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„Frommes Schwesterchen“ versus „böse Hexe“

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Im Märchen BRÜDERCHEN UND SCHWESTERCHEN, der Nummer 11 der Kinder- und Hausmärchen, haben wir es wieder mit einem Zaubermärchen der Gruppe „Übernatürliche oder verzauberte Verwandte“ (ATU 450) zu tun.

In den Anmerkungen geben die Brüder Grimm zwei Erzählungen „aus den Maingegenden, die sich vervollständigen“ als Quellen an. Ebenfalls in den Anmerkungen enthalten ist eine Variante, die von Hans Rudolf (von) Schröter (1798-1842) beigesteuert wurde. Schröter war ein in Hannover geborener Bibliothekar und Altertumsforscher, der sich besonders um die großherzogliche Altertumssammlung in Ludwigslust verdient machte.

In dieser Erzählung wird auch das Schwesterchen von der Stiefmutter verwandelt, in eine Ente nämlich. Es entspinnt sich ein Dialog in Versform zwischen den Geschwistern – Brüderchen möchte errettet werden, Schwesterchen bittet um Geduld. Auch nach den Lieben fragt das verzauberte Mädchen in Form eines Verses. In der Küche spricht es zum Koch die Worte:

„Was machen meine Mädchen, spinnen sie noch?

Was macht mein Glöckchen, klingt es noch?

Was macht mein kleiner Sohn, lacht er noch?“

Der Koch antwortet:

„Deine Mädchen spinnen nicht mehr,

dein Glöckchen klingt nicht mehr,

dein kleiner Sohn weint allzusehr.“

Auffällig ist in diesem Märchen der häufige Bezug zur Frömmigkeit in der Figur des Schwesterchens, das einen starken Gegenpol zur bösen Stiefmutter darstellt. Vergleicht man die Fassungen der Ausgaben von 1812 und 1857, sieht man, dass dieser Gegensatz im Laufe der Zeit von Wilhelm Grimm noch stärker herausgearbeitet wurde (in der ersten Ausgabe beruft sich Schwesterchen nur zu Beginn auf Gott).

Die Stiefmutter ist in der späteren Version noch wesentlich „hexenartiger“ dargestellt, als in der von 1812. Sie geht den Kindern nicht mehr bloß nach, sondern schleicht, wie Hexen es tun und schafft nicht mehr nur eine verwunschene Quelle, sondern verwünscht gleich sämtliche Quellen im Wald.

Ihr und der hässlichen Tochter wird in der Fassung von 1857 mehr Raum gegeben. Das Ende der beiden Bösewichte ist allerdings in beiden Versionen gleich.

Die Fassung des Märchens in der ersten Ausgabe der KHM ist wesentlich rudimentärer. Brüderchen trinkt gleich von der einen Quelle, die die Stiefmutter hergezaubert hat und wird verwandelt und der König stößt auf der Jagd schlicht auf Mädchen und Reh, die im Wald in einer Höhle leben und nimmt beide mit.

Die Jagdepisode scheint, laut den Anmerkungen einer der beiden zugrundeliegenden Erzählungen gefehlt zu haben. Die drei Quellen, die Brüderchen in unterschiedliche Tiere zu verwandeln drohen, sind als Motiv im Anhang zur Ausgabe von 1812 zu finden, mit dem Hinweis, das diese Geschichte nur als Fragment bekannt sei.

Auch an diesem Märchen kann man die Bearbeitungsschritte der Märchensammler gut ablesen, die nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich erst den Kanon und die Erzählungen geschaffen haben, die uns heute als so selbstverständlich erscheinen.

Psycho im Märchenwald

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