Читать книгу Umweltschutz oder Klimawahn? - Shimona Löwenstein - Страница 7
1.3. Die „Bauern“: Nahrungshersteller oder Ressourcenvernichter?
ОглавлениеDie Folgen der Urbanisierung (Bodenversiegelung) und der Industrialisierung (Vergiftung von Luft, Gewässern und Boden) für Natur und Umwelt sind inzwischen gut bekannt. Dagegen wird der weit größere Anteil der Landwirtschaft an der Naturzerstörung eher übersehen oder verharmlost. Die ökologischen Schäden der sog. „Landschaftsplanung“ betreffen nämlich nicht nur die Lebensräume bestimmter Tier- und Pflanzenarten. Der Anbau von Reinkulturen erhöht die Anfälligkeit der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge, womit der Einsatz von diversen Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden, Fungiziden und Herbiziden) gerechtfertigt wird, der mit den „Schädlingen“ zugleich viele weitere Tier- und Pflanzenarten, einschließlich ihrer natürlichen Feinde (zum Beispiel der Vögel), ausschaltet und die ersteren langfristig immun werden läßt. Der mit der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung zusammenhängende Einsatz von chemischen Düngemitteln führt wiederum oft zur Überdüngung (Überversorgung der Böden mit Stickstoff, Phosphat und Kalium), die Bodenerosion, Wasserverseuchung (vor allem durch Nitrate) [33] und Anreicherung der Schadstoffe in der Nahrung verursacht. Die subventionierte Ertragssteigerung wurde schließlich nur durch einen (ebenfalls subventionierten) überproportionalen Energieaufwand (Energiebeihilfen) erreicht. [34] Ein Teufelskreis selbstverursachter Scheinnotwendigkeiten wurde so geschaffen, der sich nur mit immer höherem Kosten- und Energieaufwand – bei sinkendem Grenznutzen – aufrechterhalten läßt.
An dieser offensichtlichen Fehlentwicklung ist die europäische Wirtschaftspolitik mit der Belohnung von ertragsintensiver Großproduktion mitverantwortlich. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zur Schaffung eines Gemeinsamen Agrarmarktes war von Anfang an eines der schwerwiegendsten und aufwendigsten politischen Vorhaben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die Ziele der GAP waren:
1 Nivellierung der Unterschiede der nationalen Landwirtschaften,
2 Steigerung landwirtschaftlicher Produktion,
3 Sicherung der Einkommen der europäischen Landwirte,
4 Schutz der europäischen Märkte für Agrarprodukte vor außereuropäischer Konkurrenz aus Drittländern.
Zu diesem Zweck wurden folgende Mittel eingesetzt:
1 Förderung von intensivierenden Maßnahmen zwecks Ertragssteigerung,
2 Garantie von Mindestpreisen für landwirtschaftliche Produkte,
3 Abnahmegarantien von Überschüssen der Mitgliedstaaten,
4 Einfuhrbeschränkungen und Zölle.
Finanziert wird die gemeinsame Agrarpolitik durch den 1962 geschaffenen Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), der einen Großteil (heute immerhin noch 40 %) des gesamten EU-Haushaltes beansprucht.
Die anfangs für den gemeinsamen Agrarmarkt gesetzten Ziele (Angleichung und Intensivierung agrarischer Produktion, Sicherung der Einkommen der Landwirte) wurden bereits in den siebziger Jahren weitgehend erreicht, obwohl am Ende des Jahrhunderts erneut behauptet wurde, daß die Einkommen der Landwirte immer noch weit unter denen der übrigen Bevölkerung liegen. Inzwischen wurde jedoch immer mehr Aufmerksamkeit auf die ökologischen Aspekte der Landwirtschaft gerichtet. Aus der Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Nutzen (in diesem Fall der Landwirte) und den Umweltschäden schlossen Natur- und Umweltschützer sogar auf einen Widerspruch, ja Gegensatz zwischen Natur und Wirtschaft bzw. zwischen Ökologie und Ökonomie.
In Wirklichkeit war die Modernisierung der Landwirtschaft nach scheinbar rationalen betriebswirtschaftlichen Kriterien, die man einseitig im Sinne von Ertragssteigerung auffaßte, weder ökologisch noch ökonomisch rational. Schon die Heranziehung einzelwirtschaftlicher Kriterien, die aus makroökonomischem Gesichtspunkt irrelevant sein können, [35] ist eine fragwürdige Betrachtungsweise, weil sie die Wechselwirkung mit anderen Marktteilnehmern und der Umwelt außer Betracht läßt. Eine Produktionszunahme bzw. Ertragssteigerung eines Marktteilnehmers oder einer Branche muß demzufolge nicht immer das optimale gesamtwirtschaftliche Ergebnis bedeuten, sondern kann im Gegenteil die Gesamtwirtschaft belasten. [36] Nur die Berücksichtigung der gesamten Folgen und der geschätzten gesellschaftlichen Kosten könnte einen Einblick darin gewähren, inwiefern ertragssteigernde Investitionen und ihre Finanzierung durch Subventionen tatsächlich wirtschaftlich rational sind oder eher eine Fehlallokation von Mitteln darstellen, die man vielleicht auf eine andere Weise zum Wohl der Allgemeinheit oder zum Schutz der Natur hätte verwenden können.
Zu der großen finanziellen Belastung durch Agrarsubventionen müßten somit noch weitere Kosten hinzugerechnet werden, nämlich die zusätzlichen Kosten für Energie, Grundwasserverschmutzung und Gesundheit, die durch die genannten „externen Effekte“ der Landwirtschaft entstanden sind. „Die Öffentlichkeit und auch viele Spezialisten haben sich durch unvollständige Angaben der Landwirtschaft irreführen lassen. Es fehlen die Kosten für Energie und die Kosten, die die Gesellschaft für Umweltschutzmaßnahmen aufbringen muß, die bei dem intensiven Gebrauch von Maschinen, Düngemitteln, Pestiziden, Herbiziden und anderen stark wirkenden Chemikalien erforderlich werden.“ [37] Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß trotz der verschärften Vorgaben für Pflanzenschutzmittel diese externen Effekte (Rückstände in Trinkwasser und Nahrungsmitteln, Produktionsverluste, Biodiversitätsverluste usw.) weiterbestehen und damit hohe externe Kosten (Regulierung, Kontrolle und gesellschaftliche Folgekosten) in beträchtlichem Umfang verursachen. [38] Daraus schloß man, daß ordnungspolitische Instrumente (gegenüber den ökonomischen) ineffektiv sind. [39]
Überdies handelt es sich bei der Garantie von Mindestpreisen um einen klassischen Fall von direkten Eingriffen in die Preisbildungsmechanismen, der ein Überangebot hervorbringt – also den umgekehrten Fall von dem durch die Festsetzung von Höchstpreisen erzielten Unterangebot. Wenn sich Preise für landwirtschaftliche Produkte, wie auch bei allen anderen Gütern, auf dem freien Markt bilden würden, so lehrt die klassische Theorie, entstünde langfristig ein Gleichgewichtspreis mit der entsprechenden Gleichgewichtsmenge des angebotenen und zugleich nachgefragten Produktes. Wird aber ein Mindestpreis festgesetzt, der höher liegt als der Gleichgewichtspreis, entsteht ein Angebotsüberschuß, d.h. die angebotene Menge ist viel größer als die bei diesem Preis nachgefragte. Darin liegt die Ursache für die so entstandenen landwirtschaftlichen Überschüsse. Da alle Märkte in Wechselwirkung zueinander stehen, breiten sich Deformationen eines Marktes auf andere Märkte aus und verursachen Verzerrungen in der gesamten Volkswirtschaft. [40]
Durch die gewährten Absatzgarantien haben sich die Überschüsse weiter vergrößert, denn diese bilden einen starken Anreiz für intensivierte Bewirtschaftung (einschließlich Stickstoffdüngung und Pflanzenschutzmitteleinsatz) und zur Überproduktion samt aller damit verbundenen ökologischen und ökonomischen Folgen. Der Landwirt produziert somit unabhängig davon, ob er seine Produkte verkaufen kann oder nicht, denn die Überschüsse muß der Staat aufkaufen, lagern oder beseitigen. Daß man die sinnlos erwirtschafteten Überschüsse überdies nicht einmal dazu verwendet, um etwa hungernden Menschen in der Dritten Welt zu helfen, sondern daß sie auf Kosten der Allgemeinheit aufbewahrt und sogar vernichtet werden müssen, ließe sich als widersinnig und amoralisch werten, aus rein wirtschaftlicher Sicht zumindest als eine gigantische Ressourcenverschwendung. Der Verbraucher, der in der Regel mit dem Steuerzahler identisch ist, wird im Endeffekt gleich mehrfach geschädigt. Er muß:
1 höhere Preise für Nahrungsmittel bezahlen,
2 höhere Steuern in Kauf nehmen, die zum Aufkauf der Überschüsse, deren Transport, Lagerung (einschließlich Energiekosten) und gegebenenfalls Vernichtung notwendig sind,
3 die Kosten tragen, die z.B. durch den Nitrateintrag ins Grundwasser entstehen, ohne im privaten Kalkül des Landwirts zu erscheinen,
4 die Schadstoffbelastung seiner Nahrung und die damit verbundenen Krankheiten hinnehmen und auch deren Kosten tragen.
Deshalb wird die Agrarpolitik auch als eine unzulässige Begünstigung von Partialinteressen auf Kosten der Allgemeinheit kritisiert. Demnach besitzt die Landwirtschaft Effizienzvorteile hauptsächlich bei der „Produktion politischen Einflusses“. Durch die Integration der EG wurde die Vorzugsbehandlung der Landwirtschaft verstärkt und die Abschirmung vor oppositioneller Wählerkontrolle stabilisiert. [41] Mit dem ursprünglichen „sozialen“ Anliegen, nämlich der Angleichung der stagnierenden Einkommen der Bauern an die der übrigen Bevölkerung, die ohnehin nicht erreicht wurde, haben die Agrarsubventionen jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Da sie proportional zur Produktion gewährt werden, profitierten von ihnen am meisten nicht die kleinen „Bauern“, die es zumindest in Westeuropa kaum mehr gibt, sondern die größten und reichsten Landwirte bzw. die industrialisierten agrarischen Großbetriebe. Gegen den Verzicht auf Manipulation der landwirtschaftlichen Produktion durch Preisfixierung und Subvention wurde oft behauptet, dieser hätte zu einer noch größeren Konzentration der agrarischen Produktion und weiteren Verdrängung bäuerlicher Betriebe durch agrarindustrielle Großunternehmen und zur Produktion von billigstmöglichen Nahrungsmitteln mittels weiterführenden Raubbaus geführt. Diese Behauptung läßt sich nicht nachprüfen: Es ist zwar möglich, daß es unter den Bedingungen des freien Marktes zu einer ähnlichen Entwicklung gekommen wäre. Auf jeden Fall wirkt aber die Subventionspolitik nicht dem Trend entgegen, sondern unterstützt ihn.
Man behauptet heute, die riesigen Überschüsse („Butterberge“ usw.) gehören der Vergangenheit. Das bedeutet freilich nicht, daß die Agrarpolitik keine Probleme mehr verursacht. Manchmal sind es gerade die Lösungen, die mit der Beseitigung eines unerwünschten Effekts andere, möglicherweise noch größere, bewirken. Durch die Quotenregelung für Mengen und Qualität der Produkte, die hauptsächlich von den ex-sozialistischen EU-Mitgliedern als ungerechtfertigter Eingriff in ihre Wirtschaft und Lebensweise empfunden wurde, kam ein planwirtschaftlicher Ansatz zurück, der alle Abweichungen von den festgesetzten Normen verhindert, dem proklamierten Wettbewerbsprinzip zuwiderläuft und bekanntermaßen nicht funktionieren kann, zumindest nicht ohne einen ungeheuren Aufwand an externen Kosten, die mit den bewilligten Milliarden noch lange nicht erschöpft sind. Darüber hinaus wird auch schon lange kritisiert, daß die Europäische Union durch Einfuhrbeschränkungen und -zölle sowie Exportzuschüsse, genannt auch Exportbeihilfen, die wohl die anfallenden Überschüsse reduzieren sollten, die eigene Landwirtschaft beschützt und die bäuerliche Produktion der armen Länder Afrikas ruiniert, indem sie diese mit EU-Lebensmitteln zu Dumpingpreisen überschwemmt. Einige Millionen Menschen jährlich dürften deswegen ihre Lebensgrundlage verlieren. [42] Hier hat sich die angeblich als „soziale Maßnahme“ gedachte Ladwirtschaftspolitik offensichtlich in das genaue Gegenteil davon verwandelt.
Wie man sieht, hat diese irrationale und an bloße Lobbyinteressen orientierte Verschwendung von Lebensmitteln, die mit einer allmählichen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, der Mannigfaltigkeit der Landschaft, der Vielfalt traditioneller Lebensweisen und der Selbstregulierungsfähigkeit der Wirtschaft einhergeht, mit Herstellung von gesunden Lebensmitteln und Landschaftspflege nicht mehr viel zu tun. Die europäische (und damit auch die deutsche) Agrarpolitik stellt vielmehr, wie ihr fast vom Beginn an immer wieder diagnostiziert wurde, ein durch Protektion, Subvention und Standardisierung erreichtes finanzielles und ökologisches Desaster dar. [43]
Um die bestehenden Schäden zumindest nicht mehr zu vergrößern, bzw. den Trend allmählich zu wenden, wurden bereits in den 80er Jahren seitens der Umweltökologie Konzepte zur Instrumentalisierung der Umweltpolitik in der Landwirtschaft entwickelt, wie zum Beispiel eine direkte Bezahlung der Bauern als Landschaftspfleger oder eine Vergabe von Bewirtschaftungsbeiträgen für umweltrelevante externe Leistungen. [44] Einen anderen Vorschlag zur nicht-staatlichen Bereitstellung des Gutes „bäuerliche Kulturlandschaft“ bot z.B. Yelto Zimmer mit Hilfe des Konzepts der Clubgüter. [45] Weitere Vorschläge waren die Schaffung zusätzlicher Naturschutzgebiete und ähnliche Maßnahmen, [46] die zumindest kostengünstiger, effektiver und wirtschaftlich ebenso wie ökologisch vertretbar wären. Es handelte sich dabei zumindest um keine direkten Eingriffe in den Markt, sondern lediglich um Nachfrage des Staates nach Landschaftspflege, Erhalt der Bodenfruchtbarkeit oder nach gesunder Ernährung der Bevölkerung (weniger belasteten Nahrungsmitteln). Überdies wäre eine Erhebung von Abgaben bei umweltbelastender Produktion zum Ausgleich für die auf die Gesellschaft umgewälzten externen Kosten möglich, die zugleich ein sinnvoller Anreiz für den Umstieg auf nichtkonventionelle Landwirtschaftsformen wäre. [47]
Zumindest die vermehrte Förderung von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben mit einem höheren Grad an endogenen Stoffkreisläufen, wie es z.B. die „biologisch-dynamische Wirtschaftsweise“ und ähnliche Arten von nicht-konventionellem Ackerbau sind, [48] wäre nicht nur ökologisch relevanter, sondern auch kostengünstiger als die aufwendige naturzerstörende Flurbereinigung und Begünstigung von landwirtschaftlicher Überproduktion. Die sog. „Biobauern“ stellen aber bis jetzt nur einen winzigen prozentuellen Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion dar. Ihre Produkte, die vornehmlich von gutsituierten grün-alternativen Eliten gekauft werden, sind in der Regel überteuert, oft mehrfach so teuer wie konventionelle. Dabei leuchtet es nicht immer ein, warum der bloße Verzicht auf chemische Düngemittel, Pestizide und sonstiges zu derart höheren Kosten (beispielsweise bei Äpfeln) führen sollte. Jedenfalls wurden gerade den Öko-Landwirten in Deutschland, trotz steigender Nachfrage, immer mehr Fördermittel gekürzt, wovon ausländische Produzenten profitieren. Für den Konsum von vorwiegend konventionell hergestellten Nahrungsmitteln wurden immer wieder die Verbraucher mit ihrem mangelndem Umweltbewußtsein verantwortlich gemacht. Das fehlende Angebot bei gestiegener Nachfrage (trotz hoher Kosten) weist dagegen darauf hin, daß es nicht die Verbraucher sind, die kein Interesse daran haben, an dem Status quo der konventionellen Landwirtschaft etwas zu ändern. [49]
Angesichts der Umweltbeeinträchtigungen durch die Landwirtschaft, die seit Anfang der 80er Jahre vielfach dokumentiert und kritisiert wurde, und hauptsächlich wegen der neuen, kostenintensiven Probleme (schlechte Absatzchancen auf dem Weltmarkt und folglich immer höhere Exportsubventionen, sowie immer höhere Kosten für den Aufkauf, Lagerung oder Vernichtung der Überschüsse), beschloß die EU 1992 eine „Agrarreform“, die im Wirtschaftsjahr 1994/95 umgesetzt wurde. Die Hauptpunkte der Reform waren:
1 Abbau der Preisstützung für Getreide, Öl- und Eiweißpflanzen,
2 flächenbezogene Preisausgleichszahlungen,
3 Einführung des sog. „konjunkturellen Flächenstillegungsprogramms“.
Außer der Bezahlung der Bauern für das zeitweilige Brachlegen von Feldern, die sog. „Stillegungsprämie“ pro Hektar Land (also proportional zum Landbesitz!), wurde von den vielen Reformvorschlägen, die in den 80er Jahren entwickelt worden waren, nicht viel verwirklicht, weder auf der EU- noch auf nationaler Ebene. Gegen die starke Lobby der konventionellen Landwirte mußte später selbst die grüne Verbraucherschutzministerin kapitulieren. Die damals festgelegte „Stillegungsquote“ der EU betrug ohnehin nur einen geringen Prozentsatz der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (auf der man übrigens noch Raps anbauen konnte, was nicht als landwirtschaftliche Nutzung gilt) und wurde Ende der 90er Jahre wieder gesenkt. Die „intensitätssenkenden Effekte“ der vermeintlich „grundlegenden“ Reform und die damit erhofften positiven Auswirkungen auf die Umwelt waren daher nur gering [50] und wurden bald wieder rückgängig.
Die durch mehrere Skandale (vor allem um BSE sowie die Aufdeckung verbotener Antibiotikazusätze bei der Schweinemast) Ende 2000 behauptete „Krise der Landwirtschaft“, in deren Zuge die wirtschaftliche Existenz zahlreicher Landwirte angeblich in Gefahr geriet, schien dann eine weitere „grundlegende Reform“ erforderlich zu sein. An Reformvorschlägen mangelt es dabei seit den 80er Jahren nicht. Noch 2005 empfahl beispielsweise Tilmann Rabe als Verbindung der an sich notwendigen Finanzreform mit umweltpolitischem Bestreben den Abbau von ökologisch kontraproduktiven Subventionen anstelle einer undifferenzierten flächendeckenden Reduktion. [51] Statt dessen zielte die EU-Agrarpolitik eher auf das Gegenteil einer Differenzierung ab. Die sog. „Agenda 2000“ sah vor, daß im Zuge des nächsten „Reformprozesses“, der bis zum Jahre 2013 abgeschlossen sein sollte, alle Arten von Agrarsubventionen auf „Flächensubventionen“ umgestellt werden; die Landwirte sollten also Zahlungen nur noch auf der Basis von Landbesitz erhalten, unabhängig von Art oder Menge ihrer Produktion. Das bedeutet im Klartext eine neue Art der Privilegierung von Landbesitzern: einen automatischen quasi feudalen Anspruch auf eine proportional zur Landfläche gewährte Rentenzahlung. Aus Fördergeldern für die angeblich armen Bauern ist so inzwischen tatsächlich eine Art von der Allgemeinheit bezahlte Grundrente geworden, die sogar die englische Königin bekommt, wenn auch ohne Leibeigene. [52] Ob diese Grundrente (Flächenprämie) die Landbesitzer dazu veranlaßt, ihre Produktion zu reduzieren oder eher sog. „nachwachsende Rohstoffe“ nicht als Nahrungsmittel, sondern als Brennstoff anzubauen, sollte ihnen freigestellt bleiben.
Die Ziele des Reformvorhabens waren im Grunde genommen berechtigt und zum Teil von den entwickelten Reformansätzen inspiriert. Wie die Reduktion der Stützpreise für Rindfleisch, Getreide und Milch, die durch Direktzahlungen unabhängig von den produzierten Mengen ausgeglichen werden, sollte schließlich auch die Umstellung auf Flächensubvention die Massenproduktion eindämmen und die Landwirte zum schonendären Umgang mit landwirtschaftlichen Ressourcen veranlassen. Außerdem wurden zusätzlich bestimmte Vorschriften zu Umwelt- und Tierschutz, Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie Regelungen zu Bodenschutz, Wasserrecht und „Mindestpflege für Flächen“ – das sog. „Cross complience“ sowie (ab 2007) die sog „Modulation“, d.h. Kürzung der Betriebsprämien [53] und Förderung von Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung der Ökologie eingeführt. Die reale Umsetzung dieser „Entkopplung“ der Direktzahlungen von der Produktion, d.h. der Ablösung der bisherigen „Produktprämien“ durch „Betriebsprämien“, mit der man 2005 begann, wie auch die konkreten Ergebnisse waren freilich bescheidener als die angekündigten Reformpläne. [54] Mit der Reform schien von Beginn an niemand richtig zufrieden. Die geplanten Reformziele wurden jedenfalls nicht erreicht. Der Strukturwandel (Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe) beschleunigte sich auch aufgrund der Liberalisierung der Marktpreise (Preisverfall) und weiterer Produktionssteigerung. Erhöhte Milchquoten führten 2009 zum drastischen Verfall von Milchpreisen. Beklagt wurde auch die durch die zahlreichen Regelungen und ihre ständigen Änderungen angewachsene Bürokratisierung der Vielzahl von „Flächenfördermaßnahmen“. Der „Health Check“ von 2008/09 veranlaßte die Reformer zu weiteren Änderungen (Kürzung von Direktzahlungen, Erosionsklassen für Feldstücke, Milchsonderprogramm).
Inzwischen wurde wieder ein mehrjähriger Finanzierungsrahmen (MFR) für die Jahre 2014-1020 beschlossen. Die „neue Agrarreform“ enthält neben allgemeinen Proklamationen in bezug auf Umwelt- oder „Klimaschutz“ auch sog. „Ökologisierungsauflagen“. Das bedeutet, daß 30 % der Direktzahlungen an Umweltauflagen gekoppelt sein sollen; außerdem muß jeder Landwirt 5 % der landwirtschaftlichen Fläche „nachhaltig“ bewirtschaften. Der Erfolg solcher Maßnahmen bleibt umstritten: Das Helmholtzzentrum für Umweltforschung (UFZ) meint beispielsweise, auch diese Reform werde den Schutz biologischer Vielfalt nicht verbessern und den bisherigen Trend nicht aufhalten, sondern weiterfördern. Damit verfehlt sie das Ziel einer „grünen Landwirtschaft“ („Greening“). [55] Im großen und ganzen handelt es sich bei diesem Reformversuch, den man schon, wie es heutzutage Mode ist, als „Agrarwende“ bezeichnet, wieder nur um eine weitere Mogelpackung. Sie weist dieselben Merkmale auf wie alle anderen Reformen eines Systems auf, das nicht mehr funktioniert und sich zum Selbstzweck entwickelt hat.