Читать книгу Ein Hauch von Nemesis - S.F. Chartula - Страница 7
Vergessen
ОглавлениеManchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach vergessen, einfach alles hinter mir lassen und Erinnerungen auslöschen. Über alles den Schleier eines Neuanfangs legen. Doch das war leider in den seltensten Fällen der Fall und schon gar nicht in meinem.
Die Erinnerung verblasste langsam, doch auch wenn sie nicht mehr so intensiv war und die Konturen langsam verschwommen, so blieben gewisse Bilder doch für immer auf der Seele eingebrannt. Ich wurde sie nicht los, auch wenn ich alles andere vergessen hatte. Die einzige Hoffnung, die ich hegte, war, dass sie nicht all zu oft ins Bewusstsein vorstürmten.
Mittlerweile gab es sie wieder, diese Tage, an denen ich ganz ohne Medikamente auskam, an denen ich abends einschlief und nicht schweißgebadet hoch schreckte, sondern an denen mich nur die ganz normale, unbestimmte, morgendliche Angst packte, wie ich sie früher empfunden hatte. Und an besonders guten Tagen schaffte ich das sogar ohne Schlafmittel.
Aber die meiste Zeit fürchtete ich mich vor dem Einschlafen, ich fürchtete, dass ich abermals in den Abgründen aufwachte, die ich damals vor 2 Jahren für kurze Zeit nicht nur geschaut, sondern nahezu von ihnen umgeben wurde. Manchmal ging es so weit, dass ich mich wach hielt, bis ich am Rande der Erschöpfung doch einschlief, es war dann ein unruhiger Schlaf, der kaum Erholung brachte, aus dem ich öfters schreiend aufwachte und ebenso schnell wieder einschlief. Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie zerkaut und ausgespien, über Stunden unfähig einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen, stets noch halb in meinen Alpträumen gefangen, so schemenhaft sie auch sein mochten. Es reichte schon zu wissen, dass man wieder Alpträume hatte.
Spätestens nach einer Woche, wenn ich am Rande der Erschöpfung war und selbst am Tag immer wieder wegdämmerte, sah ich ein, dass ich doch mal wieder eine Nacht durchschlafen sollte und griff zu den Schlafmitteln, den stärksten, die ich fand.
Doch dies alles war nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste war, nach all dieser Zeit immer noch nicht zu wissen, ob die Begebenheiten damals real waren oder nicht. Nicht zu wissen, ob die Hölle durch die ich ging, nur im Geiste existierte oder ob ich die Qualen auch physisch durchlebt hatte. Und die meiste Zeit wünschte ich mir Letzteres, denn wenn sie im eigenen Geiste stattgefunden hatten und nur dort existierten, wo blieb dann die Sicherheit, dass sie nicht immer noch real würden, dass sie sich nicht eines Tages wieder herausbrachen und Besitz von mir ergriffen, dass ich mich irgendwann gänzlich in ihren Abgründen verlor ohne jemals wieder die Chance zu haben, ihnen zu entkommen.
Es mochte alles etwas wirr sein, was ich so von mir gab, aber dies sind Dinge, die mir urplötzlich in den Sinn kamen, nein es sind ganz reale Ängste, die ich artikulieren musste, um nicht an ihnen zu zerbrechen und um nicht zu oft zu meinen Medikamenten zu greifen, als ohnehin notwendig war.
Aber ich werde versuchen, mich nicht zu sehr von meinen Gefühlen leiten zu lassen, wenn ich noch einmal zurückgehe in jene Tage im Mai vor 2 Jahren, die ich immer noch nicht richtig einordnen kann. Oder ich weigere mich noch, sie einzuordnen, vor lauter Angst ihnen dadurch wieder mehr Bedeutung zukommen und dadurch Gefahr zu laufen, sie wieder lebendig werden zu lassen.