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Sex und Skandale prägten das Bild der schönen Papsttochter

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Jahrhundertelang wurde Lucrezia Borgia als sexbesessene Giftmischerin verleumdet, erst viel später wurde ihr Bild als hochkultivierte Dame der Renaissance zurechtgerückt, deren Charme bezaubernd gewesen sein soll.

Die Dichter und Sänger ihrer Zeit wurden nicht müde, ihren Zauber zu besingen und keine Geringeren als Pietro Bembo und Ercole Strozzi rühmten ihre Anmut und ihren Geist, wobei sich zu viel Anbetung als gefährlich erwies, denn Strozzi bezahlte seine leidenschaftlichen Zeilen, die er auf die schöne Papsttochter verfasste, mit dem Leben. Spiel und blutiger Ernst waren eng verknüpft, ein Wort zu viel konnte den Tod bedeuten. Denn Lucrezias Bruder Cesare schreckte vor gar nichts zurück, auch nicht vor einem feigen Mord an dem gemeinsamen Halbbruder Juan. Niemand stand Cesares Ambitionen lange im Weg, seine Brutalität kannte keine Grenzen. Dass sein übler Leumund im Laufe der Zeit auch auf die völlig anders geartete Lucrezia übersprang, dafür sorgten schon die politisch kontroversiellen Vertreter der anderen mächtigen Fürstengeschlechter in Italien.

Als die schöne Lucrezia am 18. April 1480 das Licht der Welt erblickte, trug ihr Vater Rodrigo Borgia erst den Kardinalshut. Dass er einmal auf dem Stuhle Petri sitzen würde, stand noch in den Sternen. Natürlich verheimlichte man vor dem Kind, dessen Mutter Vanozza die langjährige Konkubine Rodrigos war, zunächst, dass es die Tochter eines hohen geistlichen Würdenträgers war. Der Vater war hingerissen von der entzückenden Tochter und kümmerte sich persönlich um die Auswahl ihrer Lehrer, denn Lucrezia sollte nicht nur durch ihre Schönheit sondern auch durch ihre Bildung in der ersten Gesellschaft glänzen.

Lucrezia hatte die Kinderschuhe noch nicht abgestreift, als der Vater begann, sich nach einem geeigneten Ehemann für sie umzusehen, wobei weder Aussehen noch Alter für Rodrigo eine Rolle spielten. Macht und Geld sollte sein zukünftiger Schwiegersohn in die Waagschale werfen können. Ein Spanier schien zunächst der Richtige zu sein, Don Cherubino Juan de Centelles. Die Tinte war aber auf dem Ehevertrag 1491 noch nicht getrocknet, als alle Vereinbarungen für null und nichtig erklärt wurden. Ein anderer würde die schöne Papsttochter zum Traualtar führen: Don Gasparo aus Valencia! Nachdem man aber Rodrigo am 26. August 1492 die Tiara aufs Haupt gesetzt hatte, war es für den neuen Papst undenkbar, dass ein unbedeutender spanischer Graf seine Tochter zum Altar führen sollte. Der 15-jährige Spanier, der bereits nach Rom gekommen war, um seine Braut in Augenschein zu nehmen, wurde ohne viel Federlesens in die Heimat zurückgeschickt.

Es gab bereits einen Nachfolger um die Hand der Papsttochter, der durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen ins Blickfeld Alexanders VI. gerückt war. Der kaum 30-jährige Witwer Giovanni Sforza war nämlich ein Neffe des überaus einflussreichen und politisch mächtigen Regenten von Mailand, sein Onkel war Ludovico il Moro. In diesen verwandtschaftlichen Beziehungen erblickte Papst Alexander VI. große Chancen im Kampf mit den europäischen Mächten. Und was niemand mehr so richtig geglaubt hatte, trat ein: Die Hochzeit fand wirklich statt, wobei Alexander vom Papstthron aus dem schönen Brautpaar den väterlichen und päpstlichen Segen erteilte. Giovanni Sforza war von seiner schönen Braut hingerissen, die der Gesandte aus Parma, Niccolo Gagnolo, in begeisterten Worten beschrieb: »Sie ist von mittlerer Größe und anmutiger Gestalt, ihr Gesicht ist eher lang, die Nase schön geschnitten, das Haar golden, die Augen haben keine besondere Farbe, ihr Mund ist ziemlich groß, die Zähne strahlend weiß, ihr Hals schlank und schön, ihr Busen bewunderungswürdig geformt. Immer ist sie fröhlich und lächelt.«

Nach der Hochzeit folgte nicht, wie damals üblich, der Vollzug der Ehe in der Hochzeitsnacht, sondern der Vater hielt es für opportun, den jungen Ehemann sofort wieder wegzuschicken, er sollte auf die Jugend seiner Braut Rücksicht nehmen. Erst als in Rom eine Epidemie ausbrach, wurde es Lucrezia gestattet, zu ihrem Gemahl nach Pesaro zu reisen, wo die anmutige junge Frau von der Bevölkerung begeistert aufgenommen wurde.

Lucrezia hielt es aber nicht lange in der Stadt auf dem Lande, Rom, das war für sie der Ort, wo man nicht nur ihre Schönheit begeistert feierte, hier war sie der Mittelpunkt der Gesellschaft und manchmal sogar die Vertreterin des Papstes. Deshalb war sie auch keineswegs traurig, als ihr der päpstliche Vater mitteilte, dass er die Absicht hätte, ihre Ehe mit Giovanni Sforza zu annullieren. Und da eine legale Scheidung nicht möglich war, kam als einziger Nichtigkeitsgrund die Impotenz des Ehemannes in Frage. Der so brüskierte Sforza holte sich bei seinen Freunden in Mantua Rat, was er gegen dieses Ansinnen des Schwiegervaters unternehmen könnte, und er erhielt den wohl nicht ernst gemeinten Rat, seine Manneskraft in aller Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Mit sicherem Gespür verstand Sforza freilich die unterschwellige Gefahr, die ihm drohte, sollte er sich gegen die Absichten des Papstes stellen. Er räumte das Feld, allerdings nicht ohne Rache. Denn er streute wahrscheinlich die Gerüchte aus, Lucrezia unterhielte mit ihrem Bruder und auch dem Vater inzestuöse Beziehungen, wobei es genügend Menschen gab, die diese Böswilligkeiten verbreiteten.

Papst Alexender VI. hatte schon längst einen Nachfolger für den abgeschobenen Schwiegersohn im Auge: Alfonso d’Aragona, Herzog von Bisceglie und ein natürlicher Sohn des Königs von Neapel. Lucrezia verliebte sich vom ersten Tag an in den feschen, charmanten und liebenswürdigen Alfonso, mit dem sie glücklich zu werden hoffte. Aber die Politik machte einen Strich durch alle Pläne, denn die stets wechselnden Bündnisse, in die der Papst verstrickt war, führten dazu, dass der Schwiegervater plötzlich auf der anderen Seite der Verbündeten stand. Opposition in der Familie war absolut unerwünscht! Alfonso musste möglichst rasch aus dem Wege geräumt werden, obwohl Lucrezia nur wenige Monate vorher einem Sohn das Leben geschenkt hatte und es sowohl dem Vater als auch dem Bruder Cesare bekannt war, wie sehr sie ihren Mann liebte. Eines Nachts wurde Alfonso heimtückisch überfallen, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. Liebevoll pflegte Lucrezia ihren Gemahl gesund. Kaum war er wieder bei Kräften, schoss er auf Cesare, verfehlte ihn aber knapp. Gedungene Mörder erwürgten noch in der gleichen Nacht den Schwiegersohn des Papstes.

Obwohl Lucrezia zu einer gefeierten Schönheit erblüht war, bereitete ihre Wiederverheiratung gewisse Schwierigkeiten. Denn allmählich war durchgesickert, wie der letzte Ehemann ums Leben gekommen war. In die Borgia-Familie einzuheiraten bedeutete, das Schicksal herauszufordern. Nur ein wagemutiger Mann riskierte bei dem Unterfangen, die begehrenswerte Papsttochter als Ehefrau an der Seite zu haben, Kopf und Kragen. Daher war es auch verständlich, dass der Sohn des Herzogs Ercole von Ferrara lange zögerte, seine Einwilligung zur Hochzeit mit Lucrezia Borgia zu geben. Selbst als die Eheverträge unterzeichnet waren und ein Brautzug von 500 Personen sich nach Rom begab, war der Bräutigam nicht anwesend. Daher musste am 30. Dezember 1501 die Hochzeit per procurationem, durch den Bruder des Bräutigams als Stellvertreter stattfinden. 27 Tage dauerte die Reise Lucrezias nach Ferrara, auf der ein glanzvolles Fest das andere ablöste. Als sie endlich den Palast ihres Gemahls erreichte, war Alfonso von dem Liebreiz seiner jungen Frau zumindest für einige Zeit überwältigt. Für Lucrezia bedeutete das nächtliche Beisammensein mit ihrem Mann – am Tage pflegte er seinen gewöhnlichen Liebesabenteuern nachzugehen – ununterbrochene Schwangerschaften und komplizierte, kräfteraubende Entbindungen. Bei der letzten Geburt im Jahre 1519, die Mutter und Kind nicht überlebten, war sie 39 Jahre alt.

Trotz der immerwährenden Umstände, in denen sie sich befand, war sie in Ferrara zum Mittelpunkt des kulturellen Lebens, zu einer bewunderten Grand Dame der Renaissance geworden – ähnlich wie ihre Schwägerin Isabella d’Este in Mantua.

Tu felix Austria

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