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Achtsamkeit – was ist das überhaupt?

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Fast alles funktioniert wieder, wenn man es für ein paar Minuten vom Netz nimmt – auch du.

Anne Lamott, Schriftstellerin

Wir alle kennen das: Wir steigen ins Auto, fahren eine uns gut bekannte Strecke – und merken plötzlich, dass wir uns nicht mehr erinnern können, eine bestimmte Kurve genommen oder ein auffälliges Objekt passiert zu haben. Wir laufen auf Automatik und nehmen unsere Umgebung gar nicht richtig wahr. Da stellt sich die Frage: Wo um Himmels willen waren wir? In Gedanken. Entweder in der Zukunft (Was-wäre-wenn-Szenarios entwerfen, unsere To-do-Liste durchgehen) oder in der Vergangenheit (mit einer kürzlich geführten Unterhaltung oder einem lange zurückliegenden Erlebnis beschäftigt), aber ganz offensichtlich nicht im Hier und Jetzt. Matthew Killingsworth hat festgestellt, dass unser viel beschäftigter Geist fast die Hälfte unserer wachen Zeit auf Wanderschaft geht.3 Achtsamkeit ist das exakte Gegenteil von Leben auf Autopilot. Sie richtet unsere Aufmerksamkeit auf das, was im Moment passiert, und lehrt uns, dem mit wohlwollender Akzeptanz zu begegnen.

Ein anderer Weg, das Prinzip der Achtsamkeit zu begreifen, ist das Dreieck des Bewusstseins. Stell dir ein Dreieck vor: Die drei Spitzen repräsentieren unsere körperlichen Wahrnehmungen, unsere Gedanken und unsere Gefühle. Sie sind miteinander verbunden und interagieren, meistens ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Ein Beispiel:

Jane ist Marketing-Koordinatorin in einem großen Krankenhaus. Sie schätzt die interaktiven, dynamischen Seiten ihrer Tätigkeit. Sie liebt die Vielfältigkeit der Aufgaben, die Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung und die Mischung aus individuellen Projekten und Arbeiten im Team. Ein Manko ist ihre Vorgesetzte Susan, ein launischer Typ. Sie kann großzügig und liebenswürdig sein, aber im nächsten Moment zornig, impulsiv und verletzend. Diese Unberechenbarkeit macht Jane zu schaffen. Sie arbeitet lange genug mit Susan zusammen (um genau zu sein: drei Jahre, sieben Monate und 23 Tage), um zu wissen, dass diese aggressiven Ausbrüche nie lange dauern. Früher oder später wird Susan wieder auf normal schalten. Aber jedes Mal hinterlässt sie Angst, gekränkte Egos und Ärger, der sich immer weiter aufstaut. Eines Morgens, als Jane sich auf eine wichtige Gruppensitzung später am Tag vorbereitet, stürmt Susan in ihr Büro. Sie ist hochrot im Gesicht und stößt zwischen zusammengebissenen Zähnen Bösartigkeiten hervor: „Tara hat ein Dokument verschickt, das gravierende Fehler enthält! Das geht nicht! Es setzt uns alle in ein schlechtes Licht! Eine Katastrophe!“

Peng. Was passiert jetzt in Janes Dreieck des Bewusstseins? Sie denkt: Oh nein, was ist da los? Sie spürt: Herzrasen, angespannte Muskeln, ihr bleibt die Luft weg. Sie fühlt: totale Überraschung, Verwirrung. Sie denkt: Was, wenn ich diesen Job verliere? Wie bezahle ich dann meine Miete? Ihr Körper reagiert mit Druck auf der Brust, hochgezogenen Schultern und Hitze, die ihr zu Kopf steigt. Ein Gefühl von Angst und Panik ergreift sie.

Während Janes Dreieck des Bewusstseins an allen Ecken lodert und sie dem Chaos hilflos ausgeliefert ist, laufen unzählige Kampf-oder-Flucht-Reaktionen ab, die sich in unserem Körper automatisch in Gang setzen, wenn er sich einer Gefahr gegenübersieht. Gut so, wenn es sich um eine reale Bedrohung handelt. Wenn du zum Beispiel auf einer belebten Straße stehst und plötzlich siehst, wie ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf dich zurast: Adrenalin wird ausgeschüttet, das Herz pumpt Blut in die Muskeln, dein Körper ist bereit, schnell zur Seite zu springen. Auch dein Gehirn geht in den Überlebensmodus. Der präfrontale Cortex, zuständig für Aufmerksamkeit, Organisation und die Fähigkeit, eine Situation mit Abstand zu betrachten, drosselt seine Aktivität, während die Amygdala, die den emotionalen Gehalt einer Situation bewertet und besonders auf Bedrohung reagiert, auf Hochtouren läuft. Leider ist es in unserem heutigen überaktiven Leben so, dass wir ständig und überall Gefahr wittern, auch wenn keine reale Bedrohung besteht.

In ihrem Büro ist Jane relativ sicher. Aber ihr Körper kann nicht zwischen einer realen und einer eingebildeten Gefahr unterscheiden und schaltet in den Kampf-oder-Flucht-Mechanismus. Je nachdem, wie bewusst Jane die Situation erlebt, sind zwei Reaktionen denkbar: Wenn sie an diesem Morgen von Achtsamkeit weit entfernt ist, wird sie emotional unter Druck geraten und ebenfalls Ärger aufbauen. Die beiden Kolleginnen werden sich in einer nutzlosen Auseinandersetzung aufreiben und dabei viel Zeit und Energie verschwenden, die sie besser verwenden würden, um eine Lösung für das Problem zu finden.

Wenn sich Jane jedoch ihre hochgezogenen Schultern und den Druck auf der Brust bewusst macht, wird sie das Bedürfnis spüren, ein paar Mal tief Luft zu holen – einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen –, und dadurch ihrem Gehirn signalisieren, dass es falscher Alarm war. Der Kampf-oder-Flucht-Mechanismus fährt herunter, der präfrontale Cortex kann wieder normal arbeiten. Jane fühlt keinen emotionalen Druck mehr, richtet ihre Aufmerksamkeit auf ihr Dreieck des Bewusstseins und ist in der Lage, ihre Reaktion auszuwählen, anstatt in blinder Panik zu handeln. Sie hat die körperlichen Symptome der Kampf-oder-Flucht-Reaktion als solche erkannt, hat sich wieder im Griff und kann gelassen zusehen, wie Susan ihren nur allzu vertrauten Zyklus durchläuft. Auch wenn Susan total durchdreht, wird sich Jane nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen und sagen, dass sie die Sache in Ordnung bringen wird. Auf dem Weg zu Taras Büro wird sie weiter tief ein- und ausatmen. Wenn sie die Tür erreicht, wird sie fähig sein, sachlich über das Missgeschick zu reden, Lösungsvorschläge zu machen und den Schaden zu begrenzen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Sache ohne die Hilfe von Achtsamkeit ausgegangen wäre. Egal, auf welche Spitze des Dreiecks des Bewusstseins wir unsere Aufmerksamkeit richten, wir können dadurch auf jeden Fall unsere Reaktion auf negative Impulse besser kontrollieren, egal, ob es sich um den Stau in der Rushhour, um eine immer länger werdende To-do-Liste oder um nervende Kollegen handelt.

Die Achtsamkeitslehre geht zwar auf den Buddhismus zurück, ist jedoch eine ganz und gar weltliche Methode, Gehirn und Gemüt zu trainieren. Was nicht heißt, dass nicht auch Gläubige davon profitieren. Trotz des Hypes in den Massenmedien ist Achtsamkeit keine Modeerscheinung. Achtsamkeit ist eine praxiserprobte Methode, deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. Große Unternehmen wie Google, Aetna, General Mills, Intel, Goldman Sachs oder Dow Chemical bieten ihren Angestellten Achtsamkeitstraining an. Arbeitswissenschaftler*innen bestätigen, dass regelmäßig praktizierte Achtsamkeit zu weniger Krankheitstagen und vermindertem Stress führt, das allgemeine Wohlbefinden fördert und die Menschen kreativer, innovativer und kooperativer macht. Das Ergebnis sind eine positive Arbeitsatmosphäre und zufriedenere, motivierte Mitarbeiter*innen. Eine in Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen durchgeführte Studie zum Thema achtsame Kommunikation in Familien ergab, dass Stress und Burn-out abnehmen, während sich das Klima verbessert und die Belastbarkeit zunimmt.4 Die Forschung zeigt, dass Achtsamkeit nicht nur Stress reduziert, sondern auch geistige Kräfte freisetzt, die wir normalerweise nicht oder nur in Ausnahmefällen mobilisieren können. Viele sprechen deshalb von Achtsamkeit als Superpower. Hunderte von Studien beweisen die positiven Effekte von Achtsamkeit im Team, bei Führungskräften und in Organisationen. Sie fördert die Gesundheit und das Wohlergehen aller.

Achtsamkeit für Superfrauen. 5-Minuten-Pausen vom Alltag.

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