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Erst nach seinem Tode sollte man den Kaiser geißeln …

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Denn der lebensfrohe Maximilian hatte niemals als weltabgewandter Asket gelebt, seine 72 »natürlichen Kinder«, von denen nur einige mit Namen bekannt sind, zeugen von seiner Freude am diesseitigen Leben.

Eigentlich konnte sich niemand im Reich so recht vorstellen, dass Kaiser Maximilian, der schon längst zu einer Legende geworden war, einmal die Augen für immer schließen würde. Denn er war, wo er hinkam, ungewöhnlich beliebt wegen seiner fröhlichen, manchmal sogar leichtlebigen Art, ein Herrscher zum Anfassen, dem man aber trotz aller Leutseligkeit großen Respekt entgegenbrachte. Man lebte und litt mit ihm mit und kannte seine unendlichen Probleme, die ihm meist von den auswärtigen Mächten aufgezwungen worden waren, und seine damit verbundene Geldnot. Einige Städte wie das reiche Augsburg sahen augenzwinkernd darüber hinweg und gewährten dem Kaiser, wann immer er an die Tore klopfte, Einlass, obwohl man wusste, dass er sicherlich nicht die Zeche für sich und sein Gefolge zahlen konnte. Aber in der Stadt am Lech hatte man schon für den jugendlichen Maximilian eine Schwäche gehabt und hatte ihm auf seiner Brautfahrt nach Burgund großzügig unter die Arme gegriffen, so dass er die Liebe seines Lebens Maria von Burgund hatte heiraten können.

Als Maximilian im Spätherbst des Jahres 1518 beschloss, sich einige Wochen der Ruhe in Augsburg zu gönnen, war man über das Aussehen des Kaisers entsetzt, obzwar schon das Gerücht sich verbreitet hatte, dass der Gesundheitszustand des Kaisers nicht zum Besten stand. Ein vom Tode gezeichneter Mann war mit großem Gefolge in der Stadt eingezogen. Verschiedene Leiden hatten ihn in den letzten Jahren gequält, nachdem er sich bei einem Sturz vom Pferd ein Bein schwer verletzt hatte. Obwohl er der »lateinischen Küche« seiner Ärzte nie ganz vertraut und mehr kuriose Heilpraktiken bevorzugt hatte, war es seinen Leibärzten gelungen, den Kaiser halbwegs wieder herzustellen. Daneben plagten ihn lange Zeit über ständig Verkühlungen, bei seinem »lustigen« Lebenswandel – der Kaiser verbrachte die meiste Zeit des Jahres bei jedem Wind und Wetter, bei Eisregen und glühender Hitze auf dem Rücken der Pferde – kein Wunder. Waren die Erkältungen zu stark, so suchte er, wenn nur irgend möglich, in die gute Luft der Tiroler Berge zu kommen, um die Beschwerden wenn schon nicht auszukurieren, so doch zu lindern. Nur ein Mensch mit einer robusten Gesundheit konnte bei dem Lebenswandel, den Maximilian führte, das damals biblische Alter von 60 Jahren erreichen.

Denn der Kaiser war auch im fortgeschrittenen Alter kein Kind von Traurigkeit.

Immer wieder überfiel ihn die Fleischeslust, für die er dann als Sünder, aber nicht als unbedingt Bereuender in der Beichte Gott um Verzeihung bat, manchmal sogar in schriftlicher Form: »Ich habe ziemlich viel getanzt, in Turnieren mit der Lanze gefochten und den Karneval genossen. Ich habe den Damen den Hof gemacht und große Gunst geerntet, ich habe sehr viel und sehr herzlich gelacht … Übrigens wird mich keine Dame nur von Herzen lieben … Nun ist Fastenzeit, und ich weiß nicht, was ich beichten soll, denn alles, was ich in diesem Fasching getan habe, spricht für sich selbst.«

Jahrzehntelang war der Kaiser als vitaler Mann bekannt gewesen, der auf allen Turnieren glänzte und meist den Sieg errang. Und selbst den stärksten Mann der Welt, den französischen Riesenritter Claude de Barre hatte er im Zweikampf besiegt, eine Tat, die seinen Ruhm weit über die Grenzen des Reiches verbreitete. Aber jetzt, als er in Augsburg erschien, war Maximilian nur noch ein Schatten seiner selbst.

Schon in den letzten zwei Jahren hatten verschiedene Unpässlichkeiten den Kaiser zu quälen begonnen, man hatte sogar von einem Schlaganfall gemunkelt, dessen Folgen Maximilian in seiner aktiven Art, wo es nur ging, zu überspielen versuchte. Aber immer mehr wurde er auch von Depressionen heimgesucht, so dass sein Gefolge in höchste Unruhe versetzt wurde. Und da er selbst den besten Ärzten misstraute, konnte ihm auch keiner helfen. In seiner Autobiographie, dem »Weißkunig« schrieb er, dass er zwei Mal von Krankheiten befallen worden war und hätte er sich nicht selber kuriert, so hätte er durch die Arznei, die ihm von den Ärzten verordnet worden war, ganz sicher sterben müssen.

Als er wie immer mit großem Gepränge aus Augsburg zog, wusste Maximilian, dass dies ein Abschied für immer sein würde. Er wollte in Innsbruck sterben, wo er sich schon vor längerer Zeit ein würdiges Grabmal hatte errichten lassen, wo er inmitten seiner habsburgischen Ahnen, die überlebensgroß ihn umgeben sollten, seine letzte Ruhe finden wollte. Der Kaiser konnte nicht ahnen, dass ihm dieser Wunsch nicht erfüllt werden sollte. Denn als er wie immer mit großem Gefolge an die Tore von Innsbruck pochen ließ, erhielt er die Mitteilung, dass man ihn mit seinen Leuten nicht Einlass gewähren würde, zu hoch waren die Schuldenberge angewachsen und kein Wirt hatte die Absicht, den todkranken Kaiser beherbergen zu wollen. Denn bei seinem letzten Aufenthalt hatte er nicht einen blanken Dukaten aus der Tasche gezogen und vom vorletzten Mal besaßen die Gläubiger immer noch wertlose Schuldscheine. Diesmal waren die Tore endgültig zu!

Und da man erkannt hatte, dass es unmöglich sein würde, Maximilian zu Pferde weiter zu transportieren, legte man ihn auf ein Schiff und fuhr bis Rosenheim, wo sich der Kaiser überraschenderweise erholte. Kaum verspürte er wieder Lebenskräfte, gab er Order, ihn an den Wolfgangsee zu bringen, wo er den Schafberg bestieg. Gleichzeitig wälzte er Pläne, wie man auf dem schroff aus dem See ragenden Falkenstein ein großes Kloster mit einer Kathedrale errichten könnte.

Diese anstrengende Tour hatte die Kräfte des alten Kaisers vollständig aufgezehrt. Mit Müh und Not brachte man ihn bis Wels, wo er das Krankenlager nicht mehr verlassen sollte. Sein treuer Freund Sigmund von Herberstein berichtete: »Der Kaiser ward schwach, ee wann er geen Wels kamb.«

Obwohl sein Leibarzt Baptista versuchte ihm Mut zuzusprechen, erkannte Maximilian seine aussichtslose Situation. Schwere Verstopfungen, die man mit drastischen Mitteln zu bekämpfen versuchte, wechselten mit ununterbrochenen Durchfällen, so dass der Verdacht nahe lag, dass er zumindest an komplizierten Darmgeschwüren litt, wenn nicht gar an Dickdarmkrebs. Der zu Tode geschwächte, von Schmerzen geplagte Patient erlitt schließlich noch einen Schlaganfall, der ihm die Sprache raubte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich intensiv mit dem Kartäuser Georg Reisch unterhalten, von dem er genaue Einzelheiten über das Leben nach dem Tode zu erfahren suchte, etwas, wozu er bisher in seiner diesseitsbezogenen Art sich wenig Zeit genommen hatte. Jetzt aber, wo der Tod schon in der Tür stand, bewegte ihn sein unmittelbar bevorstehendes Schicksal. Wahrscheinlich hatte man auch nach Matthäus Lang gesandt, dem langjährigen Vertrauten und Freund des Kaisers, aber die Botschaft hatte den Erzbischof von Salzburg zu spät erreicht.

Die Schmerzen, die immer unerträglicher wurden, raubten Maximilian schließlich das Bewusstsein, so dass er ohne langen Todeskampf am 12. Januar 1519 einschlief.

Schon zu Lebzeiten waren die genauen Einzelheiten für seine Beisetzung von ihm selber bestimmt worden. Maximilian hatte festgelegt, seinem Leichnam das Haar abzuschneiden, danach sollte man ihm die Zähne ausbrechen und den nackten Körper geißeln, der schließlich von einem groben Leinenkleid bedeckt werden sollte. Aber so ganz wie ein Büßer wollte der Kaiser doch nicht in die Ewigkeit eingehen, denn er hatte zusätzlich verfügt, dass er in Brokat gewickelt in seine »Schatztruhe« gelegt werden sollte, seinen Sarg, den er schon jahrelang mit sich geführt hatte. Nicht nach Innsbruck sollte er gebracht werden, sondern in seine Geburtsstadt Wiener Neustadt, wo man den genialen Habsburgerkaiser unter den Altarstufen der St. Georgskapelle beisetzte. Sein Herz allerdings hatte man schon gleich nach seinem Ableben entfernt und in einer Kapsel nach Brüssel bringen lassen, wo es neben der Frau ruht, der es ein Leben lang gehört hatte: bei Maria von Burgund.

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