Читать книгу Verstohlene Leidenschaft - Shirlee Busbee - Страница 9

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5. KAPITEL

Shelly stürzte aus der Tür von Heather-Mary-Marie’s und rannte fast zu ihrem Wagen. Sie wollte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Sloan Ballinger bringen. Während sie in ihrer Tasche nach ihrem Schlüssel wühlte, kamen ihr all die schlagfertigen Erwiderungen in den Sinn, die sie Sloan hätte an den Kopf werfen können. Sie wäre fast hintenübergefallen, als sie gegen ein unverrückbares Hindernis stieß. Es ähnelte in Form und Aussehen verdächtig einem großen Deputy.

»Na, na. Wo brennt’s denn?«, rumpelte eine Stimme, die eine Glocke in Shellys Gedächtnis läuten ließ. Die beiden großen Hände des Hünen packten ihre Schultern und schoben sie ein Stück weg.

Verlegen und erschreckt blickte Shelly hoch in ein sonnengebräuntes Gesicht, dessen untere Hälfte sich hinter einem beeindruckenden Schnurrbart verbarg. Die Stimme kam Shelly zwar bekannt vor, aber sie konnte sie nicht sofort zuordnen. Den Mann erkannte sie ebenfalls nicht. Wahrscheinlich kann das auch nur seine Mutter, dachte Shelly. Der Schnurrbart wirkte wie eine Maske, die schwarze, verspiegelte Sonnenbrille und sein cremefarbener Stetson verbargen die übrigen Gesichtszüge des Mannes. Aber irgendetwas an ihm ... Shelly war mit ihren eins siebzig nicht gerade klein, aber der Mann vor ihr war ein wahrer Hüne. Er war sogar größer als Sloan, und der maß, wenn sie sich richtig erinnerte, um die eins neunzig. Eben diese Größe und die Stimme des Mannes sagten ihr etwas. Falls Shelly ihn tatsächlich von früher kannte, hätte sie seine muskelbepackte, hünenhafte Gestalt eigentlich nicht vergessen können. Die flüchtige Erinnerung gewann allmählich Konturen.

Dann lächelte der Hüne, und plötzlich wurde das Bild glasklar. »Jeb!«, rief Shelly entzückt. »Ich habe dich im ersten Moment gar nicht erkannt!«

»Na, also das wird mich bis zu meinem Tod verfolgen«, rumpelte er mit seiner tiefen Stimme, nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Brusttasche. »Du erkennst deinen eigenen Cousin nicht? Komm schon, Shelly. Wie viele Kerls wie mich hast du denn bisher über den Haufen gerannt, noch dazu in Uniform und in St. Galen’s?«

Sie lächelte und erwiderte den Blick seiner dunklen Augen. »Dafür gibt es keine Entschuldigung. Schon an deiner Größe und deiner Uniform hätte ich dich sofort erkennen müssen.« Sie kreuzte die Hände und streckte sie aus. »Willst du mich wegen meines schlechten Gedächtnisses festnehmen?«

Jeb schien nachzudenken. »Nein, das produziert nur überflüssigen Papierkram.« Seine Augen funkelten vergnügt. Er breitete die Arme aus. »Komm in meine Arme, Kleines. Es ist schon lange her. Es hat mir wirklich gefehlt, auf deinen kleinen knackigen Hintern aufzupassen.«

Shelly unterdrückte ein Kichern und ließ sich umarmen. Jeb Delaney war schon immer einer ihrer liebsten Verwandten gewesen, obwohl sie sich gar nicht so gut kannten. Zwischen ihnen lagen zehn Jahre Altersunterschied, was damals eine ganze Ewigkeit gewesen war. Jeb war nicht so viel jünger als Josh, sie waren durch ihre Großeltern miteinander verwandt. Ihr Großvater und Jebs Großmutter Anne waren Geschwister. Anne hatte Mingo Delaney geheiratet und damit viel Verbitterung ausgelöst. Denn Mingos Mutter war eine Ballinger. Die Grangers waren entsetzt, dass Anne sich mit einem Mitglied des verhassten Ballinger-Clan zusammengetan hatte. Nicht genug damit hatte Anne den Zorn ihrer Familie noch weiter geschürt, als sie trotzig ihren Erstgeborenen Jeb taufte, nach dem Urahn Jeb Granger. Jeb Delaney senior war ihrem Bespiel gefolgt, als er seinen erstgeborenen Sohn, den Deputy, ebenfalls Jeb nannte. Shelly erinnerte sich noch gut an Joshs Murren darüber, wie arrogant die Ballingers gewesen wären, sich einfach ihres Familiennamens zu bemächtigen. Oft genug hatte er knurrend behauptet, dieser Name hätte eigentlich ihm zugestanden und nicht irgendeinem entfernten Verwandten der Ballingers. Shelly hatte es tunlichst unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass Jeb Delaney schließlich auch ein entfernter Verwandter von ihnen war.

Es war Shelly schon damals albern vorgekommen, woran sich bis heute nichts geändert hatte. Schließlich konnte man einen Namen nicht besitzen, und außerdem hätten ihre Eltern Josh ohne weiteres Jeb nennen können, wenn sie das gewollt hätten. Als Shelly jetzt Jeb ins Gesicht lachte, beschloss sie, die Gelegenheit am Schopf zu ergreifen und die freundschaftlichen Bande fester zu knüpfen, die sie schon immer verbunden hatten.

In einer kleinen Stadt wie St. Galen’s lief man sich unvermeidlich häufiger über den Weg, und trotz der Entfremdung zwischen ihren Familien hatten Jeb und sie schon lange ihren Frieden geschlossen. Er hatte sie in ihrer Jugend manchmal recht derbe auf den Arm genommen, aber er hatte ihr auch deutlich gemacht, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Am meisten bewunderte Shelly an Jeb, dass er sich keinen Deut um die Familienfehde scherte. »Weißt du«, hatte er einmal zu ihr gesagt, »unsere Urahnen York und Jeb haben sich befehdet, aber das müssen wir doch nicht auch tun. Wenn dein halsstarriger Bruder so schlau wäre, wie man es von ihm behauptet, hätte er das schon längst begriffen. Also was meinst du, sollen wir beide nicht einfach so tun, als wäre der Rest der Familie übergeschnappt?« Shelly hatte lächelnd und ohne zu zögern zugestimmt. Sie war von ihrem großen gut aussehenden Cousin fasziniert gewesen, auch wenn er zugegeben nur ein Cousin zweiten Grades war. Und zwar sowohl, weil ihre Familie ihr nahe gelegt hatte, ihn gefälligst zu ignorieren, als auch wegen seiner einnehmenden Persönlichkeit. Sie war nachdrücklich vor ihm gewarnt worden, wie übrigens auch vor allen anderen Ballingers, was natürlich genau das Gegenteil bei ihr bewirkt hatte. Mit siebzehn war sie schrecklich in Jeb vernarrt gewesen und hatte ihn den ganzen Sommer über schamlos angehimmelt, bis sie im Herbst wieder ins Internat zurückgekehrt war. Shelly war ihm heute unendlich dankbar, dass er auf ihre mädchenhaften Versuche, seine Aufmerksamkeit zu erregen, niemals eingegangen war. Und noch mehr als seine Zurückhaltung hatte ihr gefallen, dass er sie deswegen niemals aufgezogen hatte ... Zum Glück! Josh hätte einen Wutanfall bekommen, wenn er mitbekommen hätte, wie oft sie sich in diesem Sommer Jeb in den Weg gestellt hatte. Shelly errötete jetzt noch bei der Erinnerung an die vielen Schliche, die sie ausgeheckt hatte, damit sie ihm auffiel. Wenn Josh je davon erfahren hätte ... Sie schüttelte sich. Josh hatte nicht viel für Jeb übrig, und Shelly hatte sich oft gefragt, ob zwischen den beiden Männern noch etwas anderes vorgefallen war, das ihre gegenseitige Abneigung am Leben erhielt, als irgendwelche Familienlegenden.

Jetzt standen sich die beiden gegenüber und lächelten sich einige Sekunden nur an. Schließlich wurde Jeb ernst. »Geht es dir gut?«, fragte er liebevoll. »Kommst du über Joshs Selbstmord hinweg?«

Shellys Lächeln erlosch. Sie nickte. »Es war hart, vor allem der erste Schock. Und in seinem Haus zu wohnen ... Ich werde dort ständig an ihn erinnert. Aber ich komme damit klar.« Sie lächelte gezwungen. »Es wird mit jedem Tag leichter. Denke ich.«

Jeb klopfte ihr etwas unbeholfen auf die Schulter. »Das klingt ganz nach meinem Mädchen! Und jetzt verrate mir noch, wie lange du im Tal bleiben willst. Dann kann ich mir ungefähr ausrechnen, wie oft ich nachts aus dem Bett geholt werde, um bei einer von deinen wilden Partys einzuschreiten.«

Shelly lachte. »Das musste ja kommen! Also wirklich, Jeb, ich war damals sechzehn, und Josh war die ganze Osterwoche weg. Ich war mit Maria und ihren Kindern allein da oben. Alle meine Freunde verbrachten die Osterferien hier, und wir haben einfach überlegt, was wir machen sollten. Welcher Teenager hätte da keine Party veranstaltet? Und so wild war sie gar nicht! Wenn diese alte Wichtigtuerin Mrs Matthews sich nicht die Mühe gemacht hätte, mich zu kontrollieren, hätte niemand davon erfahren.«

Jeb lachte. »Ich habe ganz vergessen, wie viel Spaß es macht, dich aufzuziehen! Du springst immer so schnell darauf an.«

»Und du bist nicht gerade ein Gentleman, wenn du mich an einen der peinlichsten Momente in meiner Jugendzeit erinnerst.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte. »Ich werde niemals vergessen, wie ich die Tür aufmachte und du davor standst. Du sahst aus wie der Terminator persönlich.« Sie lachte. »Und was du für eine Panik verursacht hast! Melissa-Jane hat sich beinahe ein Bein gebrochen, als sie auf der Rückseite aus dem Fenster geklettert ist, Bobba Neale hat sich ein blaues Auge geholt, als er flüchten wollte und gegen einen Verandapfosten gelaufen ist.«

»He, es war nicht meine Schuld, dass ihr so ein schlechtes Gewissen hattet. Habe ich jemanden verhaftet? Oder einen von euch mitgenommen? Nein. Ich habe dich nur gewarnt, nicht allzu laut zu sein, und dich daran erinnert, dass es gegen das Gesetz verstößt, wenn man betrunken Auto fährt. Ich habe nicht einmal einen Mucks zu dieser Pyramide aus Bierdosen mitten im Wohnzimmer gesagt. Die sah übrigens ziemlich beeindruckend aus.«

Shelly lächelte, als sie sich daran erinnerte. »Ja, das stimmt.«

»Spaß beiseite, wie lange bleibst du hier?«

Shelly verriet ihm ihre Entscheidung, für immer in Oak Valley zu leben. Jeb war sichtlich erfreut.

»Das freut mich. Du gehörst hierher. Die Ranch braucht dich. Und unsere kleine Gemeinde wird froh sein, dich wiederzuhaben.« Er zögerte, blies vernehmlich die Luft aus den Wangen und fuhr dann fort: »In den letzten Jahren scheint Josh sich nicht mehr allzu viel darum gekümmert zu haben, was im Tal passiert.«

Shellys Blick klebte an dem glänzenden Abzeichen auf seiner khakifarbenen Uniform. »Warst du einer der Deputies, die an den Tatort gerufen worden sind?«, fragte sie leise.

Er seufzte. »Ja. Ich bin nicht mehr hier stationiert. Ich bin jetzt Detective und arbeite in der Außenstelle in Willits. Deshalb hat man mich auch gerufen. Hier oben gibt’s nicht viele gewaltsame Tode, aber wenn, dann ist es fast immer jemand, den ich kenne. Allerdings hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es sich um Josh handeln könnte.«

»Das kann ich mir vorstellen. Ich konnte es auch kaum fassen, dass er Selbstmord begangen hat. So ganz kann ich es immer noch nicht glauben.« Jebs Miene veränderte sich fast unmerklich, aber Shelly sprang sofort darauf an. »Es war doch Selbstmord? Daran besteht doch kein Zweifel?«

»Das hat der Coroner jedenfalls in den Totenschein geschrieben«, antwortete er in dem neutralen Ton, den fast alle Polizeibeamten beherrschten.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet.« Shelly ließ nicht locker und sah ihm forschend in die Augen.

Jeb seufzte und schob seinen Hut in den Nacken. »Ich habe nichts am Tatort gefunden, was mir verdächtig vorgekommen wäre. Aber ich kannte Josh auch sehr gut, und ein Selbstmord erschien mir höchst merkwürdig. Außerdem ...«

»Außerdem?«

»Ach, was soll ich lange drum herumreden, Sweetheart, ich will dir keine Flausen in den Kopf setzen oder dich mit Mutmaßungen belasten, aber ich kann es dir genauso gut sagen wie jemand anders.« Jeb holte tief Luft. »In den letzten Jahren ist Josh in schlechte Gesellschaft geraten. Rauschgifthändler, nicht unsere Heimgärtnersorte, sondern große Kaliber, die die kleinen Züchter versorgen.« Jeb hielt kurz inne und sortierte seine Gedanken. »Josh«, fuhr er schließlich fort, »ist immer ein Spieler gewesen, das weißt du ja. Aber als vor etwa fünf Jahren diese Kasinos der Indianer überall aus dem Boden schossen, ist er richtig abgerutscht. Viele Leute aus dem Tal haben ihn in fast allen Kasinos gesehen und von großen Gewinnen gemunkelt. Und großen Verlusten.« Er sah sie spöttisch an. »Du kennst ja das Tal. Hier kannst du nicht einmal ausspucken, ohne dass es jemand mitkriegt. Am nächsten Tag behaupten gleich ein halbes Dutzend Leute, es hätte geregnet. Die Leute sehen etwas und sie ziehen sofort darüber her. Leider erzählen sie die Geschichten nicht immer korrekt. Jedenfalls liegt das nächste Kasino kurz hinter Willits an der 20. Sie sind an jedem größeren Highway im Staat verteilt. Eines liegt sogar nördlich von Ukiah und in Lake County befindet sich ein großes Kasino. Natürlich genehmigen sich viele Leute hier aus dem Tal abends gern mal einen kleinen Ausflug und genießen die Chance, ein bisschen Bargeld einzustreichen.« Jeb grinste. »Du weißt ja, wie es ist. Du kannst das Tal nicht verlassen, ohne jemanden aus dem Tal zu treffen. Selbst wenn du bis nach Santa Rosa fährst. Josh hat nie einen Hehl daraus gemacht. Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Ein paar Wochen, bevor er sich mit diesen zwielichtigen Typen eingelassen hat, wollte die Gerüchteküche von einigen hohen Verlusten von Josh erfahren haben. Sehr hohe Verluste. Es könnte natürlich ein Zufall gewesen sein, dass kurze Zeit später Milo Scott, Ben Williams und er die besten Kumpel waren.« Jebs Miene erzählte eine andere Geschichte. »Ich kenne dieses Ungeziefer besser, als mir lieb ist. Diese beiden Kerle stecken so ziemlich hinter jedem Dopedeal in Nordkalifornien, und als Josh in ihrer Gesellschaft gesehen wurde ... Na ja, ich muss zugeben, dass es mir zu denken gegeben hat.«

Shelly runzelte die Stirn. »Du meinst, sie haben ihm Geld geliehen? Machen sie denn so was? Sind es Kredithaie?«

Jeb sah sich um, als fiele ihm erst jetzt ein, dass sie in aller Öffentlichkeit eine sehr private und ernste Unterhaltung führten. »Hör zu, ich hätte hier nicht davon anfangen sollen. Wahrscheinlich hätte ich besser gar nichts gesagt. Belassen wir es dabei, dass mir bestimmte Dinge, die vor Joshs Selbstmord passiert sind, im Magen liegen.« Als er Shellys mürrische Miene sah, fuhr er fort: »Ich weiß. Man sollte nichts beginnen, was man nicht zu Ende bringen will. Das will ich auch, nur nicht ausgerechnet hier. Und nicht jetzt.« Er sah sich um und kniff seine Augen zusammen, als er sah, wie ein dunkelblauer Pick-up auf den kleinen Schotterparkplatz neben dem Blue Goose fuhr. »Wenn man vom Teufel spricht.« Er deutete mit einem Nicken auf den Wagen. »Der Kerl, der da vor dem Blue Goose aus seinem Pick-up steigt, ist Milo Scott.« Er sah Shelly an. »Lade mich morgen Abend zum Essen zu dir ein. Ich würde ja noch heute kommen, aber wir leiden gerade ein bisschen unter einem Personalengpass. Ich ver , trete einen anderen Sergeant. Deshalb trage ich auch Uniform und nicht Zivil. Ich wohne zwar noch hier, bin aber tagsüber hauptsächlich in der Außenstelle in Willits. Ich will dich nicht hinhalten, Shelly. Ich verspreche dir, dass ich dir alles sage, was ich weiß.« Er presste die Lippen zusammen. »Was verdammt wenig ist. Abgemacht?«

Shelly musterte den drahtigen, blonden Mann, der gerade die Tür des Pick-ups zuschlug und in das Restaurant schlenderte. Er sah ziemlich nichts sagend aus, und sie erkannte ihn nicht. Dann konzentrierte sie sich wieder auf Jeb. »Abgemacht. Komm morgen Abend gegen halb sieben vorbei. Und versuch erst gar nicht, dich da herauszuwinden.«

»Das mache ich nicht, ehrlich. Aber denk du jetzt nicht zu viel über das nach, was ich dir gesagt habe. Es gibt da kein großes Geheimnis. Ich komme mit Joshs Tod genauso schwer zurecht wie du und klammere mich nur an gewagte Vermutungen, um mir das Nächstliegende nicht eingestehen zu müssen: Josh hat sich umgebracht.« Angewidert fuhr er fort: »Ich und meine große Klappe. Ich sehe dich zum ersten Mal seit Jahren und schütte dir gleich diesen Kübel Dreck über den Kopf.«

Shelly zwang sich zu einem Lächeln. »Taktgefühl war noch nie deine Stärke.«

Jeb nahm diese Vorlage dankbar auf und wackelte anzüglich mit seinen Augenbrauen. »Honey, bei meinem Charme brauche ich keinen Takt.«

Shelly lachte, umarmte ihn und legte ihr Gesicht an seinen warmen Hals. »Ach Jeb, ich habe dich vermisst ... und das Tal ... und alles. Ich kann kaum glauben, dass ich so lange weggeblieben bin. Erst als ich zurückgekommen bin, habe ich begriffen, dass dies hier mein wahres Heim ist, wo ich hingehöre.«

Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Das weiß ich, Kleines. Du hast eben Zeit gebraucht, bis du es kapiert hast.«

»Woher hast du denn auf einmal so viel Grips?«, murmelte sie an seinem Hals.

Er umarmte sie noch fester. »Das sind vermutlich diese Ballinger-Granger-Gene.«

Die beiden merkten erst, dass Sloan Heather-Mary-Marie’s verließ und an ihnen vorbeiging, als er eisig sagte: »Tag, Delaney. Was machst du denn da? Leibesvisitation auf offener Straße?«

Jeb grinste und hielt Shelly fest, die unwillkürlich von ihm hatte wegrücken wollen. »Allerdings. Ich nehme meine Arbeit schließlich sehr ernst.«

Sloan stieß verächtlich die Luft durch die Nase und stieg in den großen Geländewagen, der direkt neben ihnen parkte. Grimmig startete er den Motor, fuhr geschickt rückwärts heraus und brauste mit Vollgas davon.

»Brrr«, meinte Jeb. »Liegt es an mir, oder hast du auch diesen Eishauch gefühlt?«

»Ich habe ihn auch gespürt.« Shelly verzog die Lippen. »Einige Dinge ändern sich wohl wirklich nie. Nur weil ich eine Granger bin, hassen die Ballingers mich.«

Jeb lachte glucksend. »Honey, das war kein Hass, der unseren Sloan so säuerlich und grimmig hat wirken lassen. Ich weiß genau, wie ein eifersüchtiger Mann aussieht, wenn mir einer unter die Augen kommt. Schließlich bin ich Detective. Und das eben war ein verdammt eifersüchtiger Mann. Es ist ein Wunder, dass ich noch auf den Beinen stehe und nicht mit einer gebrochenen Nase auf dem Boden liege. Einen Augenblick dachte ich, er langt mir eine, wirft dich über seine Schulter und galoppiert davon. Wow! Sloan war echt genervt, daran besteht kein Zweifel.«

»Du irrst dich, Jeb. Sloan war einfach nur Sloan.«

»Wenn du das sagst, Kleines.«

Shelly wollte das Thema Sloan Ballinger nicht weiter vertiefen und trat einen Schritt zurück. »Ich muss jetzt gehen. Bis morgen Abend.« Sie schaute ihn an. »Möchtest du etwas Besonderes zum Abendessen, oder soll ich kochen, was mir gerade in den Sinn kommt?«

Jeb grinste. »Was dir in den Sinn kommt, passt mir ausgezeichnet. Schließlich bin ich Junggeselle, was soll ich noch sagen?«

Shelly dachte nach. »Schon wieder? Josh hat angedeutet, dass du wieder geheiratet hättest, kurz nachdem ich weggegangen bin.«

»Ja, na ja, du kennst mich ja. Ich bin zwar großartig, was die Jagd angeht, aber anscheinend kann ich sie nicht festhalten, wenn ich sie erst einmal habe. Als meine Frau mich vor zwölf Jahren verlassen hat, habe ich beschlossen, dass ich wohl nicht für die Ehe geeignet bin. Nun habe ich es zweimal versucht und bin zweimal gescheitert. Einen dritten Versuch werde ich mir verkneifen.«

Shelly fand, dass beide Frauen verrückt gewesen sein mussten, ihn zu verlassen. Seine erste Frau Ingrid hatte sie nur flüchtig gekannt und sich auch nicht für sie interessiert. Nur wenige aus dem Tal hatten die Tochter eines deutschen Barons gemocht, die Jeb so impulsiv geheiratet hatte. Und es überraschte niemanden, dass die Ehe nach nur sechs Monaten gescheitert war. Die weibliche Hälfte der Bevölkerung atmete sogar erleichtert auf, ganz gleich, ob verheiratet oder nicht. Sollte seine zweite Frau dieser Ingrid auch nur im Entferntesten ähnlich gewesen sein, war auch die zweite Scheidung vollkommen verständlich. Aber sie behielt diese Meinung für sich. »Josh hat nichts davon gesagt. Hast du Kinder aus der zweiten Ehe?«

»Diesen Fehler habe ich nicht gemacht«, erwiderte Jeb. Seine Stimme hatte einen scharfen Unterton. »Vermutlich wusste ich schon von Anfang an, dass es nicht funktionieren würde.«

Shelly küsste ihn auf die Wange. »Vielleicht hast du es ja sogar so geplant. Falls deine zweite Frau Ingrid ähnlich war, wundert es mich nicht, dass die Ehe nicht gehalten hat.«

»Fang du jetzt nicht auch noch damit an. Du klingst beinahe wie meine Mutter.«

Shelly lächelte. »Wie geht es ihr übrigens? Nein, warte. Erzähl es mir beim Essen. Wenn wir jetzt anfangen, über unsere Familien zu plaudern, stehen wir den ganzen Nachmittag hier. Wir sehen uns morgen Abend.«

Sie winkte Jeb zu, als sie vom Parkplatz vor Heather-Mary-Marie’s fuhr, und entschied sich, nach Hause zu fahren, da sie Sloan nicht noch einmal über den Weg laufen wollte. Während sie den Bronco über die vertraute Straße steuerte, spielte sie in Gedanken noch einmal ihre Begegnung mit Sloan durch.

Shelly hatte nicht mit ihm streiten wollen. Es war einfach passiert. Es hatte sie überfordert, ihn nach all den Jahren wiederzusehen, in das einst so geliebte Gesicht zu blicken, an den Betrug und den Schmerz ihrer Trennung erinnert zu werden. Und dann auch noch so hilflos auf ihn zu reagieren, dachte sie grimmig. Sie musste Abstand zwischen sich und Sloan bringen und brauchte Zeit, um den Schock zu überwinden, den ihr das Wiedersehen bereitet hatte. Es war klar, dass sie sich irgendwann über den Weg laufen mussten, aber Shelly hatte nicht erwartet, dass ihr das am ersten Tag passieren würde, an dem sie sich aus dem Haus traute. Ebenso wenig hatte sie mit der Wirkung gerechnet, die sein Anblick auf sie haben würde. Ihr Herz hatte wie wild gepocht, ihr Puls gehämmert, und sie hatte am ganzen Körper vor Erregung gezittert, als sie ihn nur angesehen hatte. Es hatte sie wie ein Schlag in den Magen getroffen. Sie fühlte sich wieder wie achtzehn, als sie sein schroffes, kantiges Gesicht gesehen hatte, seine breiten Schultern und die schwarze Jeans, die hauteng an seinen muskulösen Schenkeln klebten. Ihre Hormone hatten bei seinem Anblick einen wahren Freudentanz aufgeführt. Eigentlich sollte man annehmen können, dachte sie missmutig, dass ich in meinem Alter meine Emotionen besser unter Kontrolle habe. Und meine Hormone.

Shelly seufzte. Andererseits hatte es auch sein Gutes, dass sie diese erste Begegnung hinter sich hatte. Wenigstens brauchte sie sich jetzt nicht mehr davor zu fürchten. Es war wundervoll gewesen, Cleo wiederzusehen und den amüsanten Hank O’Hara kennen zu lernen. Dann fiel ihr ein, was Jeb über ihren Bruder erzählt hatte, und sie runzelte die Stirn. Es würde ihr schwer fallen, sich bis morgen Abend zu gedulden. Trotzdem hatte Jeb Recht gehabt. Darüber redeten sie besser unter vier Augen. Je länger Shelly über das kurze Gespräch nachdachte, desto unruhiger wurde sie. Josh sollte sich mit Drogendealern angefreundet haben? Das kam ihr merkwürdig vor. Aber Jeb sagte so etwas nicht leichthin. Sie kannte Joshs Spielleidenschaft ... aber seine hohen Verluste konnte sie nicht begreifen. Sie hielt den Atem an, als ihr plötzlich diese merkwürdigen Einträge in den Kontobüchern einfielen. Vielleicht war doch etwas Wahres an den Gerüchten, die im Tal kursierten. Möglicherweise hatte Josh tatsächlich beim Glücksspiel Pech gehabt und sich Hilfe suchend an Milo Scott und Ben Williams gewendet. Aber das sah ihm gar nicht ähnlich. Josh hätte zu ihr kommen können. Sie hätten Geld aus dem Kapital der Treuhandfonds entnehmen können, die ihre Eltern ihnen hinterlassen hatten. Nein. Josh wäre nicht zu ihr gekommen. Sie war seine kleine Schwester, und er hatte sich immer beinahe instinktiv bemüht, alles Unerfreuliche von ihr fern zu halten. Außerdem hätte er ihr gegenüber sicher nicht gerne einen Charakterfehler zugegeben. Er hätte nicht riskiert, dass er in ihrer Achtung sank. Shelly schüttelte missbilligend den Kopf. Männer!

Vor ihrem Haus parkte sie und stellte den Motor ab. Es brachte nichts, jetzt noch länger über Joshs Verhalten nachzugrübeln. Wenn sie morgen mit Jeb geredet hatte, wusste sie mehr und konnte besser beurteilen, wie Josh in den letzten Jahren gelebt hatte. Falls etwas passiert war, was zu seinem Selbstmord geführt hatte ... oder zu etwas anderem ...

Du verlierst dich schon wieder in Fantasien, schalt sie sich und lächelte bedauernd. Sie war genauso verrückt wie Jeb Delaney, wenn er glaubte, dass Sloan eifersüchtig gewesen wäre, als er sie zusammen gesehen hatte. Ha! Den Tag würde sie nur zu gern erleben!


Sloan war eifersüchtig. Er kochte förmlich vor Eifersucht. Und war stinksauer. Jeb hatte seine Gefühle auf den Punkt genau getroffen. Als Sloan Heather-Mary-Marie’s verlassen und Shelly in Jebs Armen gesehen hatte, hatte ihn ein primitiver Drang beinahe überwältigt. Sloan hatte seine ganze Beherrschung aufbieten müssen, um Shelly nicht aus Jebs Armen zu reißen und Delaney auf der Stelle zu würgen. Jeb und er waren alte Freunde, aber in diesem Moment hegte Sloan für seinen Freund eher mörderische Gefühle.

Selbst als er zehn Minuten später seinen Einkaufswagen durch einen Gang in McGuires Lebensmittelgeschäft schob, fühlte Sloan noch die Wut im Bauch. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte er den Griff des Wagens. Dabei stellte er sich vor, er hielte Jebs Hals zwischen den Fingern. Dieser Mistkerl! Kaum war Shelly eine halbe Stunde in der Stadt, machte er sich an sie heran. Für wen hielt Delaney sich? Für Casanova made in California?

Doch allmählich wurde Sloan das Lächerliche an der Situation klar und er musste lächeln. Wen wollte er zum Narren halten? Er war nichts weiter als ein großer, geiler, eifersüchtiger Bock. Jeb und Shelly waren schon früher Freunde gewesen, warum sollten sie sich also nicht umarmen? Sloan verzog verächtlich das Gesicht. Er selbst hatte weiß Gott mit aller Macht gegen den Drang ankämpfen müssen, sie in die Arme zu reißen und zu küssen, als sie in der dunklen Ecke des Geschäftes vor ihm gestanden hatte. Allerdings wäre das alles andere als ein freundschaftlicher Kuss gewesen. Wäre er von seiner Eifersucht nicht so geblendet gewesen, hätte er sofort bemerkt, dass die beiden sich nur freundschaftlich umarmten. Shelly zeigte ihre Zuneigung immer herzlich und großzügig, und warum sollte sie sich nicht freuen, Jeb zu sehen? Das Problem, und das gestand sich Sloan schließlich auch ein, war Shellys Anblick gewesen, als sie mit dem T-Shirt vor dem Spiegel in Heather-Mary-Marie’s posiert hatte. Ihre schlanke Gestalt hatte ihn erregt und Emotionen geweckt, die er längst erstorben glaubte. Außerdem war er ja auch nicht gerade zufällig in dem Geschäft über Shelly gestolpert. O nein.

Sloan hatte sofort gewusst, wem der Bronco gehörte, der auf dem Parkplatz vor Heather-Mary-Marie’s stand. Und? War Sloan brav weitergefahren und hatte Lebensmittel gekauft, was er vorgehabt hatte? Natürlich nicht. Er hatte eingeparkt und Ärger gesucht. Sloan knurrte wütend. Konntest du nicht einfach freundlich Hallo sagen und es dabei belassen? Nicht ums Verrecken! Nein, du musstest ja über ihren Bruder herziehen. Auch wenn Sloan den Mann verachtet hatte, hätte es ihn wohl nicht umgebracht, sich ein paar mitfühlende Worte über Joshs Tod abzuringen. Ganz bestimmt nicht. Himmel, manchmal konnte er so ein Blödmann sein. Man sollte annehmen, er hätte allmählich etwas kapiert.

Sloan schimpfte leise mit sich, während er den Einkaufswagen zur Fleischtheke schob. Pandora hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass sie keinen Tag länger Trockenfutter tolerieren würde. Sie war schließlich ein Raubtier, und sie wollte Fleisch. Rohes Fleisch. Viel rohes Fleisch.

Sloan kaufte ein Pfund Kalbsleber und das kleinste Rinderherz, das er finden konnte. In seiner Gefriertruhe lag zwar noch das Fleisch des Stieres, den er letzten Herbst geschlachtet hatte, doch obwohl er die Innereien sorgfältig rationiert hatte, waren sie schon vor Monaten von Pandoras Speisezettel verschwunden. Die heutigen Einkäufe würden sie eine Weile besänftigen, so dass er wenigstens essen konnte, ohne ihre vorwurfsvollen Blicke ertragen zu müssen. Sloan hatte noch einige andere Dinge kaufen wollen, aber seine Lust zum Einkaufen war in dem Moment verpufft, als er Shellys Bronco. gesehen hatte. Er nahm sich gerade noch die Zeit, Milch, Hüttenkäse und ein bisschen Salat und Zwiebeln in den Wagen zu legen, bevor er zur Kasse eilte.

»Hi, Sloan, ich wusste gar nicht, dass du wieder hier bist. Die große Stadt hat dich wohl enttäuscht, und du bist ins gelobte Land zurückgekehrt, hab ich Recht?«

Sloan lächelte Debbie Smith an, die an ihrem gewohnten Posten an der Kasse von McGuire’s saß. Sie war über sechzig, hatte stahlgraues Haar, wasserblaue Augen, fleischige rosafarbene Wangen, war klein und rundlich und sah aus, wie sich die Disneystudios eine Großmutter vorstellten. Sie war bei McGuire’s beschäftigt, seit Sloan denken konnte, und arbeitete schon hinter der Fleischtheke, als die noch ein winziger Schlachterladen gewesen war, den man in eine Ecke von Joe’s Market gepfercht hatte. Joe’s Market war der älteste Lebensmittelladen im Tal. Doch mit McGuire’s wuchs und florierte auch Debbie. Ihren Ehemann Tom hatte sie vor vierzig Jahren im Geschäft kennen gelernt. Er hatte damals die Regale, bestückt. Zu der Zeit war der Laden in ein eigenes winziges Gebäude umgezogen und bot neben Frischfleisch auch frisches Gemüse, Milch und Campingzubehör an. Diese Zeit war lange vorbei. Mittlerweile war McGuire’s ein großer Lebensmittelsupermarkt, und Tom war für die ganze Frischfleischabteilung verantwortlich. Debbie verwaltete die Gefrierschränke und besetzte eine der drei Kassen, wenn es nötig war. Oder wenn sie Lust auf ein bisschen Tratsch hatte. Sie hätte schon längst in Rente gehen können, aber davon wollte sie nichts hören. »Ich mag Menschen. Es gefällt mir, zu erfahren, was sich in der Stadt tut. Wenn ich in Rente ginge, würde ich sowieso jeden Tag hier vorbeikommen. Und so komme ich vorbei und werde noch dafür bezahlt!«

Jetzt schaute sie auf die Leber und das Herz in Sloans Wagen und schüttelte den Kopf. »Du verziehst diesen Hund, weißt du das?«

Sloan lächelte. Es war der Segen und der Fluch dieses Tales, dass wirklich alle alles von allen wussten. »Ich weiß«, erwiderte er gelassen. »Manchmal frage ich mich, wer wem gehört.«

»Wenn du Frau und Kinder hättest, dann würde sich diese Frage ziemlich schnell klären«, sagte Debbie, während sie den Einkauf eintippte. »Deine Familie würde sich sicher über Enkelkinder freuen. Bei fünf Geschwistern sollte man eigentlich meinen, dass eines davon die Zeit gefunden hätte, wenigstens einen Stammhalter in die Welt zu setzen.«

»Ich fürchte, da musst du die anderen fragen. Ich habe es ja bereits einmal mit der Ehe versucht, schon vergessen?«, knurrte Sloan. Jeden anderen hätte er mit Schweigen und einem eisigen Blick gestraft, aber Debbie behandelte jeden unter fünfzig wie ein eigenes Kind oder Enkelkind. Es wäre Sloan zwar lieber gewesen, sie hätte sich um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert, aber er wusste, dass sie aus echter Anteilnahme handelte.

Bestürzt wurde Debbie klar, dass sie da ein schmerzliches Thema berührt hatte. »Ach Sloan, es tut mir Leid. Ich und meine große Klappe! Ich vergesse es immer wieder.« Sie konnte das Thema trotzdem nicht so einfach ruhen lassen. Während sie ihm die Lebensmittel in eine Tüte packte, murmelte sie: »Immerhin ist das jetzt schon vier Jahre her. Wird Zeit, dass du weitermachst. Ein großer, gut aussehender Bursche wie du sollte keine Schwierigkeiten haben, ein nettes Mädchen zu finden.«

»Debbie, ich habe mich nicht mehr für nette Mädchen interessiert, seit ich sechzehn geworden bin. Wie kommst du darauf, dass ich ausgerechnet jetzt meinen Geschmack geändert habe?«

»Da hast du allerdings Recht! Wenn nette Mädchen nicht in Frage kommen, warum suchst du dir dann kein böses Mädchen? Es stolzieren mindestens ein halbes Dutzend Flittchen in der Stadt herum, die verzückt die Chance ergreifen würden, auf dir herumzuklettern. Wenigstens hättest du dann noch eine andere weibliche Gesellschaft außer dieser kleinen Ratte von Hund.«

»Auf mir herumklettern?«, fragte Sloan mit gespielter Verblüffung. »Misses Smith, Sie schockieren mich. Weiß Mr Smith, dass Sie unschuldigen jungen Männern wie mir solche Ratschläge erteilen?«

»Unschuldig?« Debbie lachte bellend. »Mach bloß, dass du hier herauskommst. Und gib Pandora ein Küsschen von mir.«

Sloan lächelte, nahm seine Einkaufstüte und ging zu seinem Wagen. Sein Blockhaus in Hobb’s Flat lag zehn Meilen vor der Stadt, sechs davon waren Schotterwege, an denen Schlangen lauerten. Aber er war die Strecke schon so oft gefahren, dass er sich nicht sehr darauf konzentrieren musste. Er dachte über den Nachmittag nach ... und über das Zusammentreffen mit Shelly.

Sloan hatte sich oft ausgemalt, wie es sein würde, sie wiederzusehen. Nachdem er sie an diesem Abend am Inspiration Point in diesem kurzen Moment in ihrem Wagen gesehen hatte, war er der Meinung gewesen, auf ein Zusammentreffen von Angesicht zu Angesicht vorbereitet zu sein. Er lächelte grimmig. Das war ein großer Irrtum gewesen. Die widerstreitenden Gefühle, die sie in ihm ausgelöst hatte, hatten ihn verwirrt. Sloan war sicher gewesen, bei einem Wiedersehen kühl und kontrolliert agieren zu können. Er hatte geglaubt, nur noch Verachtung für sie zu empfinden, vielleicht sogar ein Gefühl wie Hass. Er hätte nie damit gerechnet, dass er sich freute, sie zu sehen. Sloan schüttelte den Kopf, als er von der Hauptstraße auf den schmalen Weg abbog, der zu seiner Blockhütte führte. Vermutlich erstaunte ihn am meisten, dass er eine Sekunde lang berauscht, ja beinahe ekstatisch glücklich gewesen war, Shelly Granger wiederzusehen.

Seine Lust dagegen hatte ihn nicht überrascht. Es hätte ihn eher verwundert, wenn er nicht körperlich auf sie reagiert hätte. Es mochte alles andere zwischen ihnen schief gegangen sein, aber sie hatten immer guten Sex gehabt. Sloan lächelte wölfisch. Gib’s doch zu, dachte er. Es war der beste Sex, den du je gehabt hast.

Er hatte sein Blockhaus erreicht, stieg aus und ging hinein. Dabei achtete er darauf, Pandora nicht zu treten, die um seine Füße tanzte, und auf dem Weg in die Küche nicht zu stolpern, während Pandora ihm ständig zwischen den Beinen hin und her lief. Die Gedanken an Shelly schob er zunächst beiseite.

Die Luft war kühl und kündigte einen Sturm an. Nachdem Sloan die Lebensmittel verstaut und der fordernden Pandora eine halbe Scheibe Leber in den Napf gelegt hatte, entfachte er ein Feuer im Kamin des Wohnzimmers. Es begann zu regnen. Sloan stand am Fenster, starrte trübselig hinaus und dachte unwillkürlich wieder an Shelly.

Ein hartnäckiges Stupsen gegen sein Bein und ein leises Winseln riss ihn aus seinen Gedanken. Pandora hatte immer ein feines Gespür für seine Stimmungen und schaute ihn mit ihren kleinen schwarzen Augen an. Sloan lächelte und hob sie in die Arme. Sie roch nach Leber. ,

»Was ist los, Stinker?«, fragte er und strich ihr über die Ohren. »Bekommst du nicht genug Zuwendung?«

Pandora leckte mit ihrer warmen, nassen Zunge seine Nase. Sloan wich zurück, als ihm der kräftige Geruch von roher Leber entgegenschlug. »Wow! Hast du noch nie was von Pfefferminz gehört?«, tadelte er sie, als er sie wieder hinuntersetzte. Pandora betrachtete ihn einen Moment, als überlege sie, ob sie genug ihrer kostbaren Aufmerksamkeit an ihn verschwendet hätte, trottete zur Couch und sprang auf ihre Decke. Dort trat sie sich ein Nest zurecht, rollte sich zusammen und seufzte zufrieden. Sloan musste unwillkürlich lächeln. Als er sich neben Pandora setzte und seine Füße auf den niedrigen Couchtisch aus Redwood legte, kam ihm der Gedanke, dass Debbie möglicherweise gar nicht so Unrecht hatte. Es war schon ziemlich bedenklich, wenn die einzige weibliche Gesellschaft in seinem Leben ein winziger Hund war, der ihm nach Leber stinkende Küsse gab.

Verstohlene Leidenschaft

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