Читать книгу Ich denke, aber ich bin mehr - Sharon Dirckx - Страница 13

SIND WIR NUR UNSER GEHIRN?

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Wenn ich an die Leiche im Sezierraum denke, die einmal eine lebendige, atmende Frau gewesen war, komme ich nicht um die Frage herum: »Was macht mich zu einer Person?« Viele Antworten werden uns heute angeboten. Die Mode- und Kosmetikindustrie sagt: »Du bist dein Körper.« Die Finanzwelt sagt mir vielleicht: »Du bist dein Einkommen.« Politiker sagen: »Du bist dein Einfluss.« Die Universität würde sagen: »Du bist, was du veröffentlichst.« In letzter Zeit hören wir von Neurowissenschaftlern: »Du bist dein Gehirn.« Einen Menschen zu verstehen, heißt, sein Gehirn zu verstehen. Das Gehirn zu verstehen, heißt, den Menschen zu verstehen.

Was sollen wir von dieser Auffassung halten? Wenn es stimmt, dass ich mein Gehirn bin, haben die Neurowissenschaften zu der fundamentalen Frage nach der menschlichen Identität etwas zu sagen. Für manche Menschen sind die Neurowissenschaften zu der Linse geworden, durch die sie alle Lebensbereiche betrachten und deuten. Man hat auf der Grundlage von Gehirnkartierungen Marketingentscheidungen, wirtschaftliche Entscheidungen und sogar juristische Entscheidungen getroffen. Statt jemanden nach seiner Meinung zu fragen, scannen wir sein Gehirn! Professor Raymond Tallis, pensionierter Krankenhausarzt und Neurowissenschaftler an der Universität Manchester, hat das einmal als »Neuromanie« bezeichnet.3 In den Neurowissenschaften wurden erstaunliche Entdeckungen gemacht, die uns zu einem besseren Verständnis des Gehirns verholfen haben, und wir können Krankheiten heute besser diagnostizieren und heilen. Sind wir aber auch von der Vorstellung besessen, dass das jede Frage beantworten könnte, die wir haben?

Ich denke, aber ich bin mehr

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