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Fazit

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1795 erschien Carl Julius Langes Buch Über die Schweiz und die Schweizer, in welchem Lange eine Parodie auf den Reisediskurs über die Schweiz und die Reiseliteratur unter dem Titel Über die Kunst Schweizerreisen zu schreiben. Ein Fragment in Gesprächen einfügte. Im Dialog zwischen den zwei Personen A (Alp) und G (Gletscher) erklärt A (Alp) die «unwiderstehliche Kraft des Wörtchens da», auf die es in einer «Schweizerreise» als malerischem Text ankomme: «A (Alp): Ich meyne das kräftige Wörtchen da, das die Gegenstände so anschaulich verwirklicht.»256 Der historische Ort bietet, so suggeriert der Ratschlag, die Möglichkeit, rhetorisch über die Anschauung Wirklichkeiten zu schaffen. Lange parodierte in seinem Buch die malerische Schwärmerei jedoch als Rezept für erfolgreiche und nichtssagende Reiseberichte. Mit welchen Motiven, in Bezug auf welches historische Material und mit welchen Inszenierungen verbanden die Reiseliteraten den Besuch einer historischen Stätte?

Historische Stätten wurden um 1800 als «klassische Stellen» verstanden. Die Autoren führten meistens die Schlachtkapelle oder die Landschaft für die Verortung an. Diese Anhaltspunkte wurden auch als historisches Material im Sinne einer Ruine wahrgenommen. Die Reisenden und Verfechter des Reisens um 1800 verstanden den Besuch historischer Stätten als ein patriotisches oder auch national-pädagogisches Verhalten. Sie berichteten emphatisch von patriotischen Gefühlen, die sie vor Ort empfunden hatten. So gab die Reiseliteratur eine neue Art vor, wie patriotische Gefühle performativ ausgedrückt werden konnten: Formulierungen wie «Hier wars» oder «Hier wo ich jetzt stehe» tauchen immer wieder auf. Das Interesse der Reisenden an der Geschichte und ihren Stätten beeinflusste auch das Geschichtsbild der Schweiz. Dabei sorgte es im Falle von Morgarten für eine verstärkte nationale Lesart der Schlacht, die Reiseliteratur nutzte aber die Geschichte auch auf eine «globalisierte» Weise für eine internationale Leserschaft.257

Zeugen der Geschichte können sowohl die Stätte, deren Besucher, Bauten, die Landschaft oder historisches Material sein. Diese beliebig scheinende Zuschreibung erfüllt vermutlich die Funktion des Beglaubigens – es ist aber nicht klar, was diese Objekte bezeugen sollen. Den richtigen Ort, die wahre Geschichte oder das emphatische Verhältnis zwischen den romantischen Besuchern und dem Ort oder der Geschichte?

Vaterländische Bildungsreisen oder patriotische Wallfahrten waren idealerweise Wanderungen in einer Landschaft, die so etwas wie eine typisch nationale Landschaft darstellt – in der Schweiz etwa die Alpen. Die historischen Stätten wurden als besonders wirkmächtige Orte innerhalb einer Landschaft verstanden. Orvar Löfgren behauptet, dass der Wunsch des 18. Jahrhunderts nach dem Pittoresken und Sublimen die Fähigkeit des «historical daydreaming» entwickelt habe.258 Das historische Tagträumen werde möglich, indem Landschaft und Geschichte machtvoll verbunden würden: Hier, wo wir jetzt stehen, sind unsere Vorväter vor uns gestanden. Dies sei der magische Ort, um mit der nationalen Vergangenheit in Berührung zu treten.259 Doch wie wird diese Verbindung zwischen Landschaft und Geschichte hergestellt?

Um nochmals deutlich zu machen, dass der Blick auf die Gegend und ihre Geschichte unter anderem von und für Reisende geschrieben wurde, dient ein Beispiel aus der ausgehenden Frühzeit des Tourismus. Der aus Lyon stammende Genfer Kaufmann Louis Simond schrieb 1822 in seinem Buch Voyage en Suisse fait dans les années 1817, 1818 et 1819 über seinen Besuch des Rütlis und der Tellkapelle Folgendes: «Le lac, le roc, la chapelle bâtie sous les yeux de cent quatorze contemporains du héros, enfin la tradition existante dans le pays, ont tout à coup donné à Guillaume Tell la realité qui lui manquait.»260 Der See, der Fels, das im Angesicht von Zeitzeugen Tells gebaute Baudenkmal und die «Tradition» des Gedenkens hätten Wilhelm Tell auf einen Schlag die Realität verliehen, die ihm gefehlt hatte. Der konkrete Ort verleiht der Erzählung eine eigentümliche Konkretheit.

Simonds Voyage zeigt auch einen Wandel der Reiseführer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die historischen Ausführungen werden ausgelagert, entweder in separate Geschichtswerke oder, wie es Simond macht, in einen zweiten Band.261 Diese Auslagerung ermöglicht einen Gegentrend zu den knapper werdenden Einzeleinträgen in Reisehandbüchern wie dem Baedeker und sind zugleich Ausdruck eines grossen Interesses für Schweizer Geschichte – in Simonds Fall in der Westschweiz und sogar in Frankreich, dem Land der gerade wieder abgereisten Besetzer. Der Schriftsteller Karl Viktor von Bonstetten schrieb am 26. Juni 1822 an Heinrich Zschokke, man lese in Frankreich und auch in Genf «Simonds Reise durch die historischen Gefilde der Schweiz […] wie eine Geschichte des Monds».262

Mit der einsetzenden Industrialisierung des Tourismus ab 1830 werden die historischen Stätten mit Denkmälern und mit einer touristischen Infrastruktur versehen. Die anhaltend hohe Zahl an Besuchern bewirkt den Bau von Dienstleistungsangeboten, die sich spezifisch an – nun darf man das Wort brauchen – Touristen richten. Weil das Ägerital nicht an den grossen Reiserouten liegt, kommt dieser Prozess erst in den 1880er-Jahren in Gang.

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