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Kapitel 2 – Flynn – Enttäuschung

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Nachdem er auf dem Campus nach dem Rechten geschaut hatte, verzog sich Flynn in seiner Hütte am Strand. Zwar war es erst zehn Uhr, doch hatte der Vormittag ihn schon ganz schön geschlaucht. Zum Teil lag es sicher am frühen Aufstehen, weil er die Neue unbedingt selbst am Bahnhof hatte abholen wollen. Aber noch mehr hatte ihre Verklemmtheit seine Nerven strapaziert.

Am Telefon hatte sie so selbstsicher und erfahren gewirkt. Vielleicht war sie auf der Arbeit nicht so übel, dachte er zerknirscht, denn dafür hatte er sie ja schließlich angestellt. Er entledigte sich seiner Schuhe und streifte das nach Kaffee stinkende T-Shirt ab. Wie sehr der Schein doch trügen konnte, dachte er, holte sich eine Limonadendose aus dem Kühlschrank, setzte sich auf seine Veranda und vergrub die Füße im warmen Sand. Mit dem Zeigefinger zog er an der Öse und ein leises erfrischendes Zischen entwich der Öffnung. Obwohl der Wind zugenommen hatte, war das Meer auf dieser Seite des Tombolos windgeschützt und das Wasser lag still in der Morgensonne, so wie Flynn es liebte. Auch mochte er die Morgenstunden besonders, weil sich kaum Menschen am Strand aufhielten. Um diese Jahreszeit kamen nur wenige Touristen nach Hyères, und die Einheimischen arbeiteten. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Ostern nahte und würde diese Idylle in ein Touristennest verwandeln, das aus allen Ecken und Enden summte und brummte.

Wieder gingen seine Gedanken zurück zu der Neuen. Lia. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, so musste er sich eingestehen, dass ihre Stimme ihn hatte mehr erwarten lassen. So ein Dummkopf! Die menschliche Natur war schon eigenartig, dachte er. Auch wenn man sich innerlich darauf einstellte, niemanden mehr an sich heranzulassen, brauchte es nicht viel, um immer wieder dieses dumme Gefühl, das sich Hoffnung nannte, erwachen zu lassen, sobald ein hübsches Gesicht lächelte oder eine sensuelle Stimme lockte. Aber Hoffnung auf was? Die Hoffnung endlich die Richtige zu finden? Oder die Hoffnung beim nächsten Mal weniger enttäuscht zu werden oder gar weniger zu leiden? Pfff! Er fühlte sich ertappt und ärgerte sich maßlos über sich selbst.

Noch dazu eine Angestellte! Die eiserne Regel lautete: keine Angestellten, keine Gäste! Das verringerte seine Möglichkeiten zwar arg, denn er verbrachte sein Leben auf dem Campingplatz, aber diese Regel war überlebenswichtig. Wenn sich herumsprechen würde, dass er mit Gästen anbändelte, könnte es sogar dem Ruf seines Unternehmens schaden, und das stand außer Frage. Ebenso würde die Gerüchteküche brodeln, wenn er sich auf Angestellten einließe. Nein!

Die Lage war so schon brenzlig genug.

Aber zwischen guten Vorsätzen und der Realität lagen oft Welten, nicht wahr? Denn kaum hörte er eine liebliche Stimme am anderen Ende der Leitung, war er bereit nach Toulon zu fahren, um das junge Fräulein persönlich abzuholen. Er zog scharf die Luft durch die Zähne ein, schüttelte über seine eigene Dummheit den Kopf und trank einen kräftigen Schluck aus der Dose. Das sollte ihm jetzt mal eine Lehre sein; ein Zeichen, dass er mit diesem Unfug endlich aufhören sollte. Keine Liebeleien mehr, kein Sex, kein Herzschmerz. Ganz einfach! Also war es eher hilfreich, dass die kleine Lia weder attraktiv noch besonders geistreich war.

Schlimmer: Sie hatte die eigentümliche Gabe, ihn zu ärgern. Eigentlich war sie nicht wirklich hässlich, aber sie entsprach so gar nicht seinem Typ. Zwar war sie nicht ungepflegt, doch schien sie keinen Wert auf Überfluss zu legen. Alles an ihr schien „minimal“ gehalten zu sein. Nach dem Motto: bloß nicht auffallen! Bieder! Ja, genau, sie wirkte bieder, unbeholfen, kleingeistig, spießig und war einfach farblos. Alles, was er hasste. Und das bezog sich nicht nur auf ihre äußere Erscheinung.

Egal, dachte er, grübele nicht mehr darüber nach. Schwamm drüber! Ich habe weit schlimmere Sorgen, als mir über eine unbeholfene graue Maus den Kopf zu zerbrechen, dachte er, und bei dem Gedanken an das, was ihn erwartete, setzte das Magengrimmen sofort wieder ein. Er hoffte nur, dass Lia wenigstens ihre Arbeit anständig bewerkstelligen und sich mit den Kunden nicht auch so hilflos zeigen würde. Sollte das nämlich der Fall sein, würde er die Konsequenzen daraus ziehen müssen. Er konnte es sich einfach nicht leisten, Angestellte zu bezahlen, die erst angelernt werden mussten, oder einen Kursus über Selbstwertgefühl brauchten. Aber auch da schien er wieder eine übertriebene Erwartungshaltung zu haben, denn es lag doch auf der Hand, dass es für eine Frau, die in ihrem Alter noch so ungeschickt war, wohl wenig Hoffnung auf Besserung geben konnte. Er seufzte und nahm erneut einen kräftigen Schluck.

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Sommer auf Französisch

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