.“
„Nein“, zischt sie.
„Doch“, sage ich selbstbewusst. „Merk dir meine Worte.“