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Der sechste Tag
ОглавлениеIch habe sehr gut geschlafen und freue mich auf das Frühstück. Ich bin zwar nicht der große Esser am morgen, aber gleich den Kaffee zu genießen ist schon eine kleine Vorfreude. Noch habe ich den Wunsch wieder einmal eine Tasse Kaffee in Verbindung mit einer Zigarette, ganz entspannt zu genießen. Die Hoffnung auf ein abstinentes Leben, ganz ohne Alkohol und ohne Zigaretten ist aber auf jeden Fall präsent, wenn auch im Hinterkopf. Sobald das Nichtrauchertraining beginnt werde ich dieses auch ernsthaft angehen. Das werde ich schaffen!
Heute am Sonntag stand die letzte Runde „Jellinek auf der Tagesordnung! Ehrlich gesagt bin ich froh das wir es geschafft haben, als Gruppe von 20 Patienten das ganze sehr intensiv abgearbeitet zu haben. Danach war von allen eine Erleichterung zu spüren, dass ein drei Tage andauerndes Mammutprogramm sein Ende gefunden hat. Es war sehr anstrengend, dauerhaftes sitzen und die Konzentration nicht abfallen zu lassen. Hier ist eine super Gruppe zusammen gewachsen. Die Gruppe hat so super, konzentriert jeden einzelnen Punkt abgearbeitet das man zwischendurch mit einem gemeinsamen „Lacher“ sei es in der Stunde oder der Pause die Anspannung schnell lösen konnte.
Ein Beispiel:
Wir hatten noch einen zweiten Ralf in der “Krabbelgruppe“, er saß mir gegenüber. Als er dran war etwas zu einem Punkt zu sagen, kam .......da schließe ich mich voll und ganz dem Dieter an! Beim zweiten Mal antwortete ich Ihm...........Du darfst Dir schon deine eigenen Gedanken machen. Alle lachten, auch Ralf, und so war wieder eine gewisse Lockerheit gegeben. Das weiterarbeiten mit der nötigen Ernsthaftigkeit war anschließend sofort wieder da. Um 13.30 Uhr hatten wir bei einer anderen Therapeutin mehrere Fragebögen auszufüllen. Als erstes stellte Sie sich kurz vor und im Anschluss hatten wir eine „Blitz-Runde“ (Vorstellung).
Für zwei Patienten war das ausfüllen der Fragebögen zuerst ein massives Problem. Bernd und Judith. Ich muss dazu sagen Bernd ist Alkoholiker, Medikamenten und Drogenabhängig. Da war die Angst gegeben etwas preisgeben zu müssen was Strafrechtlich gegen Ihn verwand werden könnte. Darüber entbrannte eine Diskussion zwischen Ihm und der Therapeutin. Im Grunde haben Sie da aneinander vorbei gesprochen. Sie sagte Ihm das er die Bögen ausfüllen müsste um Therapiert werden zu können. Es gibt die Schweigepflicht und den Datenschutz. Sie kannte den Inhalt der Bögen und hätte Ihm seine Angst eigentlich ganz einfach nehmen können.... Schauen Sie sich die Fragen erst einmal an und dann reden wir noch einmal ob es ein Problem gibt! Überwiegend waren die Bögen nur anzukreuzen, nur in den Zusatzfragebögen für Drogenabhängige musste man wahrheitsgemäß Angaben, selbst aufführen. Im Endeffekt war es dann für Bernd kein Problem sich darauf einzulassen. Er füllte alles aus. Durch seine „Süchte“ extrem nervös. Eine unheimliche Unruhe muss in seinem Körper sein. Mehrfach muss er während der Gruppenstunden den Raum verlassen. Still sitzen über einen längeren Zeitraum wird für Ihn eine Qual. Er ist ein sehr angenehmer Mitpatient.
Mit Bernd und Ralf unterhalte ich mich oft. Bernd kommt aus Bayern, Ralf aus Oberfranken. Am Anfang musste ich mich erst einmal auf Ihre Sprache einstellen. Nach einem Tag des Öfteren Nachfragens, kam ich mit Ihrem „Slang“ aber klar. Nachdem „Jellinek“ aufgearbeitet war gingen wir zum Abendessen. Es gab Fisch! Verschieden Sorten, meist geräuchert.....So hatte sich dieses Essen für mich erledigt. Ich mag keinen geräucherten Fisch und so viel mein Abendessen recht spartanisch aus. Ich halte mich gut was die Kost betrifft. Esse was ich darf, da ich meine Werte runter bekommen möchte. Drei Scheiben Vollkornbrot, etwas Käse und Hähnchen-Pastete. Drei Tassen Tee ohne Zucker! Wie immer ein angenehmes Gespräch mit Paul. Mal schauen ob wir ab Mittwoch weiterhin Tischnachbarn sind. Am Vormittag war mein Gewicht mit Schuhen und Kleidung auf 80,4 kg angewachsen. Ich hatte noch nie einen Bauchansatz. Da ich jetzt seid vier Monaten nicht mehr Arbeiten gehe fehlt mir die Bewegung. Die Gewichtszunahme ist nicht von der Hand zu weisen. Der Bauch der sich unter meinem T-Shirt abzeichnet und sich im sitzen über den Hosenbund rollt ist nicht mehr wegzureden. Ich muss unbedingt wieder mehr Bewegung haben. An die Abstinenz von den Zigaretten darf ich in Verbindung mit der Gewichtszunahme gar nicht denken. Wo soll das hinführen?
Heute hatte ich die Gelegenheit eine E-Mail an meine Lieben zu schicken. Es war ein schönes Gefühl auf „Senden“ zu klicken. Ich habe kein übergroßes Problem damit das Handy abzugeben, meine Ute nicht hören zu können. Es sind nun einmal die Vorgaben, die erste Woche sich voll und ganz auf sich zu konzentrieren. Aber ein kurzes „Hallo“ nach Hause senden gibt mir nochmal mehr einen positiven Schub. Hoffentlich liest Ute die E-Mail auch. Ich sagte Ihr schau ab und zu mal in dein Postfach, wenn ich kann melde ich mich bei Dir! Ab 17.00 Uhr hatten wir Freizeit. Da gingen meine Gedanken schon mal nach Hause. Was machen Sie jetzt wohl?
Ich glaube Willibald hat mich mit der Grippe angesteckt. Eine tropfende Nase, Druck hinter der Stirn sowie Halsschmerzen sind ein klares Signal. Das brauche ich jetzt unbedingt! Danke schön. Als ich vorhin vom rauchen (das geht auch mit Grippe) wieder in unseren Aufenthaltsraum kam hatten sich einige eine Familienpizza bestellt.
Da es schon fast 22.00 Uhr war verabschiedete ich mich in Richtung meines Zimmers. Eine Qual da zuzuschauen. Es wird fast immer Mitternacht bis ich in meinem Bett lande. Das Schreiben tut mir sehr gut, so kann ich den Tag immer noch mal für mich aufarbeiten. Eben kam im Radio, es läuft leise nebenbei, dass mein Fußball-Verein 2:0 gewonnen hat. Jetzt sind Sie erst einmal aus dem „Tabellenkeller“ raus gekrabbelt. Mit Ihm geht es genauso Bergauf, wie mit mir. Heute werde ich mit einem sehr gutem Gefühl einschlafen. Andreas ist auch Fan von demselben Verein wie ich. Ich hätte nicht gedacht hier einen HSV-Fan zu treffen. Er wohnt schließlich im Ruhrpott! Da hätte ich eher erwartet das er Dortmund oder Schalke-Fan sei. Krass noch ein HSV`ler.
Andreas ist ein ganz spezieller Fall. Irgendwie tut er mir Leid .Er ist eigentlich nur hier weil er die Therapie als Bewährungsauflage bekam. Therapie oder Knast!!! Wie er durch diesen Druck zur Einsicht kommen soll ist mir ein Rätsel. Andreas ist 25 Jahre jung und ein cleverer Junge .Er hat eine Ausbildung abgeschlossen und hat einen festen Arbeitsplatz. Alkohol gehörte für Ihn, von klein auf an immer dazu. In seinem Elternhaus wurde es Ihm vorgelebt. Auch in seinem Freundeskreis ist der Alkohol-konsum das normalste auf der Welt.
Hier in der Reha müsste er das umdenken lernen, zusätzlich begreifen das Ihm sein aggressives Verhalten unter Alkohol nur Ärger einbringt. Er schafft es (noch) seiner Arbeit nachzugehen. Aber sobald Wochenende ist wird meist bis zum totalen Absturz, mit Freunden gesoffen. Sobald er Alkohol trinkt wird er extrem Aggressiv, hat Schlägereien, auch ganz ohne Grund. Da tritt er auch schon mal eine Taxi-Tür ein, verletzt andere Menschen...! Dabei verletzt er sich auch selbst. Des Öfteren wurde er auf der Polizeiwache wach und weiß dann nicht mehr was vorgefallen ist. Im nüchternen Zustand bereut er seine Taten dann, die ganze Woche über. Eine Einsicht oder Änderung seines Verhaltens ist aber nicht vorhanden. Sobald Wochenende ist geht der ganze Ablauf von vorne los!!! Zufrieden ist er mit dieser Art zu Leben auch nicht, aber wie gesagt es ist auch sein soziales Umfeld. Er ist Krank, hat Kontrollverluste!!! Was mich freut ist, er redet offen darüber und möchte auch selbst etwas daran ändern. Nur weiß er noch nicht wie das geschehen soll...... Ich drücke Ihm alle Daumen das er die Therapie hier nutzen wird und für sich Wege findet, aus seinem Teufelskreis raus zu kommen.
Es darf nicht wahr sein, ich bekomme schon wieder Hunger! Bevor ich nun noch eine Tafel Schokolade esse hüpfe ich schnell in mein Bett. Mein Kissen worauf Ute mir ein Bild von „Shana“ aufgebügelt hat ist jede Nacht bei mir. Zu gerne würde ich jetzt in Ihrem Fell kraulen, mit Ihr kuscheln. Gute Nacht.