Читать книгу Dame ohne König - Sigrid Ellenberger - Страница 30

7 Uhr und 10 Minuten (Telefongeklingel)

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„Fröhlich“, meldete sich eine unüberhörbar ausgeschlafene Stimme am anderen Ende der Telefonleitung.

Mein Blick wanderte zum Wecker. Es war kurz nach sieben. Wer, um alles in der Welt, war fröhlich und schon so wach? Ich rollte mich in meinem Schlafsack auf die Seite und überlegte. Oh mein Gott! Fröhlich! Es war Klaus-Dieter. Ich war sofort hellwach.

„Oh, hallo, wie geht es Ihnen?“

Meine Stimme glich einer alten, rostigen Gießkanne.

„Habe ich Sie etwa geweckt?“

Nein, was für ein pfiffiges Kerlchen.

„Nein, ich bin nur etwas … erkältet.“

Eine klitzekleine Notlüge war ja wohl erlaubt, oder?

„Das tut mir Leid. Ich wollte Ihnen nur kurz Bescheid geben, dass mein Auto heute fertig wird. Ich fahre heute Nachmittag wieder heimwärts.“

Schade! Wohlgemerkt, das dachte ich, laut gesagt hatte ich nichts.

„Hätten Sie denn Lust, nächsten Mittwoch mit mir essen zu gehen?“

Ich war völlig überrascht. Wenn ich nicht sowieso auf dem Boden gelegen hätte, wäre ich glatt umgefallen.

Nächsten Mittwoch? Meine Gedanken waren zwar noch im Halbschlaf aber auf die Schnelle fiel mir kein Termin ein. Zumindest kein so dringender, dass ich ihn nicht für Herrn Fröhlich verschieben konnte.

„Ich habe am Mittwoch einen Termin in der Nähe. Wenn Sie möchten, könnten wir uns abends treffen.“

Ich war immer noch sprachlos.

“Sind Sie noch dran?“

„Ja.“

Ich machte eine weitere, künstlerische Pause. Das wirkt. Sagt jedenfalls Susi.

„Nun, was sagen Sie? Haben Sie Lust?“

Und wie viel Lust ich hatte!

„Ja, das lässt sich einrichten.“

Ich krächzte immer noch wie ein zum Sperrmüll gestelltes Fahrrad.

„Prima“, freute er sich. „Ich hole Sie dann um neunzehn Uhr ab, o.k?“

Der nette Mensch wollte vermutlich verhindern, dass ich noch mehr Blechschäden anrichtete.

„O.k. Bis Mittwoch dann.“

Ich legte auf.

War das ein Traum und der Wecker legte gleich los? Oder war das hier die Wirklichkeit? Gab es Probleme mit der Versicherung? Oder war er an mir interessiert?

In meiner Bauchgegend kribbelte es, wie schon lange nicht mehr. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich nicht träumte!

Da ich an diesem Tag dank Klaus-Dieter so richtig früh aufgestanden war, hatte ich um neun Uhr schon das Nötigste im Haushalt geschafft. Kurzerhand fuhr ich mit beiden Kindern zu Möbel-Macker. Es wurde langsam Zeit, mir neue Möbel auszusuchen. Swenja und Julia gab ich im Möbel-Macker-Kinderparadies ab und machte mich auf die Suche nach einem echten Weiber-Single-Schlafzimmer und nach einem neuen, modernen Wohnzimmer. Eiche-Rustikal, wie Biedermann Klaus sie liebte, war mega-out. Bei mir war die totale Veränderung angesagt. Fast konnte ich gar nicht fassen, dass ich jemals einem Kauf einer Eiche-Rustikal-Schrankwand zugestimmt hatte!

Ich war gerade am äußersten Ende des Obergeschosses angekommen, hatte mein Metermaß aus Papier ausgepackt und den Bleistift – ein Geschenk des Hauses – gezückt, als es durch den Lautsprecher tönte:

„Frau Holm, Frau Holm bitte zum Kinderparadies.“

Also steckte ich Stift und Maßband wieder ein und begann meinen Hausmarathon zurück zum Kinderparadies. Zweckmäßigerweise war dieses Möbelhaus eingeteilt, wie eine Einbahnstraße, entsprechend viel Gegenverkehr war unterwegs.

„Was gibt’s denn, Schätzchen?“ keuchte ich Julia entgegen.

„Julia Pipi.“

Sie strotzte vor Stolz und hippelte von einem Beinchen aufs andere. Eile war angesagt!

„Aber Julia, du hättest doch mit Swenja oder einer der beiden Frauen Pipi machen gehen können.“

„Mama Julia Pipi.“

Wenn es um Hintern abputzen ging, kam nur Mama in Frage. Herzlichen Glückwunsch! Na, wenigstens pinkelte sie nicht in die Hose.

Nachdem ich Julia wieder pipifrei im Kinderparadies abgegeben hatte, hechtete ich wieder quer durch die ganze Etage, packte erneut Stift und Maßband aus und begann von Neuem. Die Regalwand „DIETER“ gefiel mir ganz gut. Hochglanz schwarz mit hellen Holzelementen und edel wirkendem Oberlicht. Ja, Dieter kam in die engere Wahl.

Dabei wanderten meine Gedanken zu Klaus-Dieter. Zufall?

Ob er sich auch freute, mich wiederzusehen? Vielleicht war er ja verheiratet?

O.k., das war ich auch. Noch, zumindest.

Immer noch besser, als würde er noch bei seiner Mutter leben.

„Kann ich Ihnen helfen?“ holte mich ein Verkäufer zu meiner – na ja, fast meiner – Regalwand zurück.

„Oh … ja. Wie sind denn die Lieferzeiten für diese Möbel hier? Wissen Sie, ich kann die Sachen erst in drei oder vier Wochen abholen. Meine Wohnung ist nämlich noch nicht ganz fertig.“

Das war zwar die Untertreibung des Jahres, trotzdem stimmte es irgendwie.

„Kein Problem, es ist zwar fast alles lieferbar, aber Sie können die Sachen hier bis zu vier Wochen einlagern.“

Super. Vielleicht konnte ich auch meine Küche mit dazu stellen!

„Tragen Sie hier einfach das Abholdatum ein.“ Damit ließ er mich kichernd allein.

Nun, wenigstens lief der Möbelkauf ohne Probleme ab. Es war schon ein aufregendes Gefühl, alleine seine Einrichtung zu planen. Es war schließlich das erste Mal in meinem Leben. Als ich mit Klaus zusammengezogen bin, kam ich schnurstracks aus meinem Elternhaus.

Hier gab es keine Diskussionen, keine Kompromisse, keine Nörgeleien und vor allen Dingen: keine Eiche-Rustikal!

Ich entschied mich also für DIETER, nicht sehr praktisch, aber todschick.

Dazu wählte ich ein knallrotes Ledersofa mit dem passenden Kuschelsessel und einen dreieckigen Glastisch. Anstelle des Eiche-Rustikal-Schlafzimmers mit Kristallglasspiegel entschied ich mich für einen schwarz lackierten Futon mit knallroter Matratze, auf dem ich in Gedanken schon die wildesten Liebesnächte erlebte. Dazu ein ebenfalls in Hochglanz schwarz lackierter Falttürschrank. WOW! Ich war begeistert. Meine ersten eigenen Möbel.

Nach gut zwei Stunden war ich um einige Möbel reicher und um fast dreitausend Euro leichter. Ein Psychotherapeut war sicherlich teurer.

Ich war zufrieden mit meinem Tagwerk und ging zurück, um die Mädchen aus dem Kinderparadies abzuholen. Dank einer riesigen Glaswand konnte ich die beiden eine Weile beobachten. Sie lachten, tobten und warfen sich kleine Bälle zu. Ich überlegte, was die Trennung von Klaus für sie bedeutete. Er war ja über viele Jahre hinweg ein „long-distance-Papa“ gewesen. Von seinen Kindern hatte er praktisch nichts mitbekommen. Er nutzte vor fünf Jahren die Chance, in Thüringen die Leitung einer Supermarktkette zu übernehmen. Anfangs kam er noch jedes Wochenende nach Hause, in den letzten beiden Jahren sahen wir ihn nur noch einmal im Monat und im Urlaub. Ich bildete mir immer ein, eine gute Ehe könnte auch auf Distanz gut bleiben und Wochenendehen könnten durchaus funktionieren. Aber unserer Ehe war diese Veränderung nicht gut bekommen, zu sehr hatten wir uns in unterschiedliche Richtungen entwickelt – er, der selbstbewusste Manager und ich wurde immer mehr zur „Nur-Hausfrau“. Beides für den jeweils Anderen nicht wirklich attraktiv.

Anfangs wollte Klaus, dass wir mit ihm umziehen aber ich fand immer neue Gründe, dies eben nicht zu tun: Haus, Freunde, Kindergarten, Schwangerschaft, und, und, und.

So war es eigentlich kein Wunder, dass die Mädchen zunächst gar nicht bemerkten, dass Klaus überhaupt nicht mehr bei uns übernachtete. Er holte die beiden zu einem Zoobesuch ab, brachte sie wieder zurück und verabschiedete sich direkt wieder nach Thüringen. Ich bemerkte sogar, dass es mir ziemlich egal war, wo oder mit wem er seine Wochenenden verbrachte. Und so verwunderte es nicht wirklich, dass er sich eines Tages seine ganzen Klamotten mitnahm und bei einer „Freundin“ einzog.

Swenja und Julia hatten mich entdeckt, wie ich mit leicht verschwommenem Blick vor dem Kinderparadies auf sie wartete.

„Hallo Mama!“

Sie stürmten auf mich zu und umarmten mich herzlich. Was brauchte ich denn mehr zum Leben?

„Hallo, ihr Süßen. Wisst ihr was? Zur Feier des Tages genehmigen wir uns ein großes Eis.“

„Hurra“, schrie es mir begeistert entgegen.

„Ich nehme Vanille.“

„Julia Erdbeere.“

Mein Leben war perfekt.

Dame ohne König

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