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1.1. Tiere als industrielle Eiweißmaschinen

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Abgesehen davon brachte die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in bezug auf tierische Erzeugnisse einen häßlichen Nebeneffekt mit sich, der die moralischen Aspekte des Umgangs des Menschen mit seinen Haustieren betrifft. Seitdem sich die ökologische Einstellung verbreitet hat, bringen die Medien regelmäßig Berichte über brutale Bedingungen der Massentierhaltung [15] und industrielle Schlachtung von lebenslang gequälten und schließlich (mit Hilfe von europäischen Exportzuschüssen) über Tausende von Kilometern ohne Wasser und Nahrung hin und her transportierten Tiere. In anderen Berichten wurde die Tatsache angeprangert, daß bei der Produktion von Legehennen die männlichen Küken nach dem Schlüpfen massenweise vergast werden, weil sie nicht gebraucht werden. Als Lösung wurde eine (kostenaufwendige) Früherkennung des Geschlechts des Tieres angeboten, so daß seine Beseitigung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen kann: Die männlichen Küken zu Brathähnchen aufwachsen zu lassen, wäre wohl unter einer so spezialisierten Produktion nicht möglich. Nach langem Hin und Her erzielten die Grünen an der Regierung einen Riesenerfolg: Die Hühnerkäfige wurden um ein paar Zentimeter größer. Und auf dem Markt können seit einiger Zeit neben Eiern aus Käfighaltung auch aus sog. „Bodenhaltung“ (die nicht viel besser ist, da die Hühner auf engem Raum zusammengedrängt leben) sowie aus vermeintlicher (oft gefälschter) „Freilandhaltung“ erworben werden. Mit dem tatsächlichen Umgang der auf tierische Erzeugnisse spezialisierten „Bauern“ mit ihren „Eiweißmaschinen“ hat dies wenig zu tun.

Mit der Tierquälerei sind die Nachteile dieser Spezialisierung und Massenproduktion noch keineswegs erschöpft. Es ist schwer verständlich, warum der Schlachtungsort so weit vom Aufzuchtsort entfernt liegen muß; durch Gülle völlig verseuchte Felder und gleichzeitig intensiver Gebrauch von chemischen Düngemitteln sind für den gesunden Menschenverstand keine nachvollziehbare Handlungsweise. [16] Da die Landwirtschaft ohnehin kräftig subventioniert wird, kann hierbei auch das Kostenargument kaum tragen. Es treten auch immer Tierseuchen auf, wie die Schweinepest, die Schwarzkopfkrankheit bei Puten oder die Klauenseuche. Es ist klar, daß sich Krankheiten unter den Tieren nicht nur bei Massenhaltung, sondern auch aufgrund der „modernen“ Zuchtmaßnahmen mit künstlicher Befruchtung und Züchtung von genetisch gleichartigen Tieren besser ausbreiten können als bei genetischer Vielfalt und herkömmlichen Zuchtbedingungen eines Bauerhofs. Außerdem handelt es sich dabei um eine leichtsinnige Reduktion des „genetischen Pools“ unserer Haustiere, deren Folgen noch schwer abschätzbar, aber jedenfalls nicht umkehrbar sind.

Ein weiterer bedenklicher Aspekt der sich häufenden Skandale in bezug auf diverse mit Massentierhaltung zusammenhängende Krankheiten sind die immer wieder festgestellten gesundheitlichen Risiken, die mit dem Konsum qualitativ minderwertiger Fleischprodukte verbunden sind. Der Zusammenhang zwischen „BSE“ bzw. „Rinderwahn“ bei Tieren und einem analogen Gehirnzerfall bei Menschen konnte zwar niemals wirklich nachgewiesen werden; die Abschlachtung Tausender Kühe war aber ein so überstürzter Aktionismus, daß die Vermutung naheliegt, die Massenschlachtung habe der Ablenkung der Aufmerksamkeit von anderen Problemen oder als geeigneter Vorwand zur Beseitigung von Überschüssen gedient. Die Minister stritten sich hauptsächlich darum, wer die BSE-Folgekosten tragen solle, während die EU und die Naturschützer die Menschen aufforderten, sogar mehr Rindfleisch zu essen, damit die beschlossene Tötung von Risikotieren umgangen werden könne. [17] Daß ihre Appelle mit dem rührenden Hinweis auf die „seelische und materielle Betroffenheit der Bauernfamilien“ eine Anmaßung gegenüber den verängstigten Verbrauchern darstellen, fiel weder den Interessenvertretern noch den zuständigen Politikern ein. Nur war der BSE-Skandal nicht das einzige, ja nicht einmal das wesentliche Problem, sondern wies nur auf die lange Zeit vertuschte Problematik der Massentierhaltung und ihre Folgen hin, welche die Menschen inzwischen unter dem Eindruck weiterer Skandale wieder vergessen zu haben scheinen.

Es gab insbesondere in den 80er Jahren ethische Diskussionen darüber, daß es den Menschen nicht zusteht, andere Lebewesen auszurot­ten, zu quälen, oder sie mit bloßen Nützlichkeitserwägungen zum Mittel menschli­cher Bedürfnisbefriedigung zu de­gradieren. Die Schlußfolgerungen waren Forderungen nach Erweiterung des Tierschutzes auf artgerechte Behandlung und Verpflegung, bis hin zu Meyer-Abichs Ruf nach einer verfassungsmäßigen Regelung einer Rechtsgemeinschaft mit der Natur und damit auch mit den Tieren. [18] Man erwog somit nicht nur Natur­schutzgesetze im Inter­esse der Menschen, sondern Tier- und Pflan­zenrechte ne­ben den Men­schenrechten. Deren theo­retische Be­gründung blieb indessen problematisch: So müsse nach Ansicht von Joel Feinberg die Postulierung von Rechten an bewußte tatsächli­che oder zumindest potentielle Interessen geknüpft werden. [19] Diese nur an persönlichen Interessen oder Bedürfnissen orien­tierte Einstellung, die in der utilitari­stischen Ethik ebenso wie in den Naturschutzbegründungen aus menschlichen Interessen zum Ausdruck kommt, wurde auch von anderen Autoren (Triebe, Spaemann) kritisiert. [20] Gegen die „deontologische Normbegründung“ von Tierrechten allein durch „moralische Pflichten der Menschen zu sich selbst“ wurde wiederum eingewendet, daß Pflichten gegenüber den Tieren ihrer selbst willen aufgrund ihrer Leidensfähigkeit postuliert werden könnten. [21] „Den Pflichten gegen sich selbst korrespondieren nämlich keine einklagbaren Rechte. Das Verhältnis zu sich selbst ist kein durch Regeln der Gerechtigkeit normiertes Verhältnis“, äußerte beispielsweise der konservative Philosoph Robert Spaemann. [22] Ebenso sei es abwegig, das Verbot der Tierquälerei in den Empfindungen der Tier­freunde begründet zu sehen. „Gerade jene Menschen, auf de­ren Mitgefühl sich die zuerst genannte Begründungsvariante beruft (...), würden darauf beharren, daß der Schutz primär den Tie­ren selbst und nicht den eigenen zarten Empfindungen gilt.“ [23]

Eine praktikable Lösung wäre allenfalls die Einführung des Rechts der Tiere auf artgerechte Be­handlung mit dem Klagerecht ihrer Beschützer. Bei konsequenter Anwendung würde sich daraus ein Verbot der Massentierhaltung oder zumindest von deren abwegigsten Formen, sowie der unbegründeten Folter bei Tierversuchen [24] ergeben. Die Debatten um die ethische Begründung von Tierrechten und ihre praktische Umsetzung blieben allerdings nur auf theoretisch-moralischer Ebene, die Praxis war davon unberührt. Was den in der Landwirtschaft genutzten Tieren an Rechten zusteht, ist im allgemeinen Bewußtsein das Recht auf artgerechte Tötung, deren Methoden in der Praxis ebenfalls umstritten sind. Diskussionen gab es jedenfalls nicht über die üblichen Schlachtungsmethoden, sondern nur über die von religiösen Minderheiten, nämlich über das jüdische und islamische Schächten. Hierzu gab es umstrittene Gesetzentwürfe, wonach die religiösen Gemeinschaften nachweisen müssen, daß für sie erstens nur der Verzehr von Fleisch geschächteter Tiere bindend ist, zweitens daß das Tier dabei keine zusätzlichen Schmerzen, Leiden oder Ängste erleidet. Dieser Nachweis steht aber im Widerspruch zu der Beurteilung der üblichen Schlachtungsmethoden, bei denen (abgesehen von dem sonstigen qualvollen Umgang) längst nachgewiesene Todesängste nicht berücksichtigt werden. Daraus schloß man, daß hier der Tierschutz eher als Vorwand, wenn nicht Deckmantel für eine Diskriminierung von Minderheiten diente. [25] Ob das der Fall war, läßt sich nicht ohne weiteres entscheiden; auch über die unterschiedlichen Schlachtungsmethoden scheiden sich die Meinungen.

Wie auch immer man dazu stehen mag, jedenfalls vergießen seltsamerweise deutsche Tierschützer eher Krokodilstränen über Wale, Robben oder Elefanten, manchmal auch Hunde und andere Tiere, die man in Asien zu essen pflegt, statt sich gegen den ungeheuren Mißbrauch unserer europäischen Nutztiere einzusetzen, [26] und protestieren lieber gegen spanische Stierkämpfe als gegen die hiesigen brutalen Schlachtungsmethoden. Das ist legitim. Allerdings sollte dabei mitberücksichtigt werden, daß ein solcher Stier immerhin im Kampf stirbt und dabei wenigstens eine, wenn auch geringe, Chance besitzt, den Toreador aufzuspießen. Im Gegensatz dazu wird der mit zum Teil nichtvegetarischen Abfällen (Fischmehl) gefütterte Schlachtochse, wenn er nicht unterwegs zum Schlachthof, eingepfercht im Waggon aus Wassermangel oder Todesangst eingeht, auf einem Laufband durch einen Bolzenschuß in den Kopf wehrlos abgeschlachtet. Wenn es sich um einen Menschen handelte, wessen Schicksal wäre da als Schlimmer zu beurteilen? Die Frage ist allerdings, ob diese Tierschützer in der Lage sind, solche Vergleiche überhaupt anzustellen.

Ein anderes Beispiel der Kontraproduktivität von bestimmten Maßnahmen, die bestimmte Tierarten vor Mißbrauch durch Menschen schützen sollte, ist das allgemeine Verbot von Elfenbeinimport in die USA und EU von 1989. Nach bestimmten Angaben entspricht die Nachfrage nach Elfenbein ungefähr dem Bestand der Stoßzähne von alten und kranken Tieren, die ohnehin getötet werden. Da dieser aber aufgrund des Handelsverbots vernichtet wird, hat dies die Zunahme von Wilderei nach jüngeren und gesunden Tieren zufolge.

Auch den Tierversuchen, deren Grausamkeit durch den scheinbaren Nutzen für die medizinische (meist aber nur kosmetische) Forschung kaum gerechtfertigt werden kann, wird im Vergleich zur üblichen Praxis der industriellen Massenzüchtung, –fütterung und –tötung unverhältnismäßig mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Wie verabscheuungswürdig sie auch erscheinen mögen, betreffen diese aber nur relativ wenige Tiere und können zumindest teilweise durch den Wunsch, Menschenleben zu retten, gerechtfertigt werden. Der Mißbrauch der Tiere in der heutigen Landwirtschaft betrifft dagegen Hunderte Millionen. Zu fragen bleibt auch, warum sich Tierschützwer nicht für das Verbot von Rattengift einsetzen, dessen Einsatz den Tieren (mit Absicht) einen langsamen und sehr schmerzlichen Tod beschert. Ginge es den Tierschützern tatsächlich um das Wohlergehen der Tiere, müßte nicht nicht da längst heftig dagegen protestiert werden?

Umweltschutz oder Klimawahn?

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