Читать книгу Achtsamkeit für Superfrauen. 5-Minuten-Pausen vom Alltag. - Shonda Moralis - Страница 12
Meditation – ganz anders, als du denkst
ОглавлениеIch denke 99 Mal nach und finde nichts. Ich höre auf zu denken, schwimme in der Stille, und die Erkenntnis kommt zu mir.
Albert Einstein, Wissenschaftler
Ich bin kein Sportfan. Aber mein sechsjähriger Sohn hat neuerdings seine Liebe zu Basketball und allem, was dazugehört, entdeckt. Das schließt auch unser lokales Team, die Philadelphia 76ers, mit ein. Als ich kürzlich dazukam, wie er und mein Mann ein Spiel ansahen, kam die Rede auf Starspieler Ben Simmons. Meine Jungs schwärmten von Simmons’ Geschicklichkeit, Präsenz und Fähigkeiten als Teamplayer. Ich schaute zu, wie er hoch konzentriert und elegant über das Feld stürmte. „Ich wette, er meditiert“, sagte ich spontan. Mein Mann lächelte über diese – wie er meinte – unsinnige Bemerkung. Aber mir war es ernst. Simmons strahlt diese ruhige, konzentrierte Aufmerksamkeit aus, die ein Ergebnis langjähriger Meditationspraxis ist. Und wie jede vernünftige Person, die beweisen will, dass sie recht hat, sprintete ich zu meinem Laptop und googelte: Meditiert Ben Simmons? Mein Achtsamkeits-Radar ist offenbar gut eingestellt: Meditation gehört zu Ben Simmons’ Trainingsprogramm – er meditiert „seit seinem elften Lebensjahr“. Sag ich doch! Ich sonnte mich einen Augenblick in meinem Triumph und freute mich über meine Intuition, muss aber einräumen, dass es nicht wirklich eine Überraschung war. Seit Jahren studiere und lehre ich Achtsamkeit. Ich weiß, dass Spieler von den Chicago Bulls, den Seattle Seahawks, den San Francisco 49ers, den Atlanta Falcons und auch viele Athleten anderer Disziplinen meditieren. Doch zu meiner – schwachen – Verteidigung kann ich sagen, dass ich daran in dem Moment nicht dachte. Ich sah nur einen jungen Mann, der mit unbeirrbarer, konzentrierter Leichtigkeit Regie in einem Basketballspiel führte. Noch mal: Sag ich doch!
Jeder Mensch hat ein individuelles Level an Gelassenheit und Emotionalität. Vielleicht war Ben schon als Kind „supergechillt“. Manche von uns bleiben selbst im größten Chaos ungerührt, während andere bei jeder kleinsten Störung aus dem Häuschen geraten. Wie auch immer, die gute Nachricht ist: Wir können uns Achtsamkeit und Gelassenheit aneignen, unabhängig von unserer natürlichen Veranlagung, unserem Alter und unserer Lebenssituation. Und zum Glück müssen wir weder Profisportler sein noch mit zehn Jahren begonnen haben, um von den weitreichenden Auswirkungen zu profitieren. Wer Achtsamkeitsmeditation regelmäßig praktiziert, kann die erworbene Eigenschaft in allen Bereichen seines Lebens anwenden, in jeder Situation und bei der Verwirklichung jedes Ziels oder Traums. Wenn wir ruhig, fokussiert und gut gelaunt sind, können wir unsere Leistungsfähigkeit besser ausschöpfen.
Achtsamkeit bedeutet, sich bei jeder beliebigen Tätigkeit bewusst auf den Moment zu konzentrieren und ihn zu akzeptieren, ohne ihn zu bewerten. Meditation bedeutet, sich eine Zeit zuzugestehen, in der wir nichts als unsere Achtsamkeit praktizieren. Wir suchen uns etwas, auf das wir uns konzentrieren (zum Beispiel das natürliche Heben und Senken unserer Bauchdecke beim Atmen). Wir achten darauf, dass unsere Gedanken nicht wandern (was jedem immer wieder passiert), und wenn sie es tun, bringen wir sie jedes Mal sanft zu dem gewählten Fokus (die Atmung) zurück.
Wir müssen keine unbequeme Haltung einnehmen, nicht Om singen und keine Räucherstäbchen anzünden, um zu meditieren. Es reicht, auf einem Stuhl oder einem Kissen am Boden Platz zu nehmen. Aber wir müssen regelmäßig praktizieren. Wenn du Klavierspielen oder Basketballspielen lernen willst, reicht es auch nicht aus, darüber zu lesen oder es einmal zu versuchen, um spielen zu können wie Beethoven oder Ben Simmons. Dasselbe gilt für die Meditation. Wir müssen regelmäßig meditieren, um unsere Fähigkeit zur achtsamen Aufmerksamkeit aufzubauen. Wer täglich meditiert, legt damit den Grundstein für ein ruhigeres, entspannteres und achtsameres Leben.
Gewohnheiten schränken die Freiheit nicht ein. Sie schaffen Freiheit.
James Clear, Verhaltens-Coach
Meditation bedeutet nicht (ich wiederhole: nicht), den Geist zu leeren. (Entschuldige, wenn ich das so demonstrativ schreibe. Aber es ist mir wichtig, dass diese Information ankommt, denn es handelt sich hier um eines der größten Missverständnisse, die mir je begegnet sind.) Unser Geist ist dazu geschaffen, zu denken. Die Meditation hat die Aufgabe, uns mit unseren unaufhörlichen Gedanken anzufreunden und ihnen zu erlauben, sich niederzulassen. Eine Schneekugel ist ein hervorragender Vergleich: Wenn wir gestresst und überfordert sind, ähnelt unser Geist einer Schneekugel, nachdem sie ordentlich geschüttelt wurde. Es ist unmöglich, durch die tanzenden Flocken hindurch etwas zu erkennen. Wenn wir ein paar Mal tief durchatmen, können sich unser Geist und unser Körper etwas beruhigen. Die Flocken in der Schneekugel sinken zu Boden. Die Stressfaktoren sind damit nicht verschwunden, aber die Sicht ist besser geworden. Jetzt können wir kreativer denken, Probleme leichter lösen und uns mit dem beschäftigen, was zählt. Wenn nur ein paar bewusste Atemzüge das bewirken können, kannst du dir vorstellen, welche positiven Auswirkungen fünf volle Minuten der Mediation haben können.
Die neurowissenschaftliche Forschung hat nachgewiesen, dass regelmäßiges Meditieren Form und Funktion des Gehirns beeinflusst. Der präfrontale Cortex (wo Probleme gelöst, Pläne geschmiedet und Emotionen kontrolliert werden) und der Hippocampus (wo Erinnerungsvermögen und Lernen angelegt sind) nehmen an Größe zu, während die Amygdala (die bei der Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiv wird und die emotionale Reaktivität steuert) allmählich schrumpft.5 Das ist noch nicht alles. Bestimmte Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen des Gehirns werden schwächer, während andere sich verstärken. Zusammengenommen werden emotionale Reaktionen gedrosselt zugunsten von größerer Aufmerksamkeit und besserer Konzentration.
Wenn wir uns von dem unaufhörlichen Geschwätz um uns herum nicht zukleistern lassen wollen, müssen wir uns bewusst Momente der Stille zugestehen. Für manche ist der Gedanke an Stille beklemmend, während andere sie als eine wohltuende Pause für unsere überlasteten Sinne empfinden. Für viele ist es schon einige Zeit her, dass sie eine längere Phase der Stille erlebt haben. Eine große Rolle spielt dabei, ob wir eher introvertiert oder extrovertiert sind, an welcher Station unseres Lebens wir stehen und in welchem Maße unsere Sinne Tag für Tag stimuliert werden. Wenn wir in unserem Leben keine Zeit für Stille haben, sie uns nicht zugestehen, nehmen wir uns selbst und anderen die Chance, das Beste in uns zu entdecken und zu genießen, was wir als Freundin, Partnerin, Mutter, Kollegin und Frau zu bieten haben. Im Rahmen meines Meditationsunterrichts konnte ich beobachten: Wer einmal Stille erlebt hat, entwickelt ein wachsendes Verlangen danach. Ruhig dazusitzen und die Gedanken zu sortieren, ohne sich von den Gefühlen, die sie auslösen, überwältigen zu lassen, vermittelt uns Klarheit und Einsicht, die unserem Leben einen positiven Antrieb geben.