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KAPITEL 2 Die Kraft von Yin

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»Wir atmen dich; Gott atmet dich.«

Das Thema Yin und Yang war etwas, das die Großmütter immer wieder aufgriffen. Das war auch nur natürlich, denn schließlich sind dies die primären Bausteine des Kosmos. Doch mein Verständnis dieser Energien war so mangelhaft, dass mich ihre Lektionen immer wieder überraschten. Anfangs hatte ich überhaupt keinen Begriff von Yin und Yang, und jetzt, nachdem ich über zwölf Jahre lang mit den Großmüttern gearbeitet habe, hatte ich immer noch Schwierigkeiten zu verstehen, wie sie zusammenpassten.

Beim nächsten Mal, als ich den Großmüttern wieder begegnete, stellte ich eine Frage über die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Jedes Mal, wenn ich reiste, wollte ich etwas in Erfahrung bringen, das über mein persönliches Leben hinausging. Da ich schon lange verheiratet war, wusste ich, wie schwierig es sein konnte, das andere Geschlecht zu verstehen, aber ich wollte nicht nur meinen Mann und mich selbst besser verstehen, sondern das ganze Spiel von Frau und Mann. Hier konnten Yin und Yang völlig aus dem Gleichgewicht geraten sein.

Erst kürzlich hatte ich gesehen, wie sich dieses Ungleichgewicht in meiner Psychotherapiepraxis zeigte. Tatsächlich gab es da mehrere Paare, die sich ziemlich voneinander entfremdet hatten. Die Großmütter sagten, dass diese Probleme mit dem Ungleichgewicht von Yin und Yang auf unserem Planeten zusammenhängen, und weil diese grundlegenden Energien heute so in Unordnung sind, waren Missverständnisse zwischen den Geschlechtern an der Tagesordnung. Das war es, was ich in meiner Praxis sah.

Da schrien Ehefrauen vor Schmerz, beschimpften ihre Ehemänner und schluchzten hilflos, während ihre Ehemänner stoisch dasaßen – schockiert, verwirrt und emotional abgeschaltet. Die Paare waren unglücklich, ihre Kinder litten darunter und ihre Ehen war gefährdet. Als Therapeutin wusste ich, wie man solche Fälle mit den üblichen psychologischen Mitteln »behandelt«, aber diesmal wollte ich mehr. Wie kann man das Ungleichgewicht von Yin und Yang in menschlichen Beziehungen korrigieren? Wie könnten wir die Lektionen der Großmütter auf unser persönliches Leben anwenden? Dafür brauchte ich die Hilfe dieser weisen Frauen.

Als ich das nächste Mal in die Obere Welt reiste, erhob ich mich von meinem Baum, konzentrierte mich auf die Großmütter und bat sie, mich zu unterweisen. Heute kam ich mit einer Frage, die die Qualen vieler widerspiegelt. Das Ungleichgewicht von Yin und Yang war nicht nur Theorie. Es verursachte viel Elend.

Endlich erschien ihr Tal unter mir, und da waren sie. Heute erschienen sie als Frauen und standen in einem Kreis; sie warteten schon auf mich. »Großmütter«, sagte ich, als ich vor sie trat, »mir machen die heutigen Beziehungen zwischen Männern und Frauen Sorgen.« »Uns auch«, sagten sie. »Was wollt ihr mir dazu sagen?« fragte ich und bemerkte, dass sich meine Hände geöffnet hatten und die Position einer empfangenden Mudra bildeten.

»Lass uns dich anfüllen«, sagten sie und bewegten mich, mich zu ihnen auf den Boden zu setzen. »Lass deinen Körper trinken, was wir dir geben«, sagten sie. »Oh!« antwortete ich, »deshalb halte ich meine Hände wie eine kleine Schale.« »Ja«, nickten sie, »dein Körper ist weise; er versteht, was geschieht, lange bevor dein Verstand es tut. Mit der Zeit wird auch dein Verstand das aufnehmen, was wir dir geben, aber jetzt ist es noch zu viel für ihn.« Sie legten ihre Brauen in Falten, sahen mich ernst an und sagten: »Vertraue deinem Körper.

Empfange«, sagten sie und veranlassten mich, mich hinzulegen. »Ein leeres Gefäß kann nichts geben. Lasse dich erst anfüllen«, sagten sie. »Lasse deinen Rücken, Gesäß, Beine, Herz, Arme und Hände sich füllen«, sagten sie. Ich lag flach auf meinem Rücken mit offenen Handflächen an beiden Seiten und war bereit, genau das zu tun. »Wenn du durch deinen Körper empfängst, wird sich deine Schwingung ändern. Fühle, wie die Veränderung beginnt.« Als ich meine Aufmerksamkeit nach innen richtete, spürte ich es. Ich war größer und fester, während ich mich gleichzeitig leichter fühlte. »Was für eine Kombination!« staunte ich. »Wie kann ich fester und gleichzeitig leichter sein?«

Nach einer Pause sprachen die Großmütter wieder. »Das Empfangen durch den Körper verlangsamt deinen Verstand so weit, dass du aufnehmen kannst, was wir geben«, sagten sie. »Und«, fügten sie hinzu, »durch den Akt des Empfangens kommt mehr Empfangen.« Dann lächelten sie und streckten ihre Arme weit aus, und als sie mit Gesten das Empfangen darstellten, fühlte ich, wie sich mein Körper ausdehnte und mit ihnen in Einklang kam. Plötzlich war auch ich voller Freude, und mit jeder Sekunde, die verging, wurde ich weicher und weicher und immer größer. Später, als ich mir meine Aufnahme abspielte, hörte ich mich an dieser Stelle summen.

Ich schwebte in diesem glückseligen Zustand eine scheinbar lange Zeit, aber in Wirklichkeit waren es nur ein oder zwei Minuten, bis ich sie sagen hörte: »Du kannst den Menschen nicht helfen.« Das ließ mich aufhorchen, und ich blickte voll konzentriert auf. Sie schüttelten traurig den Kopf und sagten: »Du kannst nicht heilend auf die Menschen einwirken, solange du nicht selbst von Yin-Energie erfüllt bist.« »Ah«, seufzte ich, »ich verstehe. Deshalb fühle ich mich so weich und dehnbar. So fühlt sich Yin-Energie an.«

Sie nickten und sagten: »Atme mit uns. Atme ein – und wenn du ausatmest, siehe, wie alles in dir, was bereit ist zu gehen, einfach geht. Alte Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen und Stress werden verschwinden«, sagten sie und machten eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist alles. Atme ein und atme aus«, sagten sie, und ihre Brust hob und senkte sich im Rhythmus mit meiner, »und synchronisiere deinen Atem mit unserem. Wir atmen dich. Gott atmet dich«, sagten sie und schauten mir zu, um sicherzugehen, dass ich mit ihnen in einem Rhythmus war. »Einatmen und loslassen«, sagten sie, und ich glich meinen Atem dem ihren an und ermahnte mich, wann immer ich ausatmete, alles Alte in mir loszulassen. »Lass deine Atmung mühelos sein«, sagten sie, und so war es.

Diese Atemübung war etwas anders als die vorherige. Die erste hatte zum Ziel, eine tiefere, vertrauensvollere Beziehung zum Göttlichen aufzubauen, das hieß, alles den Großmüttern zu überlassen. Mit der zweiten Übung folgte ich dem Atem in der Gewissheit, dass mit jeder Ausatmung alte Bewusstseinszustände abgestoßen wurden. Dieser hier war eher eine seelische Hausreinigung.

»Jetzt schenke uns deine Aufmerksamkeit«, sagten sie, und schnell blickte ich wieder auf. »Wir sind in diesem Raum mit dir«, sagten sie, »und gleichzeitig schweben wir über diesem Raum. Wir sind hier«, riefen sie und zeigten auf sich, »und wir sind überall! Wir stehen hinter dir und vor dir, wir stehen links und rechts von dir.« Sie lachten über den überraschten Ausdruck auf meinem Gesicht. »Wir umgeben dich.

Du«, sie zeigten auf mich, »bist ein Teil der Großen Mutter.« Meine Augen weiteten sich, und ich muss erschrocken ausgesehen haben, denn sie fingen an zu lachen. »Die Mutter ist immer bei dir«, versicherten sie. »Lass dich von der Energie der Großen Mutter erfüllen. Und jedes Mal, wenn du beim Einatmen daran denkst, dich zu füllen, wirst du ihre Gegenwart in dir beleben. Wir, die Großmütter, sind mit der Mutter eins«, sagten sie kichernd, »und wir sind immer bei dir.« Dann stemmten sie die Arme in die Hüften, wiegten sich gemeinsam hin und her und sangen: »Immer sind wir bei dir. Hinter dir«, sangen sie im Chor und wandten ihre Köpfe hin und her, »um dich herum und vor dir. Überall«, riefen sie, »wir sind überall«. Dann sagten diese liebenswerten, verspielten Großmütter mit einem schüchternen Lächeln: »Wir warten auf deinen Ruf.«

Ich schloss die Augen und betete darum, diese Wahrheit zu erfahren – zu wissen, dass die Großmütter und die Große Mutter immer bei mir waren, und sofort spürte ich die Gegenwart der Mutter in meinem Körper. Ich war riesig. Und erfüllt. Ich war erstaunt über meine ungeheure Größe. »Ich bin die Liebe«, sagte ich zu mir, meine Stimme überraschend selbstbewusst. »Das ist es: Ich bin die Liebe.«

Ich war auch machtvoll – ruhig und unerbittlich machtvoll. Mein Körper spannte sich mit einer Kraft, stark und voll. Ich war überrascht von der Selbstverständlichkeit, als wäre ich schon immer so gewesen. »Die Großmütter haben recht«, sagte ich zu mir und zu ihnen, »die Mutter ist in mir. Tatsächlich«, staunte ich, »kann ich nicht sagen, wo sie aufhört und wo ich anfange.« Ich verschmolz mit dem weiblichen Prinzip der Schöpfung; es war nicht aufzuhalten, und ich wollte es nicht aufhalten.

»Lass die Mauern deines kleinen Selbst weicher werden«, sagten die Großmütter mit liebevoller Stimme, als sie mich beobachteten. »Lass sie durchlässiger werden und das kleine Selbst sich in das große Selbst ausdehnen, das du bist. Das ist es, was du bist«, sagten sie, und ich konnte kaum atmen, so erstaunt war ich über das Gefühl in meinem Inneren. »Dieses herrliche Selbst, das erweiterte, das über die Grenzen deiner Haut hinaus existiert, über die Grenzen deines Geistes und deiner Erfahrung hinaus – das bist du.«

Das, wurde mir klar, als mein Herzschlag und meine Atmung sich wieder beruhigten, war das, was ich als die Große Mutter erkannt hatte. Und das war es, was ich fühlen sollte, als sie sagten, ich solle mich mit der Energie der Mutter anfüllen – mehr, viel mehr als mit meinem »Selbst«. »Wenn die Hektik des Alltags dich wieder in Beschlag nimmt, magst du es vergessen«, sagten sie und betrachteten mich liebevoll, »aber das ist es, was du bist.« Ich hörte es und bebte vor Freude. Ich hatte mich noch nie so groß und grenzenlos gefühlt. Ich war tief, ich war voll und alles auf einmal.

Als sie den Zustand sahen, in dem ich mich befand, sagten sie schnell: »Bring deine Aufmerksamkeit zu deinem Körper zurück«, und ich versuchte es. »Atme und fühle«, sagte ich mir, »atme und fühle«, und bald wurde ich mir des Gewichts meines Gesäßes auf dem Boden gewahr, der Position meiner Füße und meines Kopfes auf der Unterlage.

»Du kannst eine andere Schwingung im Inneren spüren«, sagten die Großmütter, »die Schwingung des Erwachens und der Ausdehnung. Das bist du«, lachten sie freudig. »Das bin ich«, sagte ich, meine Stimme voll Staunen, und während ich sprach, begann eine wellenförmige Bewegung im Inneren. Alles war summend und fließend. »Diese Erfahrung gehört dir«, sagten sie und nickten bekräftigend. »Nimm sie an und werde eins mit deinem großen Selbst.

Du bist großartig«, sagten sie und ignorierten meinen erstaunten Blick. »Großartig!« fuhren sie fort. »Du bist viel mehr, als du je vermutet hast. Deine Natur ist Freude und Großherzigkeit.« Ich hörte es und nickte, als habe ich verstanden, aber das hatte ich nicht. Ich konnte nicht alles aufnehmen. Was ich erlebte, übertraf bei weitem meine kühnsten Erwartungen. »Eins zu werden mit der Großen Mutter«, flüsterte ich, »wie kann das möglich sein?« Aber die Großmütter achteten meiner Verwirrung nicht.

Ich starrte sie verständnislos an, und als sie meinen fassungslosen Blick sahen, sagten sie: »Ruh dich jetzt aus. Das reicht für einen Tag. Komm morgen wieder, und wir werden dir mehr beibringen.« »Okay, Großmütter«, sagte ich, so erschöpft, dass mir die Worte kaum über die Lippen kamen. »Ich werde wiederkommen.« Und damit dankte ich ihnen, wandte mich ab und begab mich zurück in die Alltagswirklichkeit. Dann ging ich direkt ins Bett. Ich glaube, ich habe den ganzen Nachmittag geschlafen.

Unsere Liebe ist unsere Macht

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