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Rückblick: Die klassische Stelle Morgarten in Text und Bild, 1800

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Die «klassische Stelle» Morgarten wurde bis 1830 nicht nur als Ort eines konkreten historischen Geschehens mit patriotischer Aufladung besucht, sondern auch als Idee – jener der «Freiheit», verstanden im Sinne des Freiheitsbegriffs um 1800, der in einer Ursprungserzählung in die mittelalterliche Geschichte um 1300 zurückprojiziert wurde. Das Motiv der Freiheitsschlacht ist bei Zschokke als «immaterieller Erinnerungsort» präsenter als die klassische Stelle selbst.188 Die romantischen Geschichtsinszenierungen werden durch die Historienmalereien an der Kapelle unterstützt, die vor Ort die gängigen Imaginationen des historischen Geschehens sichtbar machen.

Historisches Material im Sinne mittelalterlicher Überreste waren für eine klassische Stelle nicht notwendig, unverzichtbar war hingegen ein Narrativ. Homi K. Bhabha schrieb 1990 in Nation and Narration, dass die Nation eine Vorstellung sei, die in ihrem Konstruktionsprozess einer Erzählung (Narration) gleiche.189 Die Reiseerzählungen des 18. Jahrhunderts, so lässt sich daran anknüpfen, sind Imaginationen, die das nationale Selbstbild in einem Narrativ konstruieren, dabei performativ von der Nation sprechen und diese auch lokalisieren. In der Helvetischen Republik griffen die Propagandisten des neuen Bundesstaats die narrativen Idealbilder der Schweiz und der Schweizer aus der Reiseliteratur auf und verwendeten sie als nationaltypische Integrationsbilder. Historische Narrative waren zentral für den Prozess der Nationalstaatsbildung und wurden bereits durch die Reiseliteratur popularisiert, die entsprechende Motive aus populären Geschichtsdarstellungen, etwa von Tschudi und von Müller, übernahmen. Reiseschriftsteller erzählten diese mit einer performativen Rhetorik weiter: «Hier, wo ich jetzt stehe, haben unsere Väter…». So erzeugte die Reiseliteratur und ihr Konzept der «klassischen Stellen» eine Herkunftsgeschichte der Nation als Ort, zu dem sie eine Wahrnehmungsanleitung mitlieferte. Die «klassische Stelle», die «historische Stätte» blieb nicht ein Narrativ, sondern wurde zu einem realen Ort gemacht.

Die Schlacht am Morgarten und ihr Schlachtfeld wurden um 1800 auch ausserhalb von Reiseführern ins Bild gesetzt, etwa auf Druckgrafiken oder Fresken. Das zweite Unterkapitel fragte nach einer Motivgeschichte dieser Bilder, die zwar immer auch für den Besuch des Schlachtfeldes warben, aber auch zeitgenössische Vorstellungen spiegelten, wie die Vormoderne aussah. Die Illustrationen in den spätmittelalterlichen Bilderchroniken waren den Besuchern um 1800 wahrscheinlich kaum bekannt. Damit liesse sich erklären, weshalb die Radierungen von 1800 keine Anleihen an die Bilder von Tschachtlan und Schilling machten.

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