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e) Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG

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Die in § 6 AStG63 geregelte Wegzugbesteuerung beinhaltet eine Besteuerung fiktiver Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt, also seine unbeschränkte Steuerpflicht aufgibt.

Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz64 wurde eine neue Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG vorgenommen. Die Neuregelung gilt für die Einkommen-, Körperschaft und Gewerbesteuer und ist erstmals für den Veranlagungs-/Erhebungszeitraum 2022 anzuwenden;65 für davor verwirklichte Wegzugsfälle soll das alte Recht Anwendung finden. Daher wird zunächst die vor der Gesetzesänderung geltende Rechtslage skizziert, um nachfolgend die wesentlichen Änderungen der neuen Gesetzeslage darzulegen.

Die Regelungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. führen zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns beim Gesellschafter zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels, wenn:

 – es sich um eine natürliche Person handelt, die insgesamt mindestens 10 Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, Staatsangehörigkeit unerheblich,

 – diese Steuerpflicht durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet,

 – erfasst sind Vermögenszuwächse, die Anteile an inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften i.S.v. § 17 EStG betreffen (also mindestens 1 % mittelbare oder unmittelbare Beteiligung in den letzten 5 Jahren) und im Privatvermögen gehalten werden.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. enthält Tatbestände, die der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht gleichgestellt sind, Absatz 2 regelt die Fälle der unentgeltlichen Übertragung von Anteilen und führt damit zur Einbeziehung der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht des Rechtsvorgängers. In Absatz 3 findet sich eine Sonderregelung bei „vorübergehender Abwesenheit“66 (5 bis maximal 10 Jahre).

Rechtsfolge des § 6 AStG a.F. ist die Besteuerung der stillen Reserven an der wesentlichen Beteiligung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG. Besteuert wird die Differenz zwischen gemeinem Wert und Anschaffungskosten, wobei nach der Rechtsprechung des BFH nur Fälle erfasst sind, in denen der gemeine Wert die Anschaffungskosten übersteigt (Besteuerung nur des Vermögenszuwachses); für eventuelle fiktive Wertminderungen besteht dagegen keine spiegelbildliche Regelung.67 Die Besteuerung realisierter Veräußerungsgewinne durch beschränkt Steuerpflichtige bleibt von der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a.F. unberührt, allerdings wird dabei der Veräußerungsgewinn um den nach § 6 AStG a.F. besteuerten Vermögenszuwachs gekürzt.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Stundungsmöglichkeit gemäß § 6 Abs. 4 AStG a.F.: die Wegzugsteuer kann auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung für maximal 5 Jahre gestundet werden, die Stundung kann widerrufen werden, wenn die Anteile veräußert oder verdeckt in eine andere Kapitalgesellschaft eingelegt werden, die Kapitalgesellschaft aufgelöst wird oder eine Kapitalherabsetzung erfolgt, § 6 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AStG a.F. Zinslose Stundung wird von Amts wegen gewährt in EU-/EWR-Fällen gemäß § 6 Abs. 5 AStG a.F., wenn der Steuerpflichtige im Zuzugsstaat einer der unbeschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht entsprechenden Steuerpflicht unterliegt und die Amtshilfe sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind. Bei tatsächlicher Realisierung eines Veräußerungsgewinnes kann die Stundung widerrufen werden, vgl. § 6 Abs. 5 Sätze 4 bis 7 AStG a.F.

§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AstG a.F. dehnt die zinslose Stundungsregelung auf die Fälle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AstG a.F. aus, wenn der Steuerpflichtige Anteile an einer in einem EU/EWR-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft hält. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AstG a.F. (u.a.) die Fälle erfasse, in denen Deutschland nach einem DBA den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils im Sinne des § 17 EStG freistellen oder die ausländische Steuer anrechnen muss (z.B. wenn das DBA dem ausländischen Staat der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft ein Besteuerungsrecht zuweist). In diesen Fällen sei nach der Rechtsprechung des EuGH68 eine sofortige Einziehung der geschuldeten Steuer nicht mit den europäischen Grundfreiheiten zu vereinbaren.69

Nach Ansicht des EuGH70 steht das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU71 der Erhebung der Steuer für latente bzw. fiktive Veräußerungsgewinne entgegen, soweit diese bei Wegzug sofort erhoben wird. Damit darf auch in Wegzugsfällen in die Schweiz die Wegzugssteuer erst bei tatsächlicher Veräußerung erhoben werden, die Steuer auf den Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist wie bei einem Wegzug in einen Mitgliedsstaat der EU bzw. des EWR nach § 6 Abs. 5 AStG a.F. zinslos und ohne Sicherheitsleistung bis zur tatsächlichen Veräußerung zu stunden. Das BMF hat darauf mit Schreiben zu den „Folgen des EuGH-Urteils vom 26. Februar 2019, Wächtler, C-581/17“ vom 13.11.2019 reagiert.72

§ 6 Abs. 8 AStG a.F. enthält Sonderreglungen für Brexit-Fälle.

Aufgrund der am 01.07.2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 6 AStG73 wird nicht mehr zwischen EU-/EWR-Staatsangehörigen und Drittstaatsangehörigen differenziert, § 6 AStG n.F. gilt somit einheitlich für alle Steuerpflichtigen.

Die Besteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG n.F. wird ausgelöst (sachlicher Anwendungsbereich) durch die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (Nr. 1), durch die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (Nr. 2) sowie durch den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (Nr. 3). Als Rechtsfolge werden die Anteile zum gemeinen Wert bewertet und die Differenz zwischen Anschaffungskosten und gemeinem Wert besteuert. Soweit die durch den Wegzug entstandene Steuer entrichtet wurde, gelten die Anteile als zum gemeinen Wert erworben, andernfalls gelten diese weiterhin als zu den ursprünglichen Anschaffungskosten erworben, § 6 Abs. 1 Satz 3 AStG n.F.

Nach dem neu gefassten Absatz 2 tritt die persönliche Steuerpflicht ein, wenn eine natürliche Person innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Wegzug mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Bei unentgeltlichem Erwerb ist bei der Berechnung der maßgebenden Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht auch die des Rechtsvorgängers einzubeziehen. So werden bei einer späteren steuerpflichtigen Veräußerung die stillen Reserven besteuert.

Gemäß § 6 Abs. 3 AStG n.F. (Rückkehrregelung) entfällt der Steueranspruch nach Absatz 1, wenn die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen beruht, soweit die Anteile in der Zwischenzeit weder veräußert, übertragen, noch in ein Betriebsvermögen eingelegt wurden, keine Gewinnausschüttungen oder keine Einlagenrückgewähr erfolgt sind, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des ursprünglichen gemeinen Werts beträgt, und das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile mindestens in dem Umfang wieder begründet wird, wie es im Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht bestand.

Die frühere zinslose, unbefristete Stundungsmöglichkeit ohne Sicherheitsleistung bei Wegzug in EU-/EWR-Staaten wurde gestrichen. Die Steuer kann nunmehr gemäß § 6 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 AStG n.F. (lediglich) auf Antrag des Steuerpflichtigen in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden, in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung, die Jahresraten sind nicht zu verzinsen, ohne dass hier zwischen EU-/EWR-Staaten und Drittstaaten unterschieden wird. § 6 Abs. 4 Satz 4 AStG n.F. enthält des Weiteren Tatbestände, bei denen die zu entrichtenden Raten sofort fällig werden, so u.a. wenn eine Jahresrate nicht fristgemäß entrichtet wird, der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach Absatz 5 nicht erfüllt oder Insolvenz anmeldet.

§ 6 Abs. 5 AStG n.F. normiert umfangreiche Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen.

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