Читать книгу Weil sie eine schlechte Mutter ist ... - Sheila Catz - Страница 13

Оглавление

2. Generation:

Betty sprach mit dem Hausarzt

»Sie haben ein wenig zugenommen, Betty, ich glaube es geht Ihnen besser.«

»Ja, schon«.

»Haben Sie immer noch Anfeindungen in der Verwandtschaft?«

Betty schaute ihn mit abwesendem Blick an.

»Ja, glauben Sie, die hören damit einfach auf? Ich bin nichts, ich habe kein Geld in die Ehe gebracht, ich bin eine kleine unwichtige Friseuse, in dieser Familie wird sonst nur Geld zu Geld geheiratet. Ich bin nicht energisch genug, ich kann mit diesen lauten Grobheiten in der Familie nicht umgehen, ich schäme mich für deren Benehmen. Überall wollen sie die erste Geige spielen, geben im ganzen Dorf den Ton an - so war es schon immer. Und ich habe jede Nacht Albträume, seitdem ich wieder einigermaßen schlafe.«

»Was träumen Sie, können Sie sich erinnern?«

»Ich träume immer den gleichen Traum, nur mit einigen Abweichungen. Ich bin wieder beim Bombenangriff in Bamberg. Es war kurz vor Kriegsende im Februar 1945. Ich wollte einen großen Weidenkorb mit neuen Federbetten am Bahnhof abholen. Das war ein Aussteuer Geschenk meiner Eltern, hart vom Mund abgespart. Ein Fuhrwerk hatte mich und meine jüngere Schwägerin mitgenommen, das war Elly, die war noch ängstlicher als ich.

Auf dem Heimweg, wir hatten wieder einen Fuhrmann anhalten können, wurden wir auf den Feldern vor der Stadt von Tieffliegern angegriffen, die Sirenen für den Bombenalarm hatten wir schon aus der Stadt gehört.

Der Fuhrmann schrie, wir sollten uns in die Gräben werfen. Der Graben war nass, schlammig, es roch nach Abfällen. Ich konnte nur an meine Federbetten denken, betete, dass denen nichts passierte. So was Unsinniges in diesem Augenblick.

Wir überlebten es, die Pferde auch, Gott sei Dank. Es war wie ein Wunder. Die Pferde sind allerdings durchgegangen. Das war wohl ihr Glück. Das Ziel hatte sich für diese Lumpen da oben nicht mehr gelohnt. Zivilisten anzugreifen, das war deren Masche.

Das träume ich immer wieder.«

Betty spürte jetzt wieder den Krampf in der Brust, sie schmeckte wieder das faulige Wasser im Graben wie damals.

»Betty, das waren schlimme Erfahrungen, das haut auch gestandene Männer aus den Stiefeln. Sprechen Sie manchmal mit jemandem darüber?«

»Ich möchte gern mit Elly, aber die schreit auf und läuft dann weg, sie will nichts davon hören.«

»Betty, schreiben Sie ihre Erinnerungen auf, das hilft ein bisschen, glauben Sie mir. Haben Sie Freundinnen, Gleichgesinnte?«

»Ach, das wird nicht gern gesehen. Eine verheiratete Frau braucht keine Freundin. Mit Leni spreche ich oft, die hat auch viele schlimme Erfahrungen auf der Flucht gemacht. Manchmal weinen wir ein bisschen zusammen. Und dann lachen wir wieder, weil wir uns so albern finden.«

»Können Sie sich an glückliche Momente erinnern?«

»Was meinen Sie, bevor ich geheiratet habe?«

»Ja, zum Beispiel«, nickte der Arzt.

»Ja, beim Arbeitsdienst mit den anderen Mädchen. Wir mussten hart arbeiten, die Landarbeit war für uns alle ungewohnt, wir hatten ständig aufgesprungene, rissige Hände. Aber nach getaner Arbeit im Gras liegen, in die Wolken zu schauen, die noch warme untergehende Sonne zu spüren, das waren schöne Momente.«

Betty konnte in der Erinnerung das trockene warme Gras riechen, das Summen der Bienen und Hummeln hören.

»Und dann haben wir uns über alles Mögliche unterhalten, wer hat schon einen Liebsten, wer bekam Post. Ich habe mich da aufgehoben gefühlt, trotz der harten Bedingungen, die Bäuerin war wirklich keine Menschenfreundin. Aber das einfache Essen abends mit den anderen, darauf habe ich mich den ganzen Tag gefreut, wir haben dann nach dem Essen alles abgeräumt, eine gute Freundin von mir konnte mit der Gitarre unsere Lieder begleiten. Schade, dass die Fotos davon nicht mehr da sind, sie sind bei meinen Eltern verloren gegangen.«

»Die politische Unterweisung mehrmals pro Woche war so auch besser zu ertragen, wir haben oft heimlich gekichert über die geschwollene Ausdrucksweise der Vortragenden.

Und dann haben wir uns Geheimnisse anvertraut, wer mit wem etwas angefangen hat, wie sich das anfühlt, wenn ein Kerl einem an die Brust fasst oder unter den Rock. Wir haben oft zu zweit in dem schmalen Bett geschlafen, meine Freundin und ich, es war gegenseitiger Trost, wir hatten Heimweh und uns tat der Rücken weh. Aber es war trotzdem schön, ich war noch unbeschwert, wenn ich daran zurückdenke. Sie hatte mich in den Arm genommen, wir haben uns gegenseitig das Heu aus dem Haar gezupft und dann sind wir eingeschlafen, da hatte ich keine Angst mehr, wenn sie neben mir lag.«

»Was ist aus ihr geworden?«

»Ich weiß es nicht genau, ich glaube, sie hat den Krieg nicht überlebt, sie wurde zur FLAK eingezogen«, ein Schatten legte sich auf Bettys Gesicht.

Weil sie eine schlechte Mutter ist ...

Подняться наверх