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1. Naturzerstörung nach Plan

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Trotz der immer wieder aufkommenden Kulturkritik, die auf Schattenseiten unseres zivilisierten Lebens hinweist, wäre es einseitig, den Wandel von einer hauptsächlich agrarisch geprägten zur industriellen und anschließend postindustriellen Lebensweise als eine bedauerliche Entwicklung an sich zu beklagen, sofern man die Bekämpfung von Hunger, die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Chancen bisher benachteiligter Bevölkerungsschichten berücksichtigt. Problematisch war diese Entwicklung eher von ihrem Ansatz her als eine durch dirigistische Regulierungsmaßnahmen vorgenommene Rationalisierung des Lebens und der Lebenswelt, einschließlich des Umgangs mit der uns umgebenden Natur, die nur noch unter dem Gesichtspunkt des in wirtschaftlichen Kategorien meßbaren Nutzens bzw. Ertrags betrachtet, unter Kontrolle gebracht, ausgebeutet und reguliert werden sollte. Diese Entwicklung bezog sich vor allem auf die Rationalisierung der nach dem 2. Weltkrieg größtenteils noch familienwirtschaftlich betriebenen Landwirtschaft.

Um landwirtschaftliche Erträge zu steigern, wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die unter dem Namen Flurbereinigung bekannt sind. Die Forderung nach Zusammenlegung und Neueinteilung von zersplittertem oder unwirtschaftlichem Grundbesitz nach „neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten“ wurde dann im Flurbereinigungsgesetz vom 16.3.1976 (§ 37) gesetzlich festgelegt. Vom rechtlichen Standpunkt her handelte es sich um eine quasi Entmündigung der Besitzer durch die Annahme, die Flurberei­nigungsbehörde könne über die vorgesehene Maßnahme besser entscheiden als die Beteiligten selbst, die als eine Körperschaft des öf­fentlichen Rechts (§ 16) unter ihre Auf­sicht gestellt wurden (§ 17). Ihre Interessen hielt man dabei selbst dann für „gegeben“ (§ 4), wenn sich die Mehrheit gegen eine Maßnahme aus­spricht, während deren Mitwirkung als sog. „Landschaftspfleger“ bei der Entscheidung nur „im Benehmen“ erfolgt. [1]

Abgesehen von dem großen bürokratischen Aufwand, samt den vielen Einschränkungen und Bestimmungen, und dem Zwangscha­rakter, mit dem angeblich Interessenkonflikte verhindert werden sollten, erzielte die sog. „Raumplanung“ keineswegs nur wünschenswerte Ergebnisse. Im Gegensatz zu den Zu­sammenlegungen der Felder wäre nach Wolfgang Haber eine „diffe­renzierte Raumord­nung“ sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich von Vorteil gewesen: [2] Die Vergrößerung der Landflächen und die Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe bedeutete eine Monotonisierung der natürlich oder historisch gewachsenen Landschaft mit überproportionalen nachteiligen Nebenwirkungen auf benachbarte Naturbiotope (Störungs-Syndrom); [3] durch die Beseitigung der „überflüssigen“ Zwischenräume, Hecken und sonstigen ungenutzten Flächen und dem Streben nach einem „mittelfeuchten Einheitsort“ wurden im Zuge dieser Entwicklung eine Menge Naturbiotope zerstört, was die Hauptursache für das Aussterben vieler einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist. [4]

Aus heutiger Sicht ergibt sich eine Paradoxie aus der Vorstellung der physiokratischen Lehre, welche die Produk­tivkraft der Natur gerade in der Landwirtschaft erblickte. In Wirklichkeit lösen die menschlichen „Nutz-Ökosysteme“ die natürlichen Ver­hältnisse eines Ökosystems zugunsten bestimmter Pflanzenarten auf und setzten ihre natürliche Regelung außer Kraft. Das war schon immer der Fall, wenn auch nur in begrenztem Ausmaß; die moderne Landwirtschaft zerstört jedoch die natürlichen Ökosysteme auf extreme Weise. Trotz dieser bekannten Zusammenhänge werden „ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft“ seitens des Ge­setzgebers als kein Eingriff in Natur und Land­schaft angesehen, [5] ja es werden ihnen mit dem Hinweis auf ihre „landschaftspflegerische Bedeutung“ sogar Verdienste für den Erhalt einer hohen Lebensqualität zugeschrieben. Nach Meinung einiger Umweltökonomen (z.B. Günter Hartkopf und Eberhard Bohne) verletzen diese Landwirt­schaftsklauseln das Vorsorge- und das Verursacherprinzip. [6] Denn sie vernachlässigen sowohl die von der Landwirtschaft verursachten Schäden an Natur und Umwelt und die damit verbundenen gesellschaftlichen Folgekosten, als auch notwendige Rücklagen für die Zukunft (etwa den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und der Selbstregulations­fähigkeit der Ökosysteme oder des Agrarmarktes). Genau das ist aber dasjenige, was man ursprünglich unter dem Begriff eines „nachhaltigen Wirtschaftens“ verstand, bevor dieser ideologisch mißbraucht wurde.

Der planerische Ansatz zeigte sich, selbst nachdem ökologische Belange zum angekündigten politischen Ziel geworden waren, als ungenügend, zum Teil allein wegen der unterschiedlichen Gewichtungen von Kriterien ver­meintlicher Wirtschaftlichkeit und ökologischer Rücksich­ten. [7] Schließlich führte selbst die neuere, „umweltbewuß­tere“ Flurbereinigung seit etwa Ende der 70er Jahre nur zur weiteren Vergrößerung der Landflä­chen, zu Biotopenvernich­tung und Konzentration der landwirtschaft­lichen Betriebe, hauptsächlich unter dem Vorwand ver­meintlicher Inter­essen der Landwirtschaft. [8] Es liegt aber auch in der Logik des manipulativen Zugangs zur Welt begründet, daß ihm jedes Stück Natur jenseits von Reglementierung ein Dorn im Auge, ein „Wildwuchs“ ist, was im Wort „Flurbereinigung“ deutlich zum Ausdruck kommt. Der verbal proklamierte, gesetzlich verankerte Naturschutz [9] zwecks „Erhalt von Biodiversität“ erfüllt bei den Planungsvorhaben eher eine Alibi-Funktion und Betätigungsmöglichkeit für verschiedene Natur- und Tierschutzorganisationen, ohne daß sich am fortschreitenden Artensterben viel geändert hätte. Das verwundert nicht, denn die Naturschutzmaßnahmen werden oft nur kleinflächig und selektiv betrieben, ohne Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge. Meistens werden nur seltene Arten oder Biotope geschützt. Dadurch passiert es manchmal, daß diese Arten (wie z.B. Kormorane) durch die Abwesenheit natürlicher Feinde selbst zu einer Plage werden. Es mutet jedenfalls etwas seltsam an, wenn einerseits Milliarden für das Artensterben in der Landwirtschaft verschwendet, andererseits wieder aufwendige Projekte gestartet oder Bauvorhaben verhindert werden, die viel geringere Schäden für die Natur verursachen, um einzelne Tiere zu retten: Für bestimmte wildlebende Tiere, wie Kröten, Hasen, Eidechsen, Igel oder Feldhamster, werden aufwendige Anlagen, Tunnel, Brücken, Erdwälle und sonstiges gebaut, um sie vor Verkehr, elektrischen Leitungen oder Bauvorhaben zu schützen. Andererseits sterben in Deutschland immer mehr Tierarten aus, weil es nach den Vorstellungen der Landschaftsplaner nicht zulässig ist, ein Stück Land unbewirtschaftet zu lassen.

„Flurbereinigung“ stand bis vor kurzem für Kahlschlag, Zerstörung, Gleichschaltung, Monotonisierung der Landschaft durch rücksichtslose Beseitigung von allem natürlich oder historisch Gewachsenen, ja greift inzwischen auch auf weitere Bereiche über als die „unwirtschaftliche“ bäuerliche Landwirtschaft. Der planerische Machbarkeitswahn bezog sich nicht nur auf den Ackerbau; ebenso mußten Wälder und Gewässer unter Kontrolle gebracht, d.h. begradigt und bewirtschaftet werden, was sich bald ebenfalls als Fehlprojekte mit unabsehbaren Folgen erwies. Die großen Überschwemmungen von 2002 waren schließlich keine bloße Naturkatastrophe, mit der sich gut Wahlkampf veranstalten ließ, sondern wurden von einer Reihe menschlicher Versagen mitverursacht: Begradigte Flüsse und geschädigte Wälder trugen dazu bei, daß der Boden nicht genug Wasser aufnahm, so daß ein Teil oberflächlich abfloß. Der Aufbau von Infrastrukturen, Ackerland und Gewerbeflächen in Auengebieten, kombiniert mit unzureichendem Hochwasserschutz, waren ebenfalls Fehler, indem aus angeblich wirtschaftlichen Gründen Umweltgefahren (in diesem Fall des Hochwassers) ignoriert wurden. [10]

Die scheinbare Rationalität hat sich als trügerisch und kontraproduktiv erwiesen; die Natur rächt sich für die durch kurzfristige Nützlichkeitserwägungen verursachten Schäden. Es sind nicht nur unerwartete Katastrophen, sondern auch weitere unberücksichtigte Folgen und Nebenwirkungen für Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Inzwischen sammeln diverse Naturschutzvereine Spenden, um beispielsweise zuvor begradigte Flüsse und Bäche wieder zu renaturalisieren, weil durch die Begradigungen bestimmte Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Dieses Anliegen ist nichtsdestoweniger schon deswegen fragwürdig, weil die Spender durch freiwillige Beiträge wiedergutzumachen helfen, was andere zuvor, oft mit staatlichen Zuschüssen (d.h. für ihr Steuergeld), zerstört haben. Mit Ausnahme einiger Tausend nicht allzu großen und selbstverständlich von menschlichen Eingriffen abhängigen Naturschutzgebieten gibt es in Deutschland kaum noch unberührte Natur, die sich selbst überlassen bleibt. Was als Natur gilt, wird aufwendig und kostenintensiv gepflegt, wobei die Pflege auf eine Weise von demselben planerischen Ansatz herrührt, wie die Zerstörung. Das gilt nach Gernot Strey auch für die sog. „Renaturalisierung“ von Lebensräumen. „Das Ge­stalten von Ökosystemen durch solche ‚Pflegemaßnahmen’ ist eher geeignet, unser Gewissen wegen anderer Schäden an der Nutzung zu beruhigen. Solche Aufrechnungsmentalität kann nicht tragen. (...) Das Ergebnis ist oft eine weit überdimen­sionierte ‚Pflege’. Leider kommt solches Tun noch unserer Ma­chermentalität entgegen.“ [11]

Diese gilt nicht nur für die flurbereinigte Landwirtschaft; selbst ungepflegte Gärten, die kleine Biotope mit großer Artenvielfalt darstellen, oder geöffnete Dachbodenfenster und alte Scheunen, die Unterschlupf für Fledermäuse bieten, überhaupt etwas weniger ordentliche Verhältnisse, werden in Deutschland ungern gesehen. Der Rasen und die sonstige Gestaltung privater Grundstücke muß stets den örtlichen beschränkten ästhetischen Vorstellungen angepaßt werden. Mit dem Artensterben wird diese Ordnungssucht nicht in Zusammenhang gebracht, das schlechte Gewissen wird mit Spenden für verschiedene Rettungsprojekte kompensiert. Zuweilen verursachen sogar bestimmte Regelungen und Vorschriften, wie z.B. zur Verwendung kleinmaschiger Netze für den Fischfang das Gegenteil dessen, was sie als solche eigentlich verhindern sollten. Die feinmaschigen Netze führen zum Überfischen der Meere, weil darin auch Fische gefangen (und oft ohne Verwendung getötet) werden, die sich noch nicht vermehrt haben. Langfristig bewirkt diese unsinnige Politik den Verlust des Fischbestands und das Aussterben bestimmter Fischarten. [12]

Nach Ulrich Hampickes Meinung (von 1978) liege die Hauptursache der Naturzerstörung und Ausrottung der Arten in der Fehlallokation von Mitteln, insbesondere durch die öffentliche Hand, während ihr bloßer Abbau einen Großteil des erwünschten Naturschutzoptimums zum Nulltarif gewährleisten und die üb­rigen Kosten viel geringer ausfallen würden, wenn man auf aufwendige naturzerstörende, vordergründig der Produktionssteigerung nutzende Investitionen verzichtete. [13] Daran scheint sich seitdem wenig geändert zu haben. Dabei sind die Motive der Naturzerstörung keineswegs im­mer durch ökonomische Rentabilität gerechtfertigt: „Wie er­klärt es sich dann, daß dort, wo keine ökonomischen Anreize für die Naturzerstörung bestehen, wo es unter heute gegebenen Umständen rentabler wäre, pfleglicher mit der Natur umzugehen – daß selbst dort Tier- und Pflanzenarten, sprudelnde Bäche, alte Bäume und derartiges einfach nicht geduldet werden? Ob­wohl die Forstwirtschaft in Deutschland über ihre roten Zah­len klagt, weigert sie sich, mehr als 0,3 % des Waldes (!) un­bewirtschaftet wachsen zu lassen.“ Nach seiner Ansicht ginge es ihr ökonomisch besser, wenn sie es täte. Wasserbau, Dränage und Flurbereini­gung verschlingen Milliardenbeträge pro Jahr, ohne daß dem, abgesehen von ökologischen Belangen, eine ökonomische Rechtfertigung beigemessen werden könnte. „Der Staat ächzt unter Finanzlasten und Verschuldung und treibt, anstatt Milliarden einzusparen, lieber Pfennige ein bei denen, die ohnehin nichts haben.“ [14]

Umweltschutz oder Klimawahn?

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