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Drittes Kapitel

Lena Schmied

»Lena Schmied?«, rief die Lehrerin fragend in die Klasse, als sie morgens alle Namen der Schüler der Reihe nach vorlas, um die Anwesenheit zu überprüfen.

Flora musste lächeln. Das passierte meistens, wenn sie diesen Namen hörte. Sie war damals dagegen gewesen etwas zu unter­nehmen, aber jetzt war sie froh, dass Pan sie überredet hatte. Lena war ihre Freundin und einer Freundin muss man helfen.

Die Zeit in der Schule verlief an diesem Tag ohne größere Besonderheiten. Wobei das nicht ganz stimmte. Denn es gab etwas Besonderes, aber niemand, nicht einmal Flora oder Pan, bemerkten es. Die anderen bekamen es einfach zufälligerweise nicht mit, weil sie gerade nicht hinsahen, und die beiden Geschwister bemerkten es nicht, weil sie es nicht als etwas Besonderes erkannten.

Es war etwas, das einfach andauernd passierte, sodass ihnen gar nicht in den Sinn kam, es könnte sich um etwas Außer­gewöhnliches handeln. Aber es war sehr wohl außer­gewöhnlich. Wenn die beiden bei solchen Dingen ein wenig aufmerksamer wären und die richtigen Schlüsse daraus zögen, dann könnten sie etwas Neues und Wichtiges über sich heraus­finden. Es würde eine weitere Sache aufzeigen, die besonders an ihnen war.

Neben der Sache mit der Zeit.

Was war passiert?

Flora hatte sich im Chemieunterricht zu Pan herüber gelehnt, um ihm etwas zu geben, und sich dann, weil Marie sie ansprach, zur Seite gedreht. Dabei geriet ihr Arm über den brennenden Bunsenbrenner, der im selben Moment ausging – als hätte ihn jemand rechtzeitig ausgeschaltet. Ein Glück für Flora, denn sie hatte sich nicht verbrannt.

Wenn man sie fragen würde, wie sich eine Brandwunde anfühlt, könnte sie das nicht einmal sagen. Denn sie hatte sich noch nie verbrannt – und Pan auch nicht.

Nach der Schule fuhren Pan und Flora heute direkt nach Hause. Meistens trafen sie sich nach der Schule mit Freunden, aber heute ging das leider nicht. Sie mussten nach Hause, um ihre Arbeit zu erledigen, denn sie hatten sich vorgenommen, das einmal pro Woche zu tun.

»Ich habe gesehen, dass du wieder gelächelt hast, als die Lehrerin Lena aufgerufen hat«, sagte Pan. »Es ist so schade, dass wir niemandem erzählen können, warum wir uns bei ihrem Namen freuen.« Flora fand das auch und es machte sie ein wenig traurig, aber auch stolz. Traurig, weil sie immer vor allen anderen Geheimnisse haben mussten, und stolz, weil sie wusste, was der Grund für das Lächeln war.

Zu Hause angekommen fingen Sie an zu arbeiten. Sie setzten sich an den Computer und begannen Nachrichten und andere Informationen im Internet zu lesen.

Wenn einer der beiden etwas Interessantes gefunden hatte, erzählte er das dem anderen und sie besprachen, ob sie eine Mission starten sollten. Pan war meistens dafür, eine Mission zu beginnen, Flora in der überwiegenden Zahl der Fälle dagegen.

Früher waren sie herumgelaufen und hatten sich mit anderen Menschen unterhalten, um an Informationen zu kommen. Sie hörten sich an, was die Menschen zu berichten hatten. Den Klatsch und Tratsch, die Vorurteile sowie Ängste und manchmal auch Erzählungen von wirklich wichtigen Ereignissen. Darauf mussten sie sich ihren Reim machen, um zu sehen, wo und wann sie helfen wollten. Später, als es endlich Zeitungen gab, lasen sie diese. Dann kam das Radio, dann das Fernsehen. Jetzt suchten sie im Internet. Das Internet hatte alles andere verdrängt.

Missionen führten die anderen Flora und Pan, die in der Vergangenheit lebten, aus. Natürlich waren das dieselben Pan und Flora, denn es gab sie nur einmal, aber wenn die beiden Geschwister über sich selbst in der Vergangenheit sprachen, nannten sie sich oftmals die Anderen. Auch wenn sie schon seit vielen Jahren Mission in der Vergangenheit durchführten, war das immer noch sehr verwirrend. Aber auch schmerzhaft und ekelig – zumindest immer für denjenigen, der die Mission startete.


Flora und Pan in der Vergangenheit, die vor kurzem den Ausflug in die Stadt gemacht hatten, hörten sich um. Sie fragten Fremde, die aus der Stadt kamen, ob da etwas passiert sei, und ihnen wurde erzählt, dass da ein ganz hinterhältiger Überfall statt­gefunden habe, es aber keine Zeugen gäbe.

Niemand hatte der armen Frau geholfen, als irgendwelche Schurken ihr das Hab und Gut raubten. Ihnen tat die Frau leid, aber es wäre nicht möglich gewesen, ihr zu helfen. Denn der Überfall löste eine Kette von Ereignissen aus, die letztendlich zu einer guten Sache führten. Sowohl für die überfallene Frau, als auch für viele anderen Frauen. Wenn sie den Überfall verhin­dert hätten, wäre das schlecht gewesen. Für die Frau damals und sogar für die beiden Geschwister in der Gegenwart.


Zu dieser Mission waren Sie über ihre Schulfreundin Lena gekommen, die besonders Flora sehr gerne mochte.

Lena hieß mit Nachnamen Feigling. Sie war darüber sehr unglücklich, weil sie von den Mitschülern oft wegen des Na­mens gehänselt wurde. Sie erzählte ihren beiden Freunden, dass sie sich so sehr wünschte, einen anderen Namen zu haben.

Wenn Lena ihren Eltern von den Hänseleien erzählte, meinten diese immer nur, dass sie sich nicht so anstellen solle und so ein bisschen Spott nur den Charakter stärke. Das war natürlich Quatsch und half Lena nicht weiter.

Lenas Vater sagte dies, da er sein ganzes Leben mit diesem Namen hatte leben müssen und auch als Kind gehänselt worden war. Für ihn gab es damals nur die Möglichkeit, es zu ertragen. Das hatte zwar irgendwie funktioniert, ließ ihn aber auch hart und zornig werden.

Flora mochte Lenas Eltern, die Feiglings, nicht. Sie waren abweisend zu Lena und unfreundlich zu Flora und ihrem Bruder. Da Flora sah, wie sehr Lena litt, fragte sie Lena ein wenig aus. Dabei erzählte Lena, dass sie im Internet nach dem Ur­sprung ihres Namens gesucht hatte und durch Zufall darauf gestoßen war, dass ihr Vorfahre Emil damals als großer Feigling galt und deshalb diesen Namen bekam. Sie wusste sogar, warum alle ihn für einen Feigling hielten. Es lag daran, dass er einen Überfall beobachtet und weder eingegriffen, noch Hilfe geholt hatte. Dies hatte damals ausgereicht, dass man ihm diesen Namen gab.

Lena fand nicht nur heraus, an welchem Datum sich dieser Überfall ereignet, sondern auch noch, zu welcher Uhrzeit er ungefähr stattgefunden hatte. Das waren alle Informationen, die Flora brauchte.

Als sie Pan erzählte, wie schlecht es Lena ging und wie gerne sie ihr gerne helfen würde, war er sofort dabei. Es gab also eine neue Mission für die Anderen. Er kümmerte sich darum. Flora ging das Schicksal von Lena zu nahe. Daher wollte Pan ihr die Strapazen nicht antun, die es bedeutete, eine Mission zu starten.

Die Mission selbst war einfach. Pan und Flora sollten Emil, den Vorfahren von Lena, davon abhalten, einen Überfall zu beob­achten. Dadurch würde er nicht Zeuge des Überfalls und keiner könnte ihm vorwerfen, nicht eingegriffen zu haben. Somit würden weder er noch später Lena Feigling heißen.

Damit trüge die Familie dann den Namen Schmied und nicht Feigling – denn Emil war Schmied. Und mit diesem Namen wäre sie glücklich. Und nicht nur sie.

Dass Lena nach Abschluss der Mission durch Pan und Flora niemals Feigling geheißen hatte, sondern schon immer Schmied, ist dabei sehr verwirrend. Wenn man jedoch etwas in der Ver­gangenheit ändert, dann verändert sich alles nach dieser Ände­rung auch bis in die Gegenwart.

Das hatten Pan und Flora schon vor sehr langer Zeit gelernt. Warum die beiden aber sowohl den Namen Feigling als auch den Namen Schmied kennen, ist einfach erklärt.

Auch die beiden können sich nicht an eine Lena Feigling erinnern und auch nicht mehr an die Eltern Feigling, denn auch für sie hat sich ihre Vergangenheit zu einer anderen Zukunft verändert. Sie erinnern sich aber noch an die Mission.

Dies hier war es, das der Armbanduhren-Pan seinem 1512er Pan mitteilte:

»Mann erschrecken. Stadt. Kirche Ostseite. 4. Mai 1512. Nach 5 Uhr. Änderung Name Lena Feigling«

Die Nachricht war kurz, hatte aber ausgereicht. Pan und Flora in der Vergangenheit wussten, was zu tun war, und erinnerten sich jetzt noch an ihre Taten, obwohl es so viele Jahrhunderte her war.

Erst zu dem Zeitpunkt, als sie in der Gegenwart eine Lena Schmied trafen, wussten sie, dass ihre Mission wirklich erfolgreich gewesen war. Auch erst dann wussten sie, dass sie nichts Wichtiges in der Vergangenheit geändert hatten, wodurch die Gegenwart verändert wurde. Sie dachten auf jeden Fall, dass es so sei. Doch so war es nicht. Die Familie Kerkermeister, die von dem Wärter abgestammt hätte, der damals im Kerker auf die Gefangenen – also auch auf Pan und Flora – aufpassen sollte, gibt es nicht mehr – vielmehr hatte es sie nie gegeben. Der junge Wärter war seinerzeit für die Flucht der Geschwister zur Rechenschaft gezogen worden und so etwas endete damals eben oftmals mit dem Tod.

So ist das halt mit Änderungen in der Zeit. Diese sind sehr gefährlich. Das sollten eigentlich auch die beiden Geschwister wissen. Herr Meier hatte ihnen das eindringlich klar zu machen versucht. Doch daran können sie sich nicht mehr erinnern, denn dieses Treffen mit Herrn Meier, das sich einst ereignet hatte, fand im Endeffekt niemals statt. Es würde aus der Zeit getilgt. Von Flora und Pan.

Deshalb starteten sie weiterhin Missionen in der Vergangenheit, wenn sie sahen, dass sie dadurch helfen konnten. Sie wollten das so und sie ließen sich nicht aufhalten.

Die Schüler der Zeit

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