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Kapitel 7 – Lia - Begegnung
ОглавлениеDie freie Zeit wollte Lia nutzen, um Einkäufe zu tätigen und vor allem, um das Zimmer, das sie mit Joe teilte zu putzen. In so einem Wust würde sie es nicht lange aushalten. Tess hatte ihr gezeigt, wo sie Putzutensilien finden könnte, nämlich bei der Gouvernante, eine kleine gedrungene Frau um die fünfzig, die ein sehr liebes Gesicht hatte. Ein bisschen sah sie der Wahrsagerin vom Markt ähnlich.
„Hallo, Kleine“, begrüßte die Frau sie mit einem starken Akzent. Also doch, dachte Lia, es war der gleiche, den die Verkäuferin gehabt hatte.
„Du frische Laken wollen?“
„Ja, bitte, Frau -“
„Sagen Pesha, ja?“
Lia nickte freundlich. „Ich möchte auch das Zimmer mal putzen.“
Pesha nickte und holte mit geübten Hangriffen einen Stapel Leinenbettzeug und Putzutensilien hervor.
„Du Neue aus Deutschland!“ Lia bejahte. Neuigkeiten sprachen sich hier wohl schnell herum.
„Du mit kleine Pest zusammen?“, raunte die Frau und beugte sich zu Lia vor.
Lia lächelte verlegen. Durfte sie sich der Gouvernante anvertrauen? Doch instinktiv sah sie davon ab, denn sie war sich sicher, dass Putzfrauen unter sich viel tratschten.
„Mit Joe, ja“, sagte Lia stattdessen und räusperte sich.
„Du nicht erste und nicht letzte sein. Ekelt alle raus. Doch du müssen bleiben, ja? Nicht gefallen lassen.“
„Och“, wich Lia aus, „ich gehe meinen Weg, sie geht den ihren. Das ist schon in Ordnung...“
„Ja, das gut. Denn kleine Pest ist gefährlich für junges Ding. Macht schlechte Sachen. Nicht gut -“ Die Fürsorge der Frau schien unverstellt, was Lia berührte. Viel Aufrichtigkeit war ihr seit ihrer Ankunft noch nicht entgegengebracht worden.
„Ja, keine Sorge.“
Die Gouvernante brummte zufrieden, legte ihr die frische Wäsche über den linken Arm und hielt ihr einen Eimer, einen Besen und einen Schrubber entgegen. Im Eimer befanden sich Reinigungsmittel und Lappen.
„Danke“, sagte Lia und wollte sich abwenden. Pesha legte ihre Hand auf Lias Arm.
„Gutes Mädchen! Wirst Sonne hier bringen.“
Lia lachte über diese Worte. Es hörte sich schön an.
„Na, an Sonne fehlt es hier wohl nicht“, sagte sie und schaute zum strahlend blauen Himmel.
„Täusche dich da mal nicht, Lia, hier schlummern viel Unglück. Braucht neue Ideen. Du gerade richtig kommen.“
Hielten sich hier alle für so etwas wie Hellseher, fragte Lia sich verdutzt.
„Wie meinen Sie das?“
„Wirst sehen“, sagte die Frau und wandte sich ab, als hätte sie schon zu viel gesagt, „wenn Kummer mit Pest, du zu mir kommen. Nicht einsam sein, ja?“
Lia nickte und Pesha lächelte zufrieden.
„Danke Pesha, bis bald“, sagte Lia und machte sich auf den Weg zum Wohngebäude. In ihrem Nacken meinte sie den kribbelnden Blick Peshas zu spüren.
Als sie in ihrem Zimmer angekommen war, bemerkte sie mit Freude, dass Joe nicht anwesend war. Gut! Die Hitze staute sich in dem kleinen Raum, und als erstes öffnete sie weit das Fenster und die Eingangstür, um einen Durchzug zu erzeugen. Sofort blies ihr die leichte Brise Erfrischung zu und Lia nahm all ihren Mut zusammen, zog sich ihre kurzen Leggins an, die sie normalerweise nur während ihres Gymnastikkurses trug, und machte sich als erstes daran, das Badezimmer zu säubern. Anschließend widmete sie sich Joes immensem Kleiderhaufen, der in der Mitte des Zimmers den Durchgang versperrte. Sie fand einen Plastiksack und stopfte alles hinein. Ein Bild fiel hinunter. Lia bückte sich, um es aufzuheben und auf Joes Nachtisch zu legen, da stutze sie. Sie erkannte Flynn, der Joe umarmte. Ein Stich der Eifersucht durchfuhr Lia. Vielleicht war Joe deshalb so böse? Vielleicht hatte ihr Tess den Freund ausgespannt? Also war Flynn wirklich das, wofür sie ihn sofort gehalten hatte: Ein Herzensbrecher! Einer, der sich nicht um die Gefühle der anderen kümmerte. Unverständlicherweise wurde es ihr schwer ums Herz und sie legte das Foto auf den Nachttisch. Eigentlich sollte es ihr doch egal sein. Flynn interessierte sie nicht und damit Basta!
Sie kehrte gründlich das Zimmer aus, auf dessen Boden sich Unmengen von Sandkörnern und Schmutz angesammelt hatten. Dann staubte sie die Möbel ab und putzte das Fenster. Zufrieden begutachtete sie das Ergebnis und nahm sich das Badezimmer vor und schließlich putzte sie gründlich den Boden. Da das Zimmer sehr klein war, kam Lia geschwind voran und fühlte sich gleich besser, als sie die Putzutensilien vor der Eingangstür abstellte, um sie Pesha zurückzubringen.
Zuversichtlich kleidete sie sich aus und gönnte sich eine Dusche. Jetzt sollte ihr neues Leben beginnen. Doch sofort stellte sich eine Frage, die sie seit ihrer Ankunft am Morgen schon quälte: Was sollte sie anziehen? Noch immer kam es nicht infrage, das Kleid, das sie auf dem Markt gekauft hatte, zu tragen. Es war zu... provozierend! Lia entschied sich für eine dunkelblaue Shorts und ein weißes Polohemd. Mit einem letzten prüfenden Blick auf die neu errungene Ordnung setzte sich Lia den Strohhut auf - den ihre Mutter ihr mit Warnungen vor Hitzeschlag und Sonnenstich am Vorabend kurz vor der Abreise noch untergejubelt hatte - und verließ das Zimmer. Erst als sie im Erdgeschoss angelangt war, dachte sie an die Putzsachen, die sie vor der Tür vergessen hatte. Mach ich später, dachte sie und verfolgte weiter ihr Ziel.
Eigentlich hatte sie sofort einkaufen gehen wollen, doch es gab vorher noch etwas, das sie erledigen wollte. Schnurstracks lief Lia über die schmalen Steinalleen der Anlage, zwischen Mobilheimen und Bungalows hindurch, in Richtung Strand. Die Mittagssonne brannte auf der Haut, und je näher sie dem Meer kam, desto stärker roch die Luft nach Algen und Seetang. Ein wohliges Kribbeln durchfuhr sie bei dem Gedanken, in wenigen Augenblicken am Meer zu stehen. Kaum mehr hatte sie Augen für die Anlage, die sie umgab, den riesigen Pool für die Besucher, den Kinderhort oder die Tennisanlage. Und dann war es endlich soweit und sie stand am Strand, der leer und einsam in der Mittagssonne lag. Er schien weniger verwildert, als der Strand, an dem sie am Vormittag mit Flynn vorbeigefahren war, war schmaler und sah auch insgesamt gepflegter aus. Soweit das Auge reichte, wurde er abwechselnd von Strandrestaurants und zweistöckigen Wohnanlagen mit Studios oder Surfschulen gesäumt.
Auch das Riviera-Beach-Camping hatte seine eigene Surfschule, stellte Lia fest. Einer der Angestellten der Schule war gerade dabei, Segel auf dem Sand auszubreiten. Ob er jetzt schon Schüler hatte? Vielleicht Einheimische, mutmaßte Lia, zog ihre Ballerinen aus und machte ein paar Schritte über den Sand. Entzückt schloss sie die Augen. So weich, so warm, so unbeschreiblich sensuell!
Sie hätte vor Glück jauchzen wollen. Sie war in Frankreich, am Strand! 1200 Kilometer trennten sie von ihrer Heimat. Dieser Gedanke war ebenso berauschend wie beängstigend. Nur wenige Schritte und ihre Füße berührten das Wasser, dass herrliche Nass, das ihre Fesseln umspielte. Mit einer Hand hielt Lia ihren Strohhut fest, an dem eine Böe zerrte und ihn davonzuwehen drohte.
„Hi“, sagte der Mann, als Lia näher kam, „ich bin Marc, der Surflehrer. Du bist sicher die Neue?“ Sanfte braune Augen sahen ihr freundlich entgegen. Endlich einmal ein Mann, der nicht so ungehörig viel Testosteron ausstrahlte, obwohl auch er ungemein gut gebaut und braun gebrannt war, ein schönes, ebenmäßiges Gesicht hatte und schulterlanges, blond gelocktes Haar. Doch in seinem Ausdruck las Lia nichts weiter als Liebenswürdigkeit. Kein Angebergehabe, keine Prahlerei und keinen Zwang, unbedingt gefallen zu wollen. Nur Aufmerksamkeit.
Lia nickte und lächelte ebenso freundlich zurück und nickte. „Ja, die Neue“, wiederholte sie.
Er lachte. „Ja, du hast Recht, das klingt sehr vage. Neue Angestellte gibt es viele. Ich meine die Neue, der man den furchtbaren Streich gespielt hat, über den jetzt alle lachen. Ich meine... mit dem Stall und so ...“
Lia spürte, dass sie rot anlief, fühlte sich von seiner Offenheit überrumpelt. In Marcs Augen konnte sie jedoch nur ehrliche Betroffenheit spüren. Aber das ärgerte sie auch. Sie hatte sich nicht wie ein Opfer gefühlt und wollte in den Augen der Anderen auch nicht als ein solches gelten.
„Ich sehe, dass Neuigkeiten hier schnell herumkommen“, versuchte sie zu witzeln.
„Oh, ja. Du musst wissen, dass Riviera-Beach so etwas wie ein kleines Dorf ist, in dem eine große Familie lebt. Jeder weiß alles über jeden, nichts bleibt verborgen. Wir sind alle betroffen von dem, was man dir angetan hat. Das war unfair.“
„Oh, nein. Das darf man nicht dramatisieren“, sagte Lia hastig. War sie vielleicht zu naiv, weil sie die Angelegenheit nicht ernst nahm, „es war ein Missverständnis und zum Teil auch meine Schuld.“ Sie lächelte.
„Ach so“, sagte Marc und nickte, „dann ist ja gut.“
„Sag, Marc“, wechselte Lia das Thema, „hast du eine Ahnung, in welche Richtung ich laufen muss, wenn ich ein paar Besorgungen machen möchte?“
„Klar. Gehe einfach weiter am Strand entlang in Richtung Hafen. Nach einem Kilometer wirst du auf einen Ort Namens La Capte treffen. Dort gibt es alles. Ansonsten kannst du auch an den Hafen gehen, dort gibt es viele Geschäfte und auch einen Supermarkt.“
„Danke, Marc“, sagte Lia und wandte sich zum Gehen, „einen schönen Tag dir, bis später.“
„Bis später“, sagte der Surflehrer und zurrte ein Segel fest, „und Lia?“
„Hm?“ Sie drehte den Kopf, um ihn anzublicken.
„Wenn du mal mit jemandem reden willst, dann bin ich da, okay?“
Dankbar nickte sie ihm zu und Marc lächelte wissend zurück. Es fühlte sich gut an zu wissen, dass es hier auch Menschen gab, mit denen man ein Gespräch führen konnte, ohne dass es vor mutwilligen und verrücktspielenden Hormonen nur so knisterte. Bei diesem Gedanken musste sie unwillkürlich grinsen.
Sie folgte dem Strand in Richtung Hafen, so wie Marc es ihr erklärt hatte und so wie es auf dem Plan eingezeichnet war. Und richtig, sie brauchte nicht lange zu laufen, da kam sie an den Strand von La Capte, von dem aus eine breite Allee mit vielen Läden und Restaurants bis hoch zur zum Strand parallel verlaufenden Hauptstraße führte. Schiefe Pinien, deren Wurzeln den Straßenbelag gesprengt hatten, entwuchsen direkt dem Asphalt. An anderen Stellen waren meterhohe Palmen in quadratische Erdkästen gepflanzt worden, die dem Dorf einen sehr exotischen Touch gaben.
Es gab zwei Bäckereien, Modegeschäfte, ein luxuriöses Restaurant, dessen wenige Gäste auf der überschirmten Kies-Terrasse speisten, Bistros, einen Fisch- und einen Gemüseladen, einen Friseur und sogar einen Supermarkt. Um das kleine Dorf herum und zwischendrin drängelten sich kleine verträumte Sommerresidenzen mit schiefen Klappläden, altmodischem Blumengehänge und zum Teil verrosteten Toren. Alle waren sie mit den gleichen weißen, niedrigen Gattern umgeben, die an amerikanische Farmen aus Western denken ließen.
Lia nahm die vielen Eindrücke in sich auf, wie ein Schwamm Wasser aufsaugte: gierig, unaufhörlich und nimmersatt. Wogende bunte Tücher, lachende Kinder, im Singsang der französischen Sprache plappernde Menschen, ineinander verschmolzene Gerüche nach Strand, Crêpes, Pinien, Sonnenöl, gerösteten Meeresfrüchten und frisch gemahlenem Kaffee spielten mit Lias Sinnen. Sie fühlte Glück in sich aufwallen. In diesem Moment spürte sie die Anspannung von sich abfallen. Spürte, dass ihre Entscheidung nach Frankreich zu kommen doch richtig gewesen war. Es war auch in diesem Augenblick, dass sie sich entschied, etwas aus dieser einmaligen Gelegenheit zu machen, die Chance zu nutzen. Sie wollte sich öffnen, eine Yes-Woman werden, anstatt die artige Streberin zu bleiben. Sie wollte Dinge wagen, von denen sie als Jugendliche nur mit offenen Augen geträumt hatte, es aber nie geschafft hatte, über ihren eigenen Schatten zu springen. Ja, sie wollte springen, hoch und weit! Nur das wie war ihr noch nicht ganz klar. Sie fühlte sich wie jemand, der sich plötzlich dazu entschließt, Gitarre zu spielen, aber noch nicht weiß, ob er Unterricht nehmen oder im Internet lernen sollte, welchen Musikstil er spielen will und ob er auf einer akustischen oder elektrischen Gitarre lernen möchte. Alles, was sie sicher wusste, war, dass sie spielen wollte ...
Doch alles brauchte seine Zeit. Also begnügte sie sich erst einmal damit, das Nötigste zu kaufen. In einem Strandwarengeschäft, das am Ende der Allee mitten an der Hauptstraße lag, kaufte sie Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, ein langes, sehr einfach geschnittenes, weißes, ärmelloses Baumwollkleid, passende weiße Badeschlappen und einen neuen breiten Strohhut mit weißem Band, der ihr wesentlich besser gefiel, als der alte, den ihre Mutter ihr einpackt hatte. Für einen Tag waren das schon mehr Veränderungen, als sie es in den letzten zehn Jahren zugelassen hatte. Sie nickte zufrieden, trat den Heimweg an und kaufte sich einen Schokoladencrêpe. Frohen Mutes und ihren köstlichen Crêpe kauend, schlenderte sie die Allee zurück, an den Modegeschäften vorbei und wagte einen verträumten Blick in das Restaurant „Bistro La Capte“, das die Gäste zum größten Teil bereits verlassen hatten. Das flache, rostfarbene Gebäude schien neu. Weißer Kiesel lag wie ein einladender Teppich um die Anlage herum, auch dort, wo keine Tische standen, und bildeten eine weite, weiße Fläche. Etwas zu weit, zu leer, dachte sie und schaute verträumt ins Innere des Restaurants, in dem eine gemütliche Atmosphäre zu herrschen schien. Wer weiß, vielleicht würde auch sie einmal jemand in dieses schicke Restaurant ausführen?
Plötzlich stutzte sie. Eine dunkle Haarpracht, die ihr bekannt vorkam und halblang über braune Schultern fiel, wurde energisch hin und her geschüttelt. Ein Streit schien in der Luft zu liegen. Beim genaueren Hinsehen erkannte sie Joe, die an der Theke stand und sich gestikulierend mit einem Mann unterhielt. Lia fühlte Misstrauen in sich aufsteigen, denn Joes Gesprächspartner sah nicht sehr vertrauenseinflößend aus. Er trug eine ausgefranste, ärmellose Lederweste, seine Arme waren bis zum Hals mit Tätowierungen übersät und sein tief gefurchtes Gesicht wurde von großen Narben durchzogen. Lia wollte sich abwenden, denn eigentlich war ihr Joe gleichgültig und sie wollte sich nicht die schöne Stimmung verderben lassen, weil sie sich in Dinge einmischte, die sie nichts angingen. Doch der Mann hielt Joe plötzlich am Handgelenk fest, schien kräftig zuzudrücken, denn Joe greinte.
„Arrêtes, Diego“, zischte sie.
„T’as plutôt intérêt à faire ce que je te dit, c’est clair?“, sagte er und fixierte Joes Augen eindringlich. Seine schlechten Absichten standen ihm ins Gesicht geschrieben. Als Joe nickte, ließ er ihren Arm abrupt und mit einer brutalen Geste los, fast als wollte er ihn fortwerfen. Joe rieb sich leise fluchend das Handgelenk, das trotz ihrer tiefen Bräune rötlich schimmerte. Jäh blickte der Narbige zu Lia, die zusammenzuckte. Ihr war im Nu klar, dass sie sich im falschen Moment am falschen Ort befand.
„Oui?“, fragte er mit öligem Grinsen.
„Oh, nichts, äh, rien“, sagte Lia hastig. Joe fuhr herum. Lia hätte nicht sagen können, was in diesem Moment in Joes Blick überwog: Überraschung, Hass oder Angst. Es schien von allem etwas zu sein.
„Tu la connais?“
Lia verstand, dass er wissen wollte, ob Joe sie kannte.
„Non“, sagte Joe, zog eine abfällige Grimasse und wandte sich dem Mann wieder zu, sagte etwas, das Lia nicht verstehen konnte. Der Mann lachte laut auf, musterte Lia höhnisch und nickte. Er schien zufrieden.
Diesen Augenblick nutzend wandte Lia sich ab und ging in Richtung Strand, in der Hoffnung, dass die beiden ihr nicht weiter Beachtung schenken würden. Erst als ihre Ballerinen wieder im Sand einsackten, hielt sie inne und schaute sich um. Erleichtert atmete sie auf; keiner war ihr gefolgt. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie plötzlich so eine Angst befallen hatte. Irgendetwas an der Situation hatte sie gestört. Seine Stimme? Der Tonfall? Joes Angst? Das Mädchen schien Probleme zu haben und Lia versuchte, sich an den Satz zu erinnern. „... de faire ce que je te dit“, wiederholte sie die Wortfetzen, die hängengeblieben waren. Du sollst machen, was ich dir sage, musste es ungefähr heißen. Instinktiv spürte Lia, dass Joe in Gefahr war, schob den Gedanken aber wieder fort. Es war nicht ihr Problem, sondern Joes. Auf keinen Fall wollte Lia das erhebende Gefühl verlieren, in dem sie kurz zuvor noch geschwelgt hatte. Einmal tief ein- und ausatmend schob sie die Gedanken an ihre Mitbewohnerin fort und schlenderte sorglos den Strand zurück. Die Sonne, die mittlerweile den Zenit überschritten hatte, brannte ihr auf dem Rücken. Jetzt würde sie aufs Zimmer gehen, sich ihren Badeanzug anziehen und ihr erstes Bad im Meer nehmen.
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