Читать книгу Der Fluch der Dunkelgräfin - Simona Turini - Страница 11

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III

Sofia hatte versucht, mit ihrem Bewacher über den merkwürdigen Traum zu sprechen. Doch er hatte sie angewiesen, zu schweigen. Sie würde nun einige Tage nicht das Wort an ihn richten dürfen. Erst, wenn er sie wieder ansprach, war die Zeit der Stille vorbei. Diese Art der Züchtigung fürchtete sie am meisten: das Schweigen.

Der unheimliche Dienstbote ihres Bewachers sprach sowieso niemals mit ihr. Es war, als verlöre er seine Zunge, sobald sie den Raum betrat. Doch sei es, wie es sei: Für die nächsten Tage, wenn nicht gar Wochen, würde sie in Stille leben müssen.

Zum Glück hatte ihr Wächter eine beeindruckende Sammlung an Schriften der modernen Denker zusammengetragen, mit denen er sich die Zeit vertrieb und aus denen er ihr Unterricht erteilte. Auch ihr war es erlaubt, sich damit zu zerstreuen, und so wollte sie die trüben Stunden damit verbringen, über ihre Träume nachzusinnen, in der Hoffnung, zwischen all den Büchern eine Antwort auf die Rätsel zu erhalten, die sie so plagten.

Also begab sie sich in die Bibliothek des Herrenhauses. Es war ein weitläufiger Raum mit großen Fenstern, rundum gesäumt von deckenhohen Regalen voller Bücher: Dicke Bände, in Leder gebunden, wechselten sich ab mit kleineren Werken in Leinen, Texten auf dünnem Papier und stapelweise Briefen. In einem Schrank in einer Ecke lagerten Karten, säuberlich zusammengerollt und beschriftet.

Nachdenklich schritt sie die Regalreihen entlang und ließ die Finger über die Buchrücken gleiten. Ein tröstliches Gefühl überkam sie, als ihr wieder einmal gewahr wurde, dass dies ihre Gefährten waren. Bücher, so hatte sie es längst gelernt, eröffneten dem Leser die Welt, eröffneten viele Welten. Jedes Buch ein Freund gegen die Einsamkeit. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.

Wahllos zog sie einen Band aus dem Regal. Sie kannte das Buch nicht und konnte auch die alte, geschwungene Schrift nicht entziffern. Dennoch blätterte sie ein wenig darin, stellte es dann zurück und schlenderte weiter. Wo sollte sie nur beginnen?

Es war ein trüber und kühler Nachmittag, daher hatte der Dienstbote am Morgen den Kamin angefeuert. Sie ließ sich in einem der großen Ohrensessel am Feuer nieder, um ihr weiteres Vorgehen zu planen. Da fiel ihr Blick auf ein Buch, das auf dem kleinen Beistelltisch lag. Es war sch­m­al und abgegriffen, gebunden, aber ohne Titel. Neugierig nahm sie es und wollte es aufschlagen, doch es war mit einem winzigen Schloss gesichert.

Ihr Blick wanderte zurück zum Tischchen. Kein Schlüssel. Sie stand wieder auf, begab sich an die Regale, prüfte die wenigen Schubladen im Zimmer, fand aber bei ihrer halbherzigen Suche nichts.

Irgendetwas an dem Buch faszinierte sie. Es mochte ein altes Tagebuch sein. Vielleicht hatte ihr Bewacher darin geschrieben und es dann vergessen?

Sie wollte es lesen, koste es, was es wolle. Und um das tun zu können, musste sie es gut verstecken. Als Sofia sich umwandte, um in ihr Schlafzimmer zurückzukehren, stand vor ihr der unheimliche Dienstbote ihres Bewachers. Er blickte ruhig auf das kleine Buch in ihrer Hand, dann in ihre Augen, wieder mit dieser seltsam anstößigen Trauer im Blick. Schnell versteckte sie das Bändchen in den Falten ihres Kleides, straffte die Schultern, hob trotzig das Kinn und stolzierte an ihm vorbei. Er sollte es bloß nicht wagen, ihr ihren Schatz abzunehmen!

Zurück in ihrem Zimmer wollte sie das kleine Schloss öffnen, scheiterte aber bei all ihren Versuchen und gab es schließlich auf, um das Buch nicht zu beschädigen.

Der Fluch der Dunkelgräfin

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